Dr. Christopher Riedel, Prof. Dr. Carmen Griesel
Rz. 377
Die Veräußerung von Anteilen an einer Kapitalgesellschaft führt bei dem Unternehmer zu Einkünften aus Gewerbebetrieb i.S.v. § 17 EStG, wenn er innerhalb der letzten fünf Jahre am Kapital der Gesellschaft unmittelbar oder mittelbar zu mindestens 1 % beteiligt war. Eine Zuordnung zu dem Bereich des Kapitalvermögens scheidet aufgrund der Subsidiarität des Kapitalvermögens gemäß § 20 Abs. 8 EStG aus. Bei einer Beteiligung, die diese Mindestbeteiligungsgrenze nicht erreicht, fällt der Veräußerungsgewinn nach § 20 Abs. 2 EStG unter die Abgeltungsteuer.
Hinweis
Hat der Unternehmer selbst die Beteiligung unentgeltlich erworben, bestimmen sich die Fünfjahresfrist und die Anschaffungskosten der Beteiligung nach seinem Rechtsvorgänger, § 17 Abs. 2 S. 5 EStG.
Rz. 378
Der Veräußerungsgewinn errechnet sich bei § 17 EStG aus dem Veräußerungspreis nach Abzug der Veräußerungskosten und der Anschaffungskosten, § 17 Abs. 2 S. 1 EStG. Ein Veräußerungsverlust ist jedoch nach der Sonderregelung des § 17 Abs. 2 S. 6 EStG nicht zu berücksichtigen, soweit er
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auf Anteile entfällt, die der Unternehmer innerhalb der letzten fünf Jahre unentgeltlich erworben hatte, wenn auch der Rechtsvorgänger den Veräußerungsverlust nicht hätte berücksichtigen können, oder |
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die entgeltlich erworbenen Anteile nicht innerhalb der gesamten letzten fünf Jahre zu einer wesentlichen Beteiligung i.S.v. § 17 Abs. 1 S. 1 EStG gehört haben, soweit der Anteilserwerb nicht zur Begründung einer wesentlichen Beteiligung geführt hat oder er danach erfolgte. |
Vorsicht
Die verdeckte Einlage von Anteilen an einer Kapitalgesellschaft in eine Kapitalgesellschaft steht der Veräußerung gleich, § 17 Abs. 1 S. 2 EStG. Als Veräußerungserlös gilt hier der gemeine Wert der Anteile im Zeitpunkt der Einlage, § 17 Abs. 2 S. 2 EStG.
Rz. 379
§ 17 Abs. 3 EStG sieht einen verhältnismäßig geringen Freibetrag vor: Dieser entspricht dem Anteil von 9.060 EUR, der dem veräußerten Anteil an der Kapitalgesellschaft entspricht, bei einem Anteil von 10 % also lediglich 906 EUR. Gleichzeitig ermäßigt sich der Freibetrag um den Betrag, um den der Veräußerungsgewinn den Teil von 36.100 EUR übersteigt, der dem veräußerten Anteil an der Kapitalgesellschaft entspricht. Im Beispielsfall (10 %-Anteil) vermindert sich der Freibetrag von 906 EUR anteilig, sobald der Veräußerungsgewinn mehr als 3.610 EUR beträgt. Beläuft sich der Veräußerungsgewinn auf mehr als 4.516 EUR, steht daher kein Freibetrag zur Verfügung.
Hinweis
Mit Urt. v. 7.12.2010 hat der BFH eine Verlustrealisierung bei ringweiser Anteilsveräußerung nicht als Gestaltungsmissbrauch eingestuft. Streitgegenstand waren die Gesellschaftsanteile von sieben zu gleichen Teilen an einer Kapitalgesellschaft beteiligten Gesellschaftern. Die GmbH hatte in der Vergangenheit erhebliche Verluste erwirtschaftet. Jeder Gesellschafter verkaufte seinen Anteil an einen anderen Gesellschafter mit Verlust und kaufte gleichzeitig einen entsprechenden Anteil von einem Mitgesellschafter. Als Konsequenz dieses Anteilstausches waren die Gesellschafter wieder zu gleichen Teilen an der GmbH beteiligt, hatten aber über § 17 EStG steuerlich abzugsfähige Veräußerungsverluste realisiert. Darin liegt nach Meinung des BFH kein Gestaltungsmissbrauch gemäß § 42 AO.
Vorsicht
Die Regelung des § 8c KStG sieht einen Verlustuntergang auf Ebene der Gesellschaft vor in Abhängigkeit von den übertragenen Gesellschaftsanteilen: Bei der Übertragung von mehr als 50 % der Anteile an einer Kapitalgesellschaft innerhalb von fünf Jahren gehen noch nicht verbrauchte und deshalb vorgetragene Verluste bei der Gesellschaft in vollem Umfang unter. Die weitergehende Regelung, wonach bei einer Übertragung von mehr als 25 % bis 50 % der Anteile ein Verlustvortrag anteilig untergehen sollte, wurde aufgrund der Verfassungswidrigkeit vom Gesetzgeber gestrichen. Ob die Verfassungswidrigkeit auch für eine Anteilsübertragung von mehr als 50 % gilt, muss vom BVerfG noch entschieden werden.
Ab dem Veranlagungszeitraum 2016 wurde mit § 8d KStG ein sog. fortführungsgebundener Verlustvortrag eingeführt. Danach gehen Verlustvorträge trotz Anteils nicht unter, wenn im Wesentlichen folgende Voraussetzungen erfüllt sind:
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Die Gesellschaft unterhält seit ihrer Gründung, mindestens seit dem Beginn des dritten Veranlagungszeitraums vor der schädlichen Anteilsübertragung, denselben Geschäftsbetrieb. |
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In dieser Zeit bis zum Ende des schädlichen Beteiligungserwerb hat kein Ereignis im Sinne von § 8d Abs. 2 KStG stattgefunden. Dazu zählen z.B. die Änderung des Geschäftszwecks oder die zusätzliche Aufnahme eines Geschäftsbetriebs. Diese Ereignisse führen später auch zu einem Wegfall eines festgestellten fortführungsgebundenen Verlustvortrags, § 8d Abs. 2 KStG. |
Rz. 380
Befindet sich die zu veräußernde Beteiligung an der Kapitalgesellschaft nicht im Privatvermögen, sondern im Betriebsvermögen des Unternehmers, greift weder die Abgeltungsteuer noch die Regelung des § 17 EStG ein. Die Veräußerung aus dem Be...