Rz. 692

 

§ 204 BGB – Hemmung der Verjährung durch Rechtsverfolgung

(1) Die Verjährung wird gehemmt durch

14. die Veranlassung der Bekanntgabe des erstmaligen Antrags auf Gewährung von Prozesskostenhilfe oder Verfahrenskostenhilfe; wird die Bekanntgabe demnächst nach der Einreichung des Antrags veranlasst, so tritt die Hemmung der Verjährung bereits mit der Einreichung ein.
 

Rz. 693

Gemäß § 204 Abs. 1 Nr. 14 BGB hemmt seit dem 1.1.2002 die Bekanntgabe des erstmaligen Antrags auf Gewährung von Prozesskostenhilfe die Verjährung. Erfolgt die Bekanntgabe demnächst nach der Einreichung des Antrags, tritt die Hemmung der Verjährung bereits mit der Einreichung ein.

 

Rz. 694

Die Novellierung wollte sicherstellen, dass eine bedürftige Partei zur Rechtsverfolgung ebenso viel Zeit hat wie diejenige, die das Verfahren selbst finanzieren muss, und erweitert die Hemmung auf den Prozesskostenhilfeantrag, ohne die weiteren von der Rechtsprechung zum bisherigen § 203 Abs. 2 BGB a.F. geforderten Voraussetzungen in § 204 Abs. 1 Nr. 14 BGB aufrecht zu erhalten. Die Rechtsprechung zu § 203 Abs. 2 BGB a.F. ist damit weitgehend überholt.

 

Rz. 695

Es gelten dieselben formalen Anforderungen wie bei der Klage (siehe Rdn 617), insbesondere ist der Antrag vom Berechtigten zu stellen. Zu fordern ist weiterhin, dass die erforderlichen Belege beigefügt sind;[671] die Partei muss zumindest subjektiv der Ansicht sein, sie sei bedürftig.[672]

 

Rz. 696

Die Veranlassung der Bekanntgabe des erstmaligen Antrags auf Prozesskostenhilfe hemmt nur dann die Verjährung, wenn der Gläubiger die richtige Anschrift des Schuldners mitgeteilt hat.[673]

 

Rz. 697

Die Hemmung beginnt grundsätzlich mit der Bekanntgabe des Antrags, damit der Schuldner Kenntnis von der Hemmung erlangt. Anträge, die vom Gericht dem Schuldner (vor allem bei offensichtlicher Aussichtslosigkeit) nicht bekanntgegeben werden, bewirken keine Hemmung.[674]

 

Rz. 698

Da die Zustellung zivilprozessual nicht vorgeschrieben ist, wird entsprechend § 270 Abs. 3 ZPO bestimmt, dass die Hemmungswirkung auf die Einreichung des Prozesskostenhilfeantrags zurückwirkt, wenn die Bekanntgabe demnächst nach der Einreichung erfolgt. Die zur demnächstigen Zustellung von Klagen und Mahnbescheiden aufgestellten Grundsätze (siehe Rdn 622) gelten auch im Prozesskostenhilfeverfahren.[675]

 

Rz. 699

Bei gleichzeitiger Einreichung von Prozesskostenhilfeantrag und Klage hat der Antragsteller deutlich zu machen, ob er die Klage unbedingt oder nur für den Fall der Bewilligung von Prozesskostenhilfe einreichen will.[676]

 

Rz. 700

Nur der erstmalige Antrag bewirkt eine Hemmung. Ein Gläubiger kann sich also nicht durch gestaffelte Prozesskostenhilfeanträge eine mehrfache Verjährungshemmung verschaffen. Damit wird einer Missbrauchsgefahr, die vor allem aus der Kostenfreiheit des Prozesskostenhilfeverfahrens resultiert, begegnet.

 

Rz. 701

Nach § 204 Abs. 2 S. 1 BGB endet die Hemmung erst 6 Monate nach Erledigung (Bewilligung oder Ablehnung – nach Ablauf der Beschwerdefrist [§ 567 ZPO] – der Prozesskostenhilfe, Rücknahme des Antrages) des eingeleiteten Verfahrens.

 

Rz. 702

Die verjährungshemmende Wirkung eines Prozesskostenhilfegesuches endet nach § 204 Abs. 2 S. 2 BGB (wie nach dem bis zum 31.12.2001 geltenden Recht), wenn die Partei gegen den ablehnenden Beschluss zwar Beschwerde einlegt, das Rechtsmittel aber nicht weiter betreibt[677] oder aber nicht unverzüglich den Rechtsstreit auf eigene Kosten führt.[678]

[671] BGH v. 30.11.2006 – III ZB 23/06 – BGHReport 2007, 222 = MDR 2007, 461 = NJW 2007, 441 = VersR 2007, 711; BGH v. 8.3.1989 – IVa ZR 221/87 – NJW 1989, 3149 = VersR 1989, 642.
[672] BGH v. 16.9.1981 – IVb ZB 832/81 – VersR 1982, 41.
[673] BGH v. 10.9.2015 – IX ZR 255/14 – AnwBl 2015, 980 = MDR 2015, 1284 = NJW 2016, 151 = WM 2015, 2104 (Zu den Voraussetzungen, unter denen die Bekanntgabe des Antrags demnächst nach dessen Einreichung veranlasst wird).
[674] BGH v. 24.1.2008 – IX ZR 195/06 – AnwBl 2008, 382 = BB 2008, 677 = FamRZ 2008, 980 = MDR 2008, 643 = NJW 2008, 1939 = VersR 2008, 1119 = WM 2008, 806 = ZIP 2008, 698 (Die Einreichung eines PKH-Antrages bewirkt keine Verjährungshemmung, wenn das Gericht die Bekanntgabe an den Gegner nicht veranlasst).
[675] BGH v. 30.11.2006 – III ZB 22/06 – BGHReport 2007, 220 = BGHZ 170, 108 = MDR 2007, 462 (nur Ls.) = NJW 2007, 439 = VersR 2007, 710.
[676] OLG Köln v. 18.2.1994 – 19 U 205/93 – VersR 1995, 60.
[677] BGH v. 9.1.1991 – XII ZR 85/90 – MDR 1991, 1000 = VersR 1991, 1262.
[678] OLG Hamm v. 7.9.1998 – 6 W 5/98 – r+s 1999, 309 (nur Ls.) = r+s 1999, 264 (Kläger darf mit Prozesskostenvorschuss nicht die Aufforderung des Gerichtes abwarten. Beschwerdeeinlegung 2 Monate nach Prozesskostenhilfeverweigerung ist zu spät.).

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?