Rz. 137
Die Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 VV RVG entsteht für das Betreiben des Geschäfts einschließlich der Information sowie für die Mitwirkung an der Gestaltung eines Vertrags, Vorbem. 2.3 Abs. 3 VV RVG. Maßgeblich für den Anfall einer Geschäftsgebühr ist der erteilte Auftrag, da diesem zu entnehmen ist, welchen Weg der Rechtsanwalt zur Erledigung der Angelegenheit beschreiten soll. Die Geschäftsgebühr entsteht damit schon mit der Auftragserteilung, wenn dem Anwalt die entsprechende Information zum Auftrag vorliegt und er den Auftrag angenommen hat. Dabei zielt die Geschäftsgebühr auf ein Vertretungsmandat ab, vgl. dazu auch die Überschrift zu Teil 2 Abschnitt 3 "Vertretung". Die Vollmacht ist im Übrigen kein Beweis für den erteilten Auftrag, da sie lediglich Legitimationspapier nach außen ist; sie hat allenfalls Indizwirkung. Ob der RA Verfahrensbevollmächtigter ist, hängt vom Auftrag, d.h. vom Innenverhältnis zum Auftraggeber ab.
Rz. 138
Nachdem der Gesetzgeber bei Inkassodienstleistungen für unbestrittene Forderungen zum 1.10.2021 den Gebührensatz der hierfür anfallenden Geschäftsgebühr neu geregelt hat, ist in einfachen Fällen eine Geschäftsgebühr von 0,5 abzurechnen; der Gebührenrahmen ist begrenzt von 0,5 bis max. 1,3, § 60 RVG ist zu beachten. Erst wenn die Forderung bestritten ist oder es sich nicht um eine Inkassodienstleistung (i.S.d. § 2 Abs. 2 RDG) handelt, kann der reguläre Gebührensatz der Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 VV RVG abgerechnet werden. Im Familienrecht dürfte ein Anwalt nur äußerst selten mit einer "Inkassodienstleistung" zu tun haben, siehe dazu auch § 2 Abs. 2 RDG.
Rz. 139
Der BGH hat mit seinem Urt. v. 24.2.2022 zum wiederholten Male deutlich gezeigt, wie wichtig der erteilte Auftrag für die Entstehung der Gebühren ist. Denn vom erteilten Auftrag hängt ab, ob eine Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 VV RVG (ggf. nach Abs. 2 der Anm. zu Nr. 2300 VV RVG) oder aber eine Verfahrensgebühr nach Nr. 3100 VV oder Nr. 3101 Nr. 1 VV RVG ausgelöst wird. Zur Sicherung des anwaltlichen Honoraranspruchs bietet es sich daher an, den erteilten Auftrag präzise festzuhalten/zur Akte zu dokumentieren. Denn, so der BGH, entscheidend ist der Auftrag im Innenverhältnis zwischen RA und Mandant.
Rz. 140
Exkurs:
Vorbem. 2.3 Abs. 3 VV RVG regelt die Entstehung der Geschäftsgebühr:
Zitat
"Die Geschäftsgebühr entsteht für das Betreiben des Geschäfts einschließlich der Information und für die Mitwirkung bei der Gestaltung eines Vertrags."
Vorbem. 3 Abs. 1 VV RVG regelt die Entstehung von Gebühren nach Teil 3 VV RVG, somit auch der Verfahrensgebühr:
Zitat
"Gebühren nach diesem Teil erhält der Rechtsanwalt, dem ein unbedingter Auftrag als Prozess- oder Verfahrensbevollmächtigter, als Beistand für einen Zeugen oder Sachverständigen oder für eine sonstige Tätigkeit in einem gerichtlichen Verfahren erteilt worden ist. Der Beistand für einen Zeugen oder Sachverständigen erhält die gleichen Gebühren wie ein Verfahrensbevollmächtigter."
Rz. 141
Ob für ein anwaltliches Aufforderungsschreiben eine Geschäftsgebühr oder aber (bei vorzeitiger Beendigung) ggf. eine 0,8 Verfahrensgebühr anfällt bzw. bei tatsächlicher Klageeinreichung die Tätigkeit für das Aufforderungsschreiben mit der 1,3 Verfahrensgebühr nach Nr. 3100 VV RVG abgegolten ist, richtet sich nach Art und Umfang des im Einzelfall erteilten Mandats, so der BGH:
Zitat
"Ob eine vorprozessuale anwaltliche Zahlungsaufforderung eine Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 RVG VV auslöst oder als der Vorbereitung der Klage dienende Tätigkeit nach § 19 I 2 Nr. 1 RVG zum Rechtszug gehört und daher mit der Verfahrensgebühr nach Nr. 3100 RVG VV abgegolten ist, ist eine Frage der Art und des Umfangs des im Einzelfall erteilten Mandats (im Anschluss an BGH NJW-RR 2019, 1332 = WM 2019, 1833)."
Rz. 142
Der BGH hat in dieser Sache nicht endgültig entschieden, sondern diese vielmehr zur weiteren Tatsachenfeststellung an die Vorinstanz zurückverwiesen. Nach Ansicht des BGH war in der Vorinstanz zu Art und Umfang des im Einzelfall erteilten Mandats der Sachverhalt nicht hinreichend und vollständig ausgeschöpft worden.
Rz. 143
Das Fazit aus dieser BGH-Entscheidung:
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Erteilt der Mandant den Auftrag zunächst außergerichtlich tätig zu werden und für den Fall, dass eine außergerichtliche Einigung nicht zustande kommt, erst dann zu klagen, würde für die außergerichtliche Tätigkeit eine Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 VV RVG ausgelöst. |
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Lautet der unbedingte Auftrag, eine Klage/einen gerichtlichen Antrag einzureichen, erfolgt aber zur Vorbereitung der Klage/des Antrags (noch) eine außergerichtliche Tätigkeit, gehört diese vorbereitende Tätigkeit gem. § 19 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 RVG zum Rechtszug und damit zur Verfahrensgebühr für das beabsichtigte Klageverfahren. |
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Zur Beitreibung einer Entgeltforderung, mit deren Zahlung sich ein Schuldner in Verzug befindet, ist regelmäßig selbst in einfach gelagerten Fällen die Beauftragung eines Rechtsanwalts erforderlich und zweckmäßig. |
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Der BGH beton... |