Rz. 56

Der Bedarf der Kindsmutter darf jedoch nicht niedriger als das Existenzminimum (960 EUR) angesetzt werden.

 

BGH, Urt. v. 13.1.2010 – XII ZR 123/08

Der Unterhaltsanspruch nach § 1615l Abs. 2 BGB soll dem Berechtigten – wie auch der nacheheliche Betreuungsunterhalt nach § 1570 BGB – eine aus kind- und elternbezogenen Gründen notwendige persönliche Betreuung und Erziehung des gemeinsamen Kindes in den ersten Lebensjahren ermöglichen. Er muss deswegen jedenfalls das Existenzminimum des Unterhaltsberechtigten abdecken. Auch wenn der betreuende Elternteil vor der Geburt des Kindes von Sozialleistungen gelebt hat oder seine Einkünfte darunter lagen und er deswegen auf ergänzende Sozialleistungen angewiesen war, konnte er von einer gesicherten Lebensstellung in Höhe des Existenzminimums ausgehen. Einem Unterhaltsbedarf in Höhe des Existenzminimums stehen auch keine sonstigen unterhaltsrechtlichen Argumente entgegen, zumal der Unterhaltsanspruch minderjähriger und privilegiert volljähriger Kinder nach § 1609 Nr. 1 BGB stets vorrangig ist und dem Unterhaltspflichtigen jedenfalls ein Selbstbehalt verbleibt, der nicht unter dem Existenzminimum liegt.

Der Senat hat deswegen entschieden, dass sowohl beim Betreuungsunterhalt nach § 1615l Abs. 2 BGB als auch beim Ehegattenunterhalt von einem Unterhaltsbedarf auszugehen ist, der das Existenzminimum nicht unterschreiten darf (Urt. v. 16.12.2009 – XII ZR 50/08).

Die Höhe dieses stets zu wahrenden Existenzminimums darf mit dem notwendigen Selbstbehalt eines nicht erwerbstätigen Unterhaltspflichtigen pauschaliert werden, der gegenwärtig nach der Düsseldorfer Tabelle und den unterhaltsrechtlichen Leitlinien der Oberlandesgerichte monatlich 770 EUR beträgt.

Dass der Selbstbehalt eines Unterhaltspflichtigen darüber hinausgeht, steht dem nicht entgegen, weil der Bedarf eines Unterhaltsberechtigten nicht mit dem entsprechenden Selbstbehalt eines Unterhaltspflichtigen gleichgesetzt werden darf (vgl. insoweit Urteile vom 18.11.2009 – XII ZR 65/09 und BGHZ 179, 196, 206 f. Tz. 30 f. = FamRZ 2009, 411, 414). Der Mindestbedarf bestimmt auch nicht generell den angemessenen Unterhalt im Sinne des § 1610 Abs. 1 BGB, sondern legt lediglich die unterste Schwelle des Unterhaltsbedarfs nach der Lebensstellung des Bedürftigen fest. Der am Existenzminimum orientierte Mindestbedarf kann sich lediglich nach dem Betrag richten, der einem nicht erwerbstätigen Unterhaltspflichtigen als notwendiger Selbstbehalt zur Verfügung steht. Soweit der Selbstbehalt eines Erwerbstätigen darüber hinausgeht, schließt er einen Erwerbsanreiz ein, der auf Seiten des Unterhaltspflichtigen seine Berechtigung hat, aber nicht in gleicher Weise auf den Unterhaltsberechtigten übertragen werden kann (Urt. v. 16.12.2009 – XII ZR 50/08).

 

Rz. 57

Die "Lebensstellung" der Kindsmutter ergibt sich aus den bezogenen Sozialleistungen.

 

BGH, Urt. v. 16.12.2009 – XII ZR 50/08

In Fällen, in denen der unterhaltsberechtigte Elternteil vor der Geburt des Kindes von Sozialleistungen gelebt hat, kann dessen Lebensstellung nicht mit Null angesetzt werden, weil sonst für diesen Elternteil ein Unterhaltsanspruch nach § 1615l Abs. 2 BGB von vornherein ausgeschlossen wäre. In solchen Fällen ergibt sich die Lebensstellung vielmehr aus der Höhe der gezahlten Sozialleistung, weil Einkünfte in dieser Höhe nach den §§ 8 ff. SGB XII gesetzlich garantiert sind. Entsprechend ist auch Unterhaltsberechtigten mit geringeren Einkünften ein solcher Mindestbedarf in Höhe des Existenzminimums zuzubilligen, weil ihr Bedarf nicht geringer sein kann, als der Bedarf eines Unterhaltsberechtigten ohne eigene Einkünfte. Auch diese Unterhaltsberechtigten haben eine gesicherte Lebensstellung in Höhe des Existenzminimums, weil sie neben ihren geringen Einkünften aufstockende Sozialhilfe beantragen können.

Im Rahmen der gebotenen Pauschalierung ist für einen Mindestbedarf in Höhe des Existenzminimums nicht auf den Selbstbehalt eines erwerbstätigen Unterhaltspflichtigen abzustellen. Der am Existenzminimum orientierte Mindestbedarf kann sich lediglich nach dem Betrag richten, der einem nicht erwerbstätigen Unterhaltspflichtigen als notwendiger Selbstbehalt zur Verfügung steht und gegenwärtig nach der Düsseldorfer Tabelle und den unterhaltsrechtlichen Leitlinien der Oberlandesgerichte 770 EUR beträgt.

 

Rz. 58

Vgl. zum Bedarf auch Fall 23 (siehe § 5 Rdn 1 ff.).

 

Rz. 59

Das Einkommen der neKM vor der Geburt des Kindes – ohne Geburt hätte sich laut Fall­angabe keine Erhöhung ergeben – betrug 1.200 EUR. Der Bedarf der nicht verheirateten Kindsmutter darf, wie ausgeführt, nicht höher angesetzt werden als der Bedarf, der bestünde, wenn neKM mit M verheiratet wäre. Deshalb ist fiktiv der Ehegattenunterhalt zu berechnen.

 

Fiktiver Ehegattenunterhalt (Obergrenze):

Der eben bestimmte Kindesunterhalt (Zahlbetrag, nicht Tabellenbetrag) ist zunächst vom Einkommen des M abzuziehen.

3.500 EUR (bereinigtes Nettoeinkommen des M) – 366,50 EUR (Zahlbetrag Kindesunterhalt) = 3.133,50 EUR

Diese 3.133,50 E...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge