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Will man also die Erkennbarkeitsentfernung bei einem solchen Dunkelheitsunfall rekon­struieren, so kann die fotografische Dokumentation nur ein besseres Hilfsmittel sein. Eine sog. lichttechnische Expertise ist da wesentlich aussagekräftiger, da dort objektive Mess­­werte erhoben werden, z.B. mit dem in der Abb. 5.42 zu sehenden sog. Leuchtdichtemesser.

Abb. 5.42

Abb. 5.43

Es handelt sich dabei – einfach ausgedrückt – um eine kameraähnliche Messeinheit, die punktuell Helligkeiten in der beobachteten Szene misst (sog. Leuchtdichten). Man positioniert sich also in den für die Unfallanalyse wesentlichen Positionen (durch ein Weg-Zeit-Diagramm vorher ermittelt) zum Fußgänger, ähnlich Abb. 5.43. Dann misst man mit dem Leuchtdichtemesser diverse Punkte im Blickbereich des Pkw-Fahrers (Geradeausrichtung). Dies ist dann der Helligkeitsanteil, der während der Geradeausfahrt des Pkw-Fahrers im Augenmedium vorherrscht (sog. Adaptationsleuchtdichte).

Der links stehende Fußgänger wird dann sowohl direkt punktuell gemessen wie aber auch die ihn umgebende Zone. Solchermaßen ist der Helligkeits-(Leuchtdichte-)Unterschied zwischen eben jener Person und der direkten Umgebung objektiv feststellbar. Dies gelingt auch, wie schon weiter oben dargelegt, über das sog. Leuchtdichtenormal, das man rechts unten in der Abb. 5.43 sieht. Hier sind insgesamt 12 unterschiedlich helle Felder zu sehen mit insoweit bekannten Helligkeiten bzw. Leuchtdichten. Diese kann man mit einzelnen Punkten im Digitalfoto über ein Fotoanalyseprogramm vergleichen.

 

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Über Erkenntnisse, die von Augenmedizinern gewonnen wurden (in sog. Laborsituationen), ist man dann in der Lage, zu prüfen, ob im Idealfall, also als statischer Beobachter dieser Szenerie, die Helligkeitsunterschiede in Abhängigkeit des Adaptationszustandes des Autofahrers ausreichend waren, um das Sehobjekt zu erkennen.

Dies darf man natürlich nicht dem Realunfall gleichsetzen, weil sich dort der Pkw-Fahrer in einer dynamischen Fahrsituation befindet. Deswegen sind diese unter idealen Bedingungen (Labor) gemessenen Werte auf die Praxis umzumünzen, was dann auch mit dem sog. Praxisfaktor geschieht. Er ist faktisch ein Multiplikator der Messergebnisse aus der Laborsituation und hängt davon ab, wie "schwierig" die Sehaufgabe war, also welchen Bedingungen der Pkw-Fahrer ausgesetzt war. In der Regel reichen die Praxisfaktoren von 2 an der Untergrenze bis zu höchstens 5. Dieser Praxisfaktor ist also für den Einzelfall abzuwägen.

Nur so können ausreichend objektive Beurteilungen bzgl. der realen Unfallsituation vorgenommen werden, nicht zuletzt deswegen, weil sie z.B. im Rahmen eines von einem Kollegen zu überprüfenden Gutachtens wertetechnisch nachvollziehbar sind. D.h., man muss sich nicht auf pauschale Angaben verlassen, denen z.B. lediglich Fotos zugrunde liegen, von denen man nicht weiß, ob sie nun realitätsgetreu abgezogen worden sind oder nicht.

Man sollte sich daher nicht damit begnügen, solchen "Vorab-Expertisen" grenzenlos zu vertrauen, gibt es doch eben die Möglichkeit, solche komplexen Unfallsituationen deutlich realistischer nachzustellen, also echte objektivierbare Messwerte zu nehmen. Dies gelingt mittlerweile auch ohne einen solchen kostspieligen Leuchtdichtemesser; moderne Digitalkameras (durch einmaligen Einsatz eines solchen Leuchtdichtemessers) sind hinreichend gut eichbar.

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