Dr. Christopher Riedel, Prof. Dr. Carmen Griesel
Rz. 291
Die Bewertung von Unternehmensvermögen (Einzelunternehmen, Beteiligungen an Personengesellschaften und Anteile an nichtnotierten Kapitalgesellschaften) erfolgen nach eigenständigen im Bewertungsgesetz geregelten Bewertungsverfahren, die im Folgenden vorgestellt werden.
In seinem Beschluss bzgl. der Verfassungswidrigkeit des Erbschaftsteuergesetzes vom 7.11.2006 hatte das BVerfG festgestellt, dass sich die künftige erbschaftsteuerliche Bewertungsebene am gemeinen Wert orientieren muss. Durch die daraufhin erfolgte Neuregelung der Bewertungsvorschriften der einzelnen Vermögensarten durch die Erbschaftsteuerreform 2009 wurden diese Vorgaben umgesetzt. Die Bewertung von Unternehmensvermögen erfolgt seither unabhängig von der Rechtsform. Damit gelten einheitliche Bewertungsverfahren sowohl für Personenunternehmen als auch für Kapitalgesellschaften.
Rz. 292
Für die Bewertung kommen nach § 109 i.V.m. § 11 Abs. 2 BewG folgende Bewertungsverfahren zur Anwendung:
(1) |
Der gemeine Wert von Betriebsvermögen ist in erster Linie aus Verkäufen unter fremden Dritten abzuleiten, die weniger als ein Jahr vor dem Besteuerungszeitpunkt zurückliegen. |
(2) |
Liegen keine zeitnahen Verkäufe vor, ist der gemeine Wert unter Berücksichtigung der Ertragsaussichten oder einer anderen anerkannten – auch im gewöhnlichen Geschäftsbereich für nicht steuerliche Zwecke üblichen – Methode zu schätzen. Es soll dabei die Methode angewendet werden, die ein Erwerber der Bemessung des Kaufpreises zugrunde legen würde. |
(3) |
Als Mindestwert ist die Summe der gemeinen Werte aller Einzelwirtschaftsgüter abzüglich der Schulden anzusetzen (Substanzwert). |
Bei Anwendung des Ertragswertverfahrens können die Unternehmen unter anderem zwischen dem sog. vereinfachten Ertragswertverfahren (§§ 199 ff. BewG) und dem Ertragswertverfahren nach IDW S1 wählen (§ 11 Abs. 2 S. 4 BewG).
1. Einzelheiten zum Substanzwertverfahren
Rz. 293
Der Substanzwert bildet die Untergrenze des maßgeblichen Unternehmenswerts. Dieser ergibt sich als Summe aus den gemeinen Werten der zum Betriebsvermögen gehörenden Wirtschaftsgüter nach §§ 95–97 BewG abzüglich der zum Betriebsvermögen gehörenden Schulden. Der Ansatz des Substanzwerts ist ausgeschlossen, wenn der gemeine Wert aus tatsächlichen Verkäufen unter fremden Dritten im gewöhnlichen Geschäftsverkehr abgeleitet wird.
Rz. 294
Im Substanzwert sind alle zum ertragsteuerlichen Betriebsvermögen zählenden Wirtschaftsgüter unabhängig davon zu erfassen, ob für diese ein steuerliches Aktivierungs- bzw. Passivierungsverbot (z.B. bei Drohverlustrückstellungen) besteht. Somit sind auch selbstgeschaffene oder entgeltlich erworbene immaterielle Wirtschaftsgüter, z.B. Patente, Lizenzen, Warenzeichen, Markenrechte, Konzessionen, Belieferrechte zu erfassen. Sofern den geschäftswert-, firmenwert- oder praxiswertbildenden Faktoren ein eigenständiger Wert zugewiesen werden kann (z.B. Kundenstamm, Know-how), ist dieser mit einzubeziehen, und zwar unabhängig davon, ob diese selbst geschaffen oder entgeltlich erworben wurden.
Rz. 295
Die Rücklagen und Ausgleichsposten haben Eigenkapitalcharakter und sind daher nach Ansicht der Finanzverwaltung im Allgemeinen nicht abzugsfähig. Die zum Betriebsvermögen gehörenden Wirtschaftsgüter und sonstigen aktiven Ansätze sowie die zum Betriebsvermögen gehörenden Schulden und sonstigen Abzüge sind bei der Ermittlung des Substanzwerts nach § 11 Abs. 2 S. 3 BewG mit dem gemeinen Wert anzusetzen. Dabei sind im Betriebsvermögen gehaltener Grundbesitz und Beteiligungen an "Tochterunternehmen" (Betriebsvermögen und Anteile an Kapitalgesellschaften), für die ein Wert nach § 151 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 bis 3 BewG festzustellen ist, mit dem auf den Bewertungsstichtag festgestellten Wert anzusetzen.
Rz. 296
Der gemeine Wert von Erfindungen oder Urheberrechten, die in Lizenz vergeben oder in sonstiger Weise gegen Entgelt einem Dritten zur Ausnutzung überlassen sind, wird in der Weise ermittelt, dass der Anspruch auf die in wiederkehrenden Zahlungen bestehende Gegenleistung kapitalisiert wird, soweit keine anderen geeigneten Bewertungsgrundlagen vorhanden sind.
Rz. 297
Wirtschaftsgüter des beweglichen, abnutzbaren Anlagevermögens sind aus Vereinfachungsgründen mindestens mit 30 v.H. der Anschaffungs- oder Herstellungskosten anzusetzen, wenn dies nicht zu unzutreffenden Ergebnissen führt. Wirtschaftsgüter des Umlaufvermögens sind mit ihren Wiederbeschaffungs- oder Wiederherstellungskosten zum Bewertungsstichtag anzusetzen, wobei deren Wert auch nach der retrograden Methode ermittelt werden kann. Stille Reserven aufgrund der Verbrauchsfolgefiktion des Lifo-Verfahrens sind beim Substanzwert anzusetzen.
Rz. 298
Nur wenn sich Einzelunternehmen, Personengesellschaften oder Kapitalgesellschaften in Liquidation befinden, kann nach Ansicht der Finanzverwaltung der Liquidationswert (einschließlich d...