Rz. 149

 

§ 194 BGB – Gegenstand der Verjährung

(1) Das Recht, von einem anderen ein Tun oder Unterlassen zu verlangen (Anspruch), unterliegt der Verjährung.
(2)

Der Verjährung unterliegen nicht

1. Ansprüche, die aus einem nicht verjährbaren Verbrechen erwachsen sind,
2. Ansprüche aus einem familienrechtlichen Verhältnis, soweit sie auf die Herstellung des dem Verhältnis entsprechenden Zustands für die Zukunft oder auf die Einwilligung in die genetische Untersuchung zur Klärung der leiblichen Abstammung gerichtet sind.
 

Rz. 150

Nach § 194 Abs. 2 Nr. 1 BGB[113] unterliegen Ansprüche, die aus einem nicht-verjährbaren Verbrechen erwachsen sind, keiner Verjährung. Zuvor galt für solche zivilrechtlichen Ansprüche nach § 197 Abs. 1 Nr. 1 BGB eine 30-jährige Verjährungsfrist. § 194 Abs. 2 Nr. 1 BGB folgt dem Strafrecht (§ 362 Nr. 5 StPO[114]). Es werden mit der Rechtsänderung letztlich auch Konsequenzen aus der Entscheidung des OLG Celle[115] zu einem spät aufgeklärten Mord gezogen.

 

Rz. 151

Nach Art. 229 § 63 EGBGB ist § 194 BGB in der ab dem 30.12.2021 geltenden Fassung auf die an diesem Tag bestehenden noch nicht verjährten Ansprüche anzuwenden.

 

Rz. 152

Ausgeschlossen von der Verjährung sind besonders schwerwiegende Straftaten wie Mord (§§ 78 Abs. 2, 211 BGB),[116] Völkermord (§§ 5, 6 Völkerstrafgesetzbuch), Verbrechen gegen die Menschlichkeit (§§ 5, 7 Völkerstrafgesetzbuch), Kriegsverbrechen (§§ 5, 8 ff. Völkerstrafgesetzbuch) sowie Verbrechen der Aggression (§§ 5, 13 Völkerstrafgesetzbuch).

 

Rz. 153

Wird bei einem Mordversuch keines der in § 197 Abs. 1 Nr. 1 BGB genannten Rechtsgüter vorsätzlich beeinträchtigt, fehlt es regelmäßig an einem Schadensersatzanspruch, auf den § 194 Abs. 2 Nr. 1 BGB anwendbar ist.[117]

[113] Eingefügt durch Art. 2 Gesetz zur Änderung der Strafprozessordnung – Erweiterung der Wiederaufnahmemöglichkeiten zuungunsten des Verurteilten gemäß § 362 StPO und zur Änderung der zivilrechtlichen Verjährung (Gesetz zur Herstellung materieller Gerechtigkeit) v. 21.12.2021 m.W.v. 30.12.2021. Zur Gesetzesbegründung BT-Drucks 19/30940 v. 22.6.2021.
[114] BVerfG v. 31.10.2023 – 2 BvR 900/22 – BeckRS 2023, 29790 hat festgestellt, dass § 362 Nr. 5 StPO mit dem Mehrfachverfolgungsverbot des Art. 103 Abs. 3 GG (ne bis in idem) und dem Rückwirkungsverbot (Art. 103 Abs. 3 i.V.m. Art. 20 Abs. 3 GG) unvereinbar und damit nichtig ist. Der Grundrechtsverstoß betrifft nur den strafprozessualen Bereich. Die zivilrechtliche Wirksamkeit der Unverjährbarkeit ist dadurch nicht betroffen.
[115] OLG Celle v. 14.4.2016 – 5 U 121/15 – BeckRS 2016, 105651 = VersR 2016, 1265. Zur in diesem Zusammenhang erörterten Schockschädigung BGH v. 6.12.2022 – VI ZR 168/21 – BeckRS 2022, 38714 = FamRZ 2023, 323 = JA 2023, 424 (Anm. Hager) = JR 2023, 499 = JuS 2023, 1070 (Anm. Mäsch) = MDR 2023, 362 = MedR 2023, 554 (Anm. Vogeler) = NJW 2023, 983 (Anm. Thora) = r+s 2023, 130 (Anm. Slizyk) = VersR 2023, 392 = zfs 2023, 136 (Anm. Scholten).
[116] Zur Historie https://www.bpb.de/kurz-knapp/hintergrund-aktuell/293285/das-ende-der-verjaehrungsdebatte-warum-mord-nicht-verjaehrt/ sowie https://www.bpb.de/kurz-knapp/hintergrund-aktuell/541083/amnestie-von-ns-taetern-das-dreher-gesetz-von-1968/.
[117] BeckOGK-Piekenbrock, Stand 1.11.2023, § 194 BGB Rn 72.

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