Rz. 425

Kommt bei grenzüberschreitenden Arbeitnehmereinsätzen ausschließlichen ausländisches Sozialversicherungsrecht zur Anwendung und scheidet eine Pflichtversicherung in den einzelnen Zweigen der deutschen Sozialversicherung aus, kann im Einzelfall für den Arbeitnehmer bzw. den Arbeitgeber dennoch das Bedürfnis bestehen, dem nationalen Sozialversicherungssystem zu unterfallen. Diese Möglichkeiten werden nachfolgend für die einzelnen Sozialversicherungszweige dargestellt.

I. Rentenversicherung

 

Rz. 426

Im Bereich der Rentenversicherung besteht unter gewissen Voraussetzungen nach § 4 SGB VI die Möglichkeit einer Antragspflichtversicherung bzw. nach § 7 SGB VI die Möglichkeit einer freiwilligen Versicherung.

1. Antragspflichtversicherung

 

Rz. 427

Durch die Abgrenzungsnormen der VO (EG) 883/04 wird auch eine Antragspflichtversicherung nach § 4 SGB VI nicht ausgeschlossen. Findet also im Einzelfall deutsches Sozialversicherungsrecht keine Anwendung, steht das einer Antragspflichtversicherung in der deutschen Rentenversicherung nicht entgegen. Dies gilt nach Art. 14 Abs. 3 VO (EG) 883/04 selbst dann, wenn zugleich auch Pflichtbeiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung eines anderen Mitgliedstaats entrichtet werden.

 

Rz. 428

Voraussetzung einer Antragspflichtversicherung nach § 4 Abs. 1 Nr. 2 SGB VI ist, dass

die Person Deutscher ist bzw. wie ein solcher zu behandeln ist,
im Ausland eine Beschäftigung für eine begrenzte Zeit ausübt und
die Versicherungspflicht von einer Stelle beantragt wird, die ihren Sitz in Deutschland hat.

Nach dem Wortlaut der Regelung in § 4 Abs. 1 Nr. 2 SGB VI ist die Antragspflichtversicherung nur Deutschen i.S.d. Art. 116 Abs. 1 GG eröffnet. Aufgrund der Gleichbehandlungsnorm in Art. 4 VO (EG) 883/04 können sich Staatsangehörige eines anderen EU-Mitgliedsstaats wie Deutsche unter bestimmten Voraussetzungen in der Antragspflichtversicherung versichern. Besitzt eine Person die Staatsangehörigkeit eines Staats, der nicht Mitglied der EU bzw. des EWR ist, scheidet eine Antragspflichtversicherung aus. Gleiches gilt, wenn die Person zwar die Staatsangehörigkeit eines EWR-Staats besitzt, aber außerhalb des räumlichen Geltungsbereichs der VO (EG) 883/04 beschäftigt ist.

 

Rz. 429

Die Beschäftigung in dem anderen Staat muss zeitlich begrenzt sein. Im Gegensatz zu der Regelung in § 4 Abs. 1 SGB IV wird hier nicht vorausgesetzt, dass sich die Begrenzung aus dem Vertrag bzw. der Eigenart der Beschäftigung ergibt. Ebenso muss die zeitliche Befristung hier nicht im Voraus gegeben sein. I.R.d. Antragspflichtversicherung genügt die faktische zeitliche Begrenzung, die sich auch erst im Laufe der Beschäftigung im Ausland ergeben kann. Die Befristung muss aber im Zeitpunkt der Antragstellung auf die Antragspflichtversicherung bzw. spätestens bei der Entscheidung des Versicherungsträgers feststehen. Eine bestimmte zeitliche Grenze besteht für die Beschäftigung im Ausland nicht, diese kann sich daher auch über zehn Jahre erstrecken. In diesem Zusammenhang bei sog. Verlängerungsklauseln ist wieder Vorsicht geboten. Enthält der Vertrag bspw. folgende Klausel "Der Vertrag ist auf die Dauer von 36 Monaten geschlossen. Er verlängert sich jeweils um weitere zwölf Monate, wenn ihn nicht Arbeitgeber oder Arbeitnehmer bis zum ... kündigen", ist von einem unbefristeten Vertrag auszugehen. In diesen Fällen der unbeschränkten Auslandsbeschäftigung ist die Möglichkeit einer Antragspflichtversicherung ausgeschlossen.

 

Rz. 430

Voraussetzung für eine Antragspflichtversicherung ist schließlich eine Antragstellung. Antragsberechtigt ist nur eine Stelle, die ihren Sitz in der BRD hat. Als Stelle i.d.S. ist jedes Wirtschaftsunternehmen und jeder Arbeitgeber zu verstehen. Auf die Rechtsform des Arbeitgebers kommt es dabei nicht an. Keine Stelle i.d.S. sind hingegen reine Privatpersonen. Die Antragsberechtigung besteht i.Ü. unabhängig davon, ob zwischen der antragstellenden Stelle und dem Arbeitnehmer eine arbeitsrechtliche Beziehung besteht. Der Antrag bedarf keiner Form. Dem Antrag muss lediglich der Wille entnommen werden können, eine Antragspflichtversicherung zustande kommen zu lassen. Der Antrag ist an die Rentenversicherung Bund in Berlin zu richten. Nach Eingang des Antrags versendet die Rentenversicherung Bund dem Antragsteller ein Formblatt, in dem die rechtserheblichen Tatbestände erfragt werden.

 

Rz. 431

Die Versicherungspflicht beginnt bei der Antragspflichtversicherung an dem Tag, der dem Eingang des Antrags bei der Rentenversicherung Bund folgt, frühestens aber mit Eintritt aller Voraussetzungen. Nach § 170 Abs. 1 Nr. 4 SGB VI ist die antragstellende Stelle Schuldner der Beiträge an die Rentenversicherung Bund. Es ist jedoch nach § 179 Abs. 2 SGB VI eine Vereinbarung dahin gehend zulässig, dass der Versicherte der antragstellenden Stelle die Beiträge ganz oder teilweise zu erstatten hat. Eine solche Vereinbarung wirkt aufgrund ihres privatrechtlichen Charakters ausschließlich im Verhältnis Versicherter – antragstellende Stelle. Für die Zahlung der Beiträge gelten gem. §...

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