Dr. Christopher Riedel, Prof. Dr. Carmen Griesel
Rz. 348
Die Veräußerung privater Immobilien richtet sich nach den §§ 22 Nr. 2, 23 Abs. 1 Nr. 1 EStG. Steuerpflichtige private Veräußerungsgeschäfte liegen vor, wenn der Zeitraum zwischen der Anschaffung und der Veräußerung der Immobilie nicht mehr als zehn Jahre beträgt. Ausgenommen von einer Besteuerung sind Immobilien, die im gesamten Zeitraum zwischen Anschaffung oder Fertigstellung und Veräußerung ausschließlich zu eigenen Wohnzwecken genutzt wurden. Gleiches gilt für Immobilien, bei denen sich die Nutzung zu eigenen Wohnzwecken auf das Jahr der Veräußerung und die beiden vorangegangenen Jahre beschränkt, § 23 Abs. 1 Nr. 1 S. 3 EStG (Mindestfrist: ein Jahr und zwei Tage, verteilt auf drei Kalenderjahre).
Hinweis
Dem Merkmal der ausschließlichen Nutzung zu eigenen Wohnzwecken steht die unentgeltliche Mitbenutzung der Immobilie durch unterhaltsberechtigte Kinder oder nahe Angehörige ebenso wenig entgegen wie ein zwangsläufiger kurzfristiger Leerstand vor Bezug bzw. Veräußerung. Bei einem Arbeitszimmer muss dagegen noch höchstrichterlich geklärt werden, ob die Vergünstigung des § 23 Abs. 1 Nr. 1 S. 3 EStG eingreift.
Rz. 349
Nach Ablauf der Zehnjahresfrist getätigte Verkäufe sind grds. steuerfrei. Auch Veräußerungsverluste können nicht mehr steuerwirksam geltend gemacht werden. Für die Berechnung der Frist kommt es auf den Abschluss der obligatorischen Verträge an. Die Genehmigung eines solchen Vertrages wirkt nicht zurück, sondern lässt – bei einem genehmigten Kaufvertrag – erst die Zehnjahresfrist im Zeitpunkt der Genehmigung zu laufen beginnen.
Rz. 350
Mit dem am 31.3.1999 verkündeten Steuerentlastungsgesetz 1999/2000/2002 wurde die früher nur zwei Jahre betragende Spekulationsfrist rückwirkend für alle Grundstücke auf zehn Jahre verlängert. Mit Beschl. v. 7.7.2010 hat das BVerfG diese in § 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 EStG i.V.m. § 52 Abs. 39 S. 1 EStG normierte Regelung teilweise als verfassungswidrige unechte Rückwirkung eingestuft. Die Verfassungswidrigkeit gilt für die Wertsteigerungen, die bei zuvor erworbenen Grundstücken bis zum 31.3.1999 entstanden sind und die nach der zuvor geltenden Rechtslage (Zweijahresfrist) steuerfrei realisiert worden sind oder steuerfrei hätten realisiert werden können. Insoweit ist also eine Aufteilung des Veräußerungsgewinns in einen steuerfreien Teil und einen steuerpflichtigen Teil geboten.
Rz. 351
Beispiel
Unternehmer U erwirbt am 2.2.1996 ein unbebautes Grundstück für 100.000 EUR. Er veräußert das Grundstück, das mittlerweile als Bauland ausgewiesen ist, am 1.4.2002 für 300.000 EUR. Dass das Grundstück Bauland wird, stand bereits zum 31.3.1999 fest, so dass sich zu diesem Stichtag ein Verkehrswert der Immobilie von 250.000 EUR errechnete.
Lösung
Unter Berufung auf den Beschluss des BVerfG ist, obwohl die Veräußerung innerhalb der Zehnjahresfrist erfolgte, der Veräußerungserlös nur teilweise steuerpflichtig. Der steuerfreie Teil beläuft sich auf 250.000 EUR (Wert zum 31.3.1999). Lediglich in Höhe der verbleibenden 50.000 EUR (300.000 EUR ./. 250.000 EUR) kommt ein steuerpflichtiges privates Veräußerungsgeschäft in Betracht.
Rz. 352
War die Zweijahresfrist dagegen zum Tag der Verkündung des Steuerentlastungsgesetzes 1999/2000/2002 (am 31.3.1999) noch nicht abgelaufen, ist die Verlängerung der Frist auf zehn Jahre zulässig. Ein Verfassungsverstoß ist nach Ansicht des BVerfGs dann nicht ersichtlich; eine Aufteilung des Veräußerungserlöses in steuerpflichtige und steuerfreie Teile kommt nicht in Betracht.
Rz. 353
Der Veräußerungsgewinn errechnet sich gemäß § 23 Abs. 3 S. 1 EStG aus dem Unterschied zwischen dem Veräußerungspreis und den Anschaffungs- bzw. Herstellungskosten und den Werbungskosten. Gemäß § 23 Abs. 3 S. 4 EStG mindern sich die Anschaffungs- oder Herstellungskosten um die Absetzungen für Abnutzungen, erhöhte Abschreibungen und Sonderabschreibungen, soweit sie bei der Ermittlung der Einkünfte nach § 2 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 bis 7 EStG abgezogen worden sind.
Rz. 354
Beispiel
Unternehmer U hat eine vermietete Immobilie im Jahr 2007 in seinem Privatvermögen für 200.000 EUR erworben. Er hat während seiner Besitzzeit AfA in Höhe von insgesamt 16.000 EUR in Anspruch genommen, als er die Immobilie Anfang 2011 für 230.000 EUR veräußert.
Lösung
Der steuerpflichtige Veräußerungsgewinn errechnet sich aus dem Veräußerungserlös in Höhe von 230.000 EUR abzüglich Anschaffungskosten in Höhe von 184.000 EUR (200.000 EUR ./. 16.000 EUR), beträgt also 46.000 EUR.
Rz. 355
Nach § 23 Abs. 3 S. 5 EStG beträgt die Freigrenze für Veräußerungsgewinne weniger als 600 EUR p.a. Ab Erreichen des Betrages von 600 EUR ist der gesamte Veräußerungsgewinn ab dem ersten EUR steuerpflichtig.
Hinweis
Verluste, die aus Veräußerungen innerhalb der Zehnjahresfrist erzielt werden, sind steuerlich berücksichtigungsfähig. Voraussetzung ist aber grundsätzlich, dass der Steuerpflichtige mit Überschusserzielungsabsicht gehandelt hat. Anderenfalls liegt eine steuerliche Liebhaberei vor mit der Konseq...