Rz. 695
§ 204 BGB – Hemmung der Verjährung durch Rechtsverfolgung
(1) |
Die Verjährung wird gehemmt durch
1. |
die Erhebung der Klage auf Leistung oder auf Feststellung des Anspruchs, auf Erteilung der Vollstreckungsklausel oder auf Erlass des Vollstreckungsurteils, |
|
aa) Hemmung statt Unterbrechung
Rz. 696
Die Klageerhebung ist seit 1.1.2002 als Hemmungsgrund ausgestaltet, während § 209 Abs. 1 BGB a.F. eine Unterbrechung vorsah. Die Begründung hebt hervor, dass schon das frühere Recht der Sache nach bereits einer Hemmung sehr nahe kam (vgl. § 211 Abs. 1, § 212a S. 1, § 213 S. 1, § 214 Abs. 1, § 215 Abs. 1 BGB a.F.). Abgesehen von der Zuweisung zur Hemmung entspricht § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB vollinhaltlich § 209 Abs. 1 BGB a.F.
Rz. 697
Die Verjährung wird gehemmt durch die Erhebung einer Leistungs- oder Feststellungsklage (§ 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB). Gleiches gilt, wenn auf Erteilung der Vollstreckungsklausel oder auf Erlass eines Vollstreckungsurteils geklagt wird. Der Lauf der Hemmung unterliegt zudem der Ausgestaltung des § 204 Abs. 2 BGB, insbesondere endet die Hemmung erst sechs Monate nach der rechtskräftigen Entscheidung oder anderweitigen Erledigung des eingeleiteten Verfahrens (§ 204 Abs. 2 S. 1 BGB).
Rz. 698
Führt das eingeleitete Verfahren zur Befriedigung des Berechtigten (z.B. durchgreifende Aufrechnung in dem Prozess, § 322 Abs. 2 ZPO) oder zur rechtskräftigen Feststellung des Anspruchs, gilt die 30-jährige Verjährung nach § 197 Abs. 1 Nr. 3 BGB. Soweit dies nicht geschieht, reicht es nach Auffassung des Gesetzgebers aus, dass dem Gläubiger der Rest einer gehemmten Verjährungsfrist zur Verfügung steht, ergänzt um die sechsmonatige Nachfrist des § 204 Abs. 2 BGB.
Rz. 699
Hat eine Gerichtsstandsbestimmung durch ein höheres Gericht zu erfolgen, findet § 210 S. 1 Alt. 2 BGB a.F. – abgesehen von der Ausgestaltung als Hemmungstatbestand und der allgemeinen Erstreckung auf Anträge, für die die Gerichtsstandsbestimmung zu erfolgen hat – seine ansonsten inhaltlich unveränderte Fortführung in § 204 Abs. 1 Nr. 13 BGB.
bb) Anforderungen
Rz. 700
Rz. 701
Die Klage muss rechtzeitig und wirksam erhoben sein.
Rz. 702
Eine unwirksame Klage kann (im Gegensatz zur unzulässigen, aber hemmenden Klage) nicht als Klage i.S.v. § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB angesehen werden.
Rz. 703
Die Hemmung der Verjährung kann trotz unwirksamer öffentlicher Zustellung der Klageschrift in Betracht kommen, wenn die Bewirkung der öffentlichen Zustellung aufgrund entsprechender Äußerungen des zuständigen Richters für den Gläubiger unabwendbar war.
Rz. 704
Zur Klage eines Nicht-Berechtigten und zum falschen Anspruchsgegner/Beklagten und Zustellungsbevollmächtigten Rdn 836 ff.
Rz. 705
Die verjährungshemmende Wirkung einer Klageerhebung gemäß § 204 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 BGB setzt voraus, dass die Klageschrift den wesentlichen Erfordernissen des § 253 ZPO entspricht. Danach muss der Tatsachenvortrag jedenfalls so viel enthalten, wie zur Identifizierung i.S.e. Abgrenzung des Prozessgegenstandes vom Gegenstand eines anderen Prozesses erforderlich ist, wobei auch auf den Empfängerhorizont des konkreten Beklagten abzustellen ist.
Rz. 706
Die Klageerhebung erfolgt nach §§ 253, 496, 498 ZPO durch Zustellung der Klageschrift. Die Zustellung wirkt dann auf den Zeitpunkt der Klageeinreichung zurück, wenn sie "demnächst" erfolgt (§§ 270 Abs. 3, 207 ZPO). Dabei darf nicht auf eine rein zeitliche Betrachtungsweise abgestellt werden. Vielmehr sollen die Parteien vor Nachteilen durch Verzögerung der Zustellung von Amts wegen bewahrt werden, die innerhalb des gerichtlichen Geschäftsbetriebs liegen und von den Parteien nicht beeinflusst werden können. Eine Obergrenze für den Zeitraum zwischen Einreichung und Zustellung der Klage anerkennt die Rechtsprechung nicht (Verzögerung unterhalb eines Monates ist aber wohl unbeachtlich); entscheidend ist allein, ob der Kläger oder sein Rechtsvertreter durch eigene Nachlässigkeit zu einer nicht nur ganz geringfügigen Verzögerung der Zustellung beigetragen hat. Vom Antragsteller/Kläger ist zu erwarten, bei Gericht nach – sich aus den jeweiligen Umständen ergebender – angemessener Frist nachzufragen, aus welchem Grunde bislang eine Zustellung nicht erfolgt sei.
Rz. 707
Der Kläger darf die Verjährungsfrist vollständig nutzen. Auch die Klageeinreichung am letzten Tag der Frist ist unschädlich.
Rz. 708
Wird ein Anspruch (erstmals) klageerweiternd im Wege der Anschlussberufung geltend gemacht, führt dies zur Verjährungshemmung nach § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB.
Rz. 709
Renten und Kapitalabfindung sind zwei verschiedene Arten der Befriedigung desselben ...