Rz. 362
Dass der Anwalt eine Einigungsgebühr auch neben der Gebühr für die Beratung berechnen kann, lässt sich spätestens seit dem 1.8.2013 aus Abs. 1 der Anm. zu Nr. 1005 VV RVG entnehmen. Hier ist die Höhe der Einigungsgebühr in sozialrechtlichen Angelegenheiten geregelt, wenn die Einigung nach einer Beratung gem. § 34 RVG erfolgt. In Vorbemerkung 1 wurden nach den Wörtern "bestimmten Gebühren" die Wörter "oder einer Gebühr für die Beratung nach § 34 RVG" eingefügt. Damit schien ein lange schwelender Streit, ob eine Einigungsgebühr auch im Rahmen eines reinen Beratungsmandats entstehen kann, durch den Gesetzgeber beantwortet worden. Dass das, was für sozialrechtliche Angelegenheiten gilt (Einigungsgebühr neben einer Gebühr für die Beratung nach § 34 RVG) genauso auch in einem zivil-, familien- oder arbeitsrechtlich orientierten Mandat gelten muss, daran gab es in der Praxis keinen Zweifel. In der überwiegenden Kommentarliteratur wird ebenfalls davon ausgegangen, dass neben der Gebühr für die Beratung seit dem 2. KostRMoG zum 1.8.2013 eine Einigungsgebühr entstehen kann, wenn der Anwalt am Zustandekommen einer Einigung auf der Grundlage seiner Beratung mitgewirkt hat. Auch nach der Auffassung der Gebührenreferenten der Rechtsanwaltskammern (73. Tagung vom 24.9.2016 in Bonn) kann neben der Beratungsgebühr des § 34 RVG eine Einigungsgebühr entstehen. Gleichwohl haben Rechtsschutzversicherer häufig die Erstattung der Einigungsgebühr in diesen Fällen verneint.
Rz. 363
Der Gesetzgeber hat daher mit der Aufnahme, dass die in diesem Teil bestimmten Gebühren neben den in anderen Teilen bestimmten Gebühren und neben einer Beratung nach § 34 RVG entstehen kann, in Vorbem. 1 VV RVG Klarheit geschaffen.
Rz. 364
Damit die Einigungsgebühr neben einer Gebühr für die Beratung entstehen kann, müssen die Tatbestände nach Absatz 1 der Anmerkung zu Nr. 1000 VV RVG erfüllt sein:
▪ |
Mitwirkung des Rechtsanwalts, |
▪ |
beim Abschluss eines wirksamen Vertrages, |
▪ |
über den Streit oder Ungewissheit über ein Rechtsverhältnis beseitigt wird. |
Rz. 365
Ausreichend ist dabei die Mitwirkung an Vertragsverhandlungen, Abs. 2 der Anmerkung zu Nr. 1000 VV RVG.
Rz. 366
Hinweis
Die Abgrenzung Mitwirkung bei der Gestaltung an einem Vertrag (= Geschäftsgebühr) oder reines Beratungsmandat mit Mitwirkung am Zustandekommen einer Einigung dürfte in der Praxis durchaus Probleme bereiten. Die Tatbestandsmerkmale für beide Bereiche (Geschäftsgebühr mit Einigungsgebühr; Beratung mit Einigungsgebühr) sind jedoch klar zu trennen. Der Auftraggeber ist vor Auftragsannahme darauf hinzuweisen, dass Gebühren entstehen können, die sich nach dem Gegenstandswert richten, § 49b Abs. 5 BRAO. Gerade Mandanten, die dabei sind, eine Scheidungsfolgenvereinbarung zu treffen und "nur eine Zweitmeinung" einholen wollen, rechnen möglicherweise nicht damit, dass Gebühren nach einem Gegenstandswert entstehen können und gehen davon aus, dass es bei einer "Erstberatungsgebühr" bleibt. Anwälte sollten daher frühzeitig mit dem Mandanten klären, was genau der erteilte Auftrag sein soll. Sobald mitgewirkt wird an der Gestaltung eines Vertrags, wird die Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 VV RVG ausgelöst. Und zwar auch dann, wenn bereits "ein anderer Anwalt die Gebühren" verdient, § 6 RVG.
Rz. 367
Vorsicht!
Wurde mit dem Mandanten eine Gebührenvereinbarung für die Beratung getroffen, umfasst diese Vereinbarung ggf. auch eine etwaige Einigungsgebühr, wenn dies nicht explizit anders geregelt wird!