Rz. 578
Dies bedeutet, dass außergerichtliche Besprechungen während eines laufenden gerichtlichen Verfahrens und auch solche Besprechungen, die mit dem Gegner oder Gegenanwalt erfolgen, wenn der Rechtsanwalt bereits Verfahrensauftrag hat, ein gerichtliches Verfahren aber noch nicht anhängig ist, mit dem RVG honoriert werden. Interessant ist in diesem Zusammenhang, dass der Rechtsanwalt Anspruch auf die Terminsgebühr hat, wenn sich zum Beispiel sein Verfahrensauftrag aufgrund einer mit dem Gegner erfolgten Besprechung vorzeitig erledigt. Er hat dann die Möglichkeit, die Verfahrensgebühr nach Nr. 3101 VV RVG in Höhe von 0,8 sowie eine Terminsgebühr nach Nr. 3104 VV RVG in Höhe von 1,2 zu verdienen, somit 2,0 Gebühren.
Rz. 579
Praxistipp
Neben einer Geschäftsgebühr alleine kann eine Terminsgebühr nicht entstehen, da sie eben gerade den unbedingten Verfahrensauftrag (vgl. Abs. 1 der Vorbem. 3 zu Teil 3 VV RVG) voraussetzt. Besprechungen mit der Gegenseite im Rahmen eines außergerichtlichen Vertretungsmandats können sich bei Anfall einer Geschäftsgebühr jedoch Gebühren erhöhend auswirken.
Rz. 580
Dass zwischen der Anwendung des Teils 2 VV RVG für außergerichtliche Tätigkeiten und des Teils 3 VV RVG für das gerichtliche Verfahren eine strikte Grenze zu ziehen ist, wurde im Rahmen des 2. KostRMoG durch Änderung des Abs. 1 der Vorbem. 3 zu Teil 3 VV RVG klargestellt. Dieser lautet nunmehr wie folgt:
Zitat
"(1) Gebühren nach diesem Teil erhält der Rechtsanwalt, dem ein unbedingter Auftrag als Prozess- oder Verfahrensbevollmächtigter, als Beistand für einen Zeugen oder Sachverständigen oder für eine sonstige Tätigkeit in einem gerichtlichen Verfahren erteilt worden ist. Der Beistand für einen Zeugen oder Sachverständigen erhält die gleichen Gebühren wie ein Verfahrensbevollmächtigter."
Rz. 581
Zur Begründung führte der Gesetzgeber aus:
Zitat
"Die Grenzziehung zwischen der Anwendung des Teils 2 VV RVG für außergerichtliche Tätigkeiten und des Teils 3 VV RVG für das gerichtliche Verfahren führt in der Praxis immer wieder zu Unsicherheiten. So ist die Entscheidung des BGH vom 1.7.2010 (AGS 2010, 483) bereits in der Anmerkung zu dieser Entscheidung (AGS 2010, 485) kritisiert worden. Mit dem nunmehr vorgeschlagenen neuen Absatz 1 Satz 1 der Vorbemerkung 3 soll für den Übergang von der vorgerichtlichen zur gerichtlichen Tätigkeit klargestellt werden, dass die Anwendung des Teils 3 VV RVG einen unbedingten Auftrag für ein gerichtliches Verfahren voraussetzt. Es bestehen keine Bedenken, wenn dies dazu führt, dass der bereits mit unbedingtem Klageauftrag versehene Verfahrensbevollmächtigte des Klägers für eine Besprechung mit dem Beklagten vor Klageeinreichung eine Terminsgebühr erhält, während der Vertreter der Gegenseite mangels eines unbedingten Prozessauftrags seine Gebühren nach Teil 2 abrechnen muss. Die in Teil 2 VV RVG für die Vertretung vorgesehene Gebührenspanne in Nummer 2300 VV RVG ermöglicht die gleichen Gebühren wie die Regelungen in Teil 3, setzt allerdings eine entsprechend umfangreiche und schwierige Tätigkeit voraus. Der Regelungsgehalt des geltenden Absatzes 1 ist in dem vorgeschlagenen Satz 2 enthalten."
Rz. 582
Es ist daher durchaus möglich, dass der Rechtsanwalt des Anspruchstellers, der bereits einen unbedingten Verfahrensauftrag erteilt erhalten hat, eine 0,8 Verfahrensgebühr nach Nr. 3101 Nr. 1 VV RVG, eine 1,2 Terminsgebühr (Nr. 3104 VV RVG) sowie eine 1,5 Einigungsgebühr (Nr. 1000 Nr. 1 VV RVG) verdienen kann, während der Rechtsanwalt des Anspruchsgegners für eine ähnlich gelagerte Tätigkeit lediglich eine Geschäftsgebühr (Nr. 2300 VV RVG) innerhalb der vorgesehenen Gebührenspanne und eine 1,5 Einigungsgebühr (Nr. 1000 Nr. 1 VV RVG) abrechnen kann.
Rz. 583
Es dürfte in der Praxis äußerst selten der Fall sein, dass der Rechtsanwalt des Anspruchsgegners bereits einen unbedingten Verfahrensauftrag erhalten hat. Dies wäre nur denkbar, wenn der Rechtsanwalt von seinem Mandanten beauftragt worden wäre, einen negativen Feststellungsantrag zu stellen. Ansonsten kann er nur einen "bedingten" Verfahrensauftrag erhalten: "Vertretung für den Fall, dass die Gegenseite den Antrag einreicht."
Rz. 584
Muster 67: Musterrechnung 5.67: Auftrag zur Antragstellung im Zugewinnausgleichsverfahren – Besprechung – Einigung
Musterrechnung 5.67: Auftrag zur Antragstellung im Zugewinnausgleichsverfahren – Besprechung – Einigung
Rechtsanwältin K hat Auftrag, einen Antrag auf Zahlung eines Zugewinnausgleichsanspruchs einzureichen. Unter Hinweis auf ihren Verfahrensauftrag fordert sie die Gegenseite letztmalig zur Zahlung auf. Es meldet sich Rechtsanwalt M für den Zahlungspflichtigen und bespricht die Angelegenheit telefonisch mit Rechtsanwältin K. In der Folge schließen die Beteiligten eine Einigung, wonach der geforderte Betrag von 20.000,00 EUR in drei Raten gezahlt wird.
Verfahrenswert: 20.000,00 EUR, §§ 23 Abs. 1 S. 1 RVG, 35 FamGKG
0,8 Verfahrensgebühr Nr. 3101 Nr. 1 VV RVG |
657,60 EUR |
1,2 Terminsgebühr Nr. 3104 VV RVG |
986,40... |