Rz. 601

Gerät das Verfahren infolge einer Vereinbarung oder dadurch in Stillstand (Ruhen des Verfahrens), dass es nicht betrieben wird, tritt nach § 204 Abs. 2 S. 2 BGB an die Stelle der Erledigung des Verfahrens die letzte Verfahrenshandlung der Parteien, des Gerichts oder der sonst mit dem Verfahren befassten Stelle. Diese Vorschriften führen § 211 Abs. 2, 212a–215, 220 BGB a.F. fort.

 

Rz. 602

Nach § 204 Abs. 2 S. 2 BGB wird die durch eine Klageerhebung eingetretene Hemmung beendet, wenn im Rechtsstreit von den Parteien keine Anträge gestellt werden oder der Prozess von den Parteien (ohne triftigen Grund)[579] nicht mehr betrieben wird. Die Verantwortung für das Betreiben des Prozesses geht vom Gericht auf die klagende Partei über, wenn das Gericht auf deren Bitte oder mit deren ausdrücklichem Einverständnis von Terminbestimmung auf unabsehbare Zeit absieht; und zwar auch dann, wenn dies geschieht, um den Verfahrensausgang eines Musterprozesses abzuwarten.[580]

 

Rz. 603

Der Bundesrat[581] zeigte die Gefahr auf, dass insbesondere bei Abwarten des Ausganges anderweitiger Verfahren (z.B. Musterprozess bei Produkthaftung) der von der Regierung vorgeschlagene Gesetzestext die Gefahr eines unbeabsichtigten Ablaufens der Verjährungsfrist wegen Verfahrensstillstand in sich birgt. Den Prozessparteien ist daher dringend anzuraten, ausdrücklich eine Vereinbarung über den Verjährungsablauf (§ 202 BGB) zu treffen.

 

Rz. 604

Gerichtliche Maßnahmen wie Aussetzung des Verfahrens (§§ 246 f., 148 ff. ZPO) oder prozessrechtliche Unterbrechungen (§§ 239–245 ZPO) beenden die Hemmung nicht. Wird ein Verfahren nach §§ 148 f. ZPO ausgesetzt, endet die Hemmung der Verjährung durch Klageerhebung mit der Erledigung des anderen Verfahrens,[582] ohne dass es auf Motive oder Gründe ankommt, weshalb das ausgesetzte Verfahren von den Parteien nicht weiter betrieben wird.[583]

 

Rz. 605

§ 204 Abs. 2 S. 2 BGB ist nicht anwendbar, wenn das Gericht den Prozessstillstand selbst herbeigeführt hat.[584] Das gilt auch dann, wenn die Parteien gerichtliche Auflagen nicht befolgen und das Gericht daraufhin pflichtwidrig nichts unternimmt.[585] Die Verantwortung für das Betreiben des Prozesses kann vom Gericht auf den Kläger übergehen, wenn dieser im Hinblick auf einen Vergleichsvorschlag und die Bitte des Gegners, nicht zu terminieren, zwar nicht ausdrücklich dem Absehen von einer Terminbestimmung zustimmt, sich aber aus den gesamten Umständen ergibt, dass eine weitere Förderung des Verfahrens von einer dahingehenden Erklärung des Klägers abhängig sein soll.[586]

 

Rz. 606

Die Anordnung des Ruhens des Verfahrens beseitigt die Hemmungswirkung, da es sich um einen den Parteien zuzurechnenden Verfahrensstillstand handelt.[587]

 

Rz. 607

Da die letzte Verfahrenshandlung an die Stelle der Erledigung des Verfahrens tritt, endet auch in diesem Fall die Hemmung erst 6 Monate später.[588]

 

Rz. 608

Es läuft nach Beendigung der Hemmung die Verjährungsfrist weiter, sie beginnt also nicht – wie früher bei der Unterbrechung – erneut vollständig zu laufen. U.U. kann allerdings die nach Fristablauf erhobene Verjährungseinrede rechtsmissbräuchlich sein.[589] Wird der Rechtsstreit durch eine der Parteien weiter betrieben, wird die weitergelaufene Verjährung erneut wie durch Klageerhebung gehemmt.[590]

 

Rz. 609

Die Hemmung beginnt erneut, wenn eine der Parteien das Verfahren weiter betreibt (§ 204 Abs. 2 S. 3 BGB).

[579] BGH v. 18.10.2000 – XII ZR 85/98 – VersR 2001, 1165; BGH v. 12.10.1999 – VI ZR 19/99 – BB 2000, 120 = DAR 2000, 116 (nur Ls.) (Ein triftiger Grund ist nicht nur ein rechtlich zwingender Grund, sondern kann auch dann anzunehmen sein, wenn eine Verzögerung in der Erledigung des Rechtstreites Prozessökonomisch vernünftig erscheint); BGH v. 28.9.1999 – VI ZR 195/98 – DAR 2000, 31 = MDR 1999, 1439 = NJW 1999, 3774 = NZV 2000, 40 = r+s 2000, 42 = VersR 1999, 1555 = VRS 98, 81; BGH v. 1.7.1986 – VI ZR 120/85 – NJW 1987, 371; BGH v. 7.12.1978 – VII ZR 278/77 – NJW 1979, 810; OLG Düsseldorf v. 14.6.1984 – 8 U 155/81 – VersR 1986, 893 (nur Ls.); OLG Köln v. 11.1.2001 – 7 U 61/00 – VersR 2002, 68 (Entscheidend ist auf die nach außen erkennbaren Umstände des Prozessstillstandes abzustellen. Praktisch kommt es damit im Fall der Aussetzung allein auf den objektiv eintretenden Stillstand an).
[580] BGH v. 23.4.1998 – III ZR 7/97 – MDR 1998, 856 = NJW 1998, 2274 = VersR 1998,1291 = WM 1998, 1493; BGH v. 21.2.1983 – VIII ZR 4/82 – NJW 1983, 2496; OLG Düsseldorf v. 14.6.1984 – 8 U 155/81 – VersR 1986, 893 (nur Ls.).
[581] BR-Drucks 338/01, Nr. 12 (S. 8).
[582] BGH v. 24.1.1989 – XI ZR 75/88 – BGHZ 106, 295 = VersR 1989, 600. Siehe ergänzend auch Zöller-Greger, 32. Aufl. 2018, § 249 ZPO Rn 2.
[583] OLG Köln v. 11.1.2001 – 7 U 61/00 – VersR 2002, 68.
[584] BGH v. 27.1.2005 – VII ZR 238/03 – BauR 2005, 868 = BB 2005, 800 (nur Ls.) = BGHReport 2005, 733 = DB 2005, 1622 = MDR 2005, 766 = NJW-RR 2005, 606 = NJW-Spezial 2005, 264 = WM 2005, 1277. Siehe auch OLG Koblenz v. 28.11.2002 – 5 U 1327/01 – ...

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