Rz. 101

Der Verjährungseinwand ist eine Einrede (vgl. auch § 5 Abs. 3 S. 1 Hs. 2 GKG, § 2 Abs. 3 S. 4 JVEG).[62] Die Geltendmachung der Verjährung ist eine geschäftsähnliche Handlung des sachlichen Rechts und setzt die Bekundung des Schuldnerwillens voraus, die Leistung endgültig zu verweigern und dies mit dem Ablauf der Verjährungsfrist zu begründen. Die Einrede steht zur Disposition der Parteien, ohne dass eine Verpflichtung zum unverzüglichen Geltendmachen besteht.[63]

 

Rz. 102

Bevor der Einwand nicht erhoben worden ist, steht dem Verlangen des Gläubigers auf Erbringung der Leistung nichts entgegen.[64]

 

Rz. 103

Die Einrede kann bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung, nur noch ausnahmsweise nach Änderung des § 531 Abs. 2 ZPO auch noch in der Berufungsinstanz[65] – wenn die Erhebung der Verjährungseinrede und die den Verjährungseintritt begründenden tatsächlichen Umstände zwischen den Prozessparteien unstreitig sind[66] – erhoben werden.[67]

 

Rz. 104

Nach § 559 Abs. 1 S. 1 ZPO unterliegt der Beurteilung des Revisionsgerichts nur dasjenige Parteivorbringen, das aus dem Berufungsurteil oder dem Sitzungsprotokoll ersichtlich ist. Daher kann die nach Schluss der letzten mündlichen Verhandlung in der Berufungsinstanz erhobene Verjährungseinrede der Verjährung im Revisionsverfahren regelmäßig nicht berücksichtigt werden.[68]

 

Rz. 105

Es reicht aus, wenn die Verjährungseinrede einmal erhoben ist. Eine ausdrückliche Wiederholung der Einrede in der nächsten Instanz ist nicht erforderlich.[69]

 

Rz. 106

Wurde die Klage wegen Verjährung abgewiesen, reicht für eine ordnungsgemäße Berufungsbegründung die Darlegung, warum die Forderung nicht verjährt sei.[70]

 

Rz. 107

Die Einrede kann von einem Haftpflichtversicherer auch dann noch dem deckungsrechtlich zu beurteilenden Befreiungsanspruch gegenüber eingewandt werden, wenn in einem vorangegangenen Verfahren trotz der Verjährung des Deckungsanspruches (§ 12 VVG a.F.) Schutz für die Verteidigung gegenüber erhobenen Haftpflichtansprüchen gewährt wurde.[71]

 

Rz. 108

Einreden sind in einem Prozess nicht von Amts wegen zu beachten, ein Versäumnisurteil gegen den ausgebliebenen Beklagten ist also möglich (§ 331 Abs. 2 ZPO). Dies gilt selbst dann, wenn die klagende Partei prozessual vorträgt, der Gegner berufe sich bereits vorprozessual auf Verjährung.[72]

 

Rz. 109

Der richterliche Hinweis auf einen bedenkenswerten Verjährungseinwand begründet nicht zugleich zwingend den Vorwurf der Befangenheit.[73] Der Richter überschreitet die Schwelle zur Parteilichkeit allerdings, wenn er einem Prozessbeteiligten den entsprechenden Ratschlag gibt oder ihn sogar bedrängt, sich auf Verjährung zu berufen.[74]

[62] Siehe auch Art. 5 Abs. 9 Regierungsentwurf eines Gesetzes zur Modernisierung des Schuldrechts (BT-Drucks 14/6040, S. 43, 279).
[63] BGH v. 19.10.2005 – IV ZR 89/05 – NJW 2006, 298 = SP 2006, 295 = VersR 2006, 57 = zfs 2006, 153.
[64] BGH v. 2.10.2003 – V ZB 22/03 – BB 2003, 2595 = BGHZ 156, 269 = FamRZ 2004, 176 = JR 2004, 419 = MDR 2004, 167 = NJ 2004, 225 = NJW 2004, 164 = VersR 2004, 803 = WM 2004, 843.
[65] BGH v. 23.6.2008 – GSZ 1/08 – BauR 2008, 2094 = BGHZ 177, 212 = FamRZ 2008, 2194 = MDR 2008, 1414 = NJW 2008, 3434 = VersR 2008, 1708 = WM 2008, 2131 = ZIP 2008, 2190 (Die erstmals im Berufungsrechtszug erhobene Verjährungseinrede ist unabhängig von den Voraussetzungen des § 531 Abs. 2 1 Nr. 1–3 ZPO zuzulassen, wenn die Erhebung der Verjährungseinrede und die den Verjährungseintritt begründenden tatsächlichen Umstände zwischen den Prozessparteien unstreitig sind); BGH v. 19.1.2006 – III ZR 105/05 – BB 2006, 574 = BGHReport 2006, 570 = BGHZ 166, 29 = DB 2006, 499 = JZ 2006, 524 (Anm. Herresthal) = MDR 2006, 822 = NJW-RR 2006, 630 = VersR 2006, 546 = WM 2006, 479 = ZIP 2006, 68 (Die erstmals in der Berufungsinstanz erhobene Verjährungseinrede ist ohne Rücksicht auf die besonderen Voraussetzungen in § 531 Abs. 2 ZPO zuzulassen, wenn sie auf Grundlage unstreitigen Tatsachenvorbringens zu beurteilen ist); OLG Karlsruhe v. 12.9.2007 – 7 U 169/06 – NJW 2008, 925 = NZV 2008, 246 (nur Ls.) (Erstmalige Erhebung der Verjährungseinrede im Berufungsrechtszug ist unabhängig davon, ob die Tatsachen auf die sich die Erhebung der Verjährungsreinrede gründet, unstreitig sind, nicht zuzulassen); OLG Karlsruhe v. 4.11.2004 – 19 U 216/03 – BRAK-Mitt 2005, 112 (Anm. Chab) = MDR 2005, 412 = VersR 2005, 1306 (Die erstmals in der Berufungsinstanz erhobene Verjährungseinrede ist nicht nach § 531 Abs. 2 ZPO ausgeschlossen, wenn der zugrundeliegende Sachverhalt unstreitig ist und bei Zulassung keine Beweisaufnahme erforderlich wird); OLG Koblenz v. 4.3.2021 – 5 U 1731/20, BeckRS 2021, 10297 (Bei der [erneuten] Erhebung der Verjährungseinrede in der Berufungsinstanz handelt es sich um ein "neues" Verteidigungsmittel i.S.d. § 531 ZPO, auch wenn die Einrede in erster Instanz bereits einmal erhoben, dann aber wieder fallen gelassen worden war; die neu erhobene Einrede muss sich deshalb an den Voraussetzungen des § 531 Abs. 2 ZP...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge