Dr. iur. Franz-Thomas Roßmann
1. Betreuung eines Kindes
Rz. 11
Der Unterhaltsanspruch nach § 1615l Abs. 2 S. 2 bis 5 BGB setzt die Betreuung eines Kindes voraus.
Der BGH arbeitet die Zielsetzung der Vorschrift wie folgt heraus:
Zitat
"Damit steht im Einklang, dass allein das Zusammenleben in nichtehelicher Lebensgemeinschaft vor der Eheschließung keine rechtlich gesicherte Position begründet. Ein Unterhaltsanspruch gem. § 1615l Abs. 1 u. Abs. 2 S. 2 BGB beruht allein auf der Kinderbetreuung (…), während ein über die Kindesbetreuung hinausgehender Unterhalt selbst dann nicht geschuldet ist, wenn dem Elternteil durch die Betreuung bleibende Nachteile entstanden sind."
Rz. 12
Nach jetziger Rechtslage hat der das Kind betreuende nicht verheiratete Elternteil bei vorhandener Bedürftigkeit in den ersten drei Lebensjahren des Kindes stets einen Unterhaltsanspruch; nach Ablauf der drei Jahre ist eine Verlängerung des Anspruchs möglich, solange und soweit dies der Billigkeit entspricht.
Maßgeblich für den Anspruch ist allein die Betreuung des Kindes, d.h. bei Betreuung des Kindes durch die Mutter ist § 1615l direkt anzuwenden, im Fall der Betreuung durch den Vater über Abs. 4 der Vorschrift.
Der Unterhaltsanspruch nach § 1615l Abs. 2 S. 2 BGB ist gegeben, soweit von dem das Kind betreuenden Elternteil wegen der Pflege oder Erziehung des Kindes keine Erwerbstätigkeit erwartet werden kann.
Die Anspruchsvoraussetzungen entsprechen weitestgehend dem Unterhaltsanspruch nach § 1570 BGB.
Rz. 13
Die Betreuung eines bis zu drei Jahre alten Kleinkindes durch einen nicht verheirateten Elternteil steht einer Erwerbspflicht entgegen. Der das Kind betreuende Elternteil ist nicht auf eine Fremdbetreuung zu verweisen. Der betreuende Elternteil muss nicht den Nachweis führen, dass sie/er nicht oder nur beschränkt erwerbstätig ist, weil das Kind anderweitig nicht versorgt werden kann.
Eine Kausalität zwischen Bedürftigkeit und Kinderbetreuung ist nicht erforderlich.
Rz. 14
Mit der Einführung des Basisunterhalts bis zur Vollendung des dritten Lebensjahres hat der Gesetzgeber dem betreuenden Elternteil die freie Entscheidung eingeräumt, ob sie/er das Kind in dessen ersten drei Lebensjahren in vollem Umfang selbst betreuen oder andere Betreuungsmöglichkeiten in Anspruch nehmen will.
Damit ist der betreuende Elternteil für mindestens drei Jahre nach der Geburt des Kindes unterhaltsberechtigt. Dieser Zeitraum verlängert sich, solange und soweit dies der Billigkeit entspricht. Dabei sind insbesondere die Belange des Kindes und die bestehenden Möglichkeiten der Kinderbetreuung zu berücksichtigen.
2. Verlängerung aus Billigkeitsgründen
Rz. 15
Der Unterhaltsanspruch des betreuenden Elternteils kann sich über den Zeitraum von drei Jahren seit der Geburt des Kindes hinaus verlängern, soweit und solange dies der Billigkeit entspricht.
Grundsätzlich ist allerdings aufgrund des Wortlauts der Vorschrift zunächst einmal festzustellen, dass nach Ablauf von drei Jahren seit der Geburt des Kindes eine Erwerbsobliegenheit einsetzt.
Eine Verlängerung des Unterhalts über den Zeitraum von drei Jahren hinaus stellt eine Ausnahme im Sinne einer positiven Härteklausel dar. Das Gesetz ordnet also ein Regel-Ausnahme-Verhältnis an. Die grundsätzliche gesetzliche Begrenzung des Anspruchs nach § 1615l auf drei Jahre nach der Geburt des Kindes ist auch mit Art. 6 GG zu vereinbaren.
Insoweit scheint es sehr zweifelhaft zu sein, ein allgemeines Altersphasenmodell zu entwickeln, welches korrespondierend zum Alter des Kindes eine Relation zwischen Erwerbspflicht auf der einen und Belangen des Kindes auf der anderen Seite zugrunde legt.
Rz. 16
Der Anlass der Verlängerung aus Billigkeit muss nicht in den ersten drei Lebensjahren eines Kindes begründet sein, es kann eine zeitliche Verlängerung der Unterhaltspflicht aus Billigkeit vielmehr jederzeit entstehen, so auch wenn erstmals oder erneut die Voraussetzungen dafür zu einem späteren Zeitpunkt entstehen, auch wenn das Kind dann z.B. bereits zwölf Jahre alt ist. Gründe für einen solchen späten Billigkeitsunterhalt auf der Grundlage des § 1615l Abs. 2 BGB kann eine Erkrankung des Kindes oder ein Unfall im Grunde genommen bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres sein.
Dem unterhaltsberechtigten Elternteil obliegt aber die Darlegungs- und Beweislast für die Voraussetzungen einer Verlängerung des Betreuungsunterhalts über die Dauer von drei Jahren hinaus.
Allerdings ist ein abrupter Wechsel von der elterlichen Betreuung zu einer Vollzeiterwerbstätigkeit grundsätzlich nicht zu verlangen. Der BGH äußert sich wie folgt:
Zitat
"Damit verlangt die Regelung allerdings keinen abrupten Wechsel von der elterlichen Betreuung zu einer Vollzeiterwerbstätigkeit (BT-Drucks 16/6980, 9). Insbesondere nach Maßgabe der im Gesetz ausdrücklich genannten kindbezogenen Gründe ist unter Berücksichtigung der bestehenden Möglichkeiten der Kinderbetreuung (§ 1615l Abs. 2 S. 4 BGB) ein gestufter Übergang bis hin zu einer Vollzeiterwerbstätigkeit möglich...