Rz. 885
Wurde ein gerichtlicher Teilvergleich zwischen Schädiger und Geschädigtem geschlossen, in dem eine Haftung anerkannt und eine Haftungsquote vereinbart wurde, kann ein Streit über die mögliche Verjährung der Ansprüche mangels Feststellungsinteresse nicht im Wege der Feststellungsklage ausgetragen werden. Es gehört auch derjenige Teil zum Titel, der eine nicht bezifferte Haftung für Zukunftsschäden regelt, so dass auch für diese Vereinbarung eine 30-jährige Verjährung gilt (vgl. §§ 197 Abs. 1 Nr. 3, 4 BGB, § 794 ZPO).
Rz. 886
Es ist zivilprozessual nicht geboten, einen inhaltlich gegenstandslosen neuen Feststellungsausspruch zu treffen, nur weil die Beklagte ihre in dem gerichtlichen Vergleich geregelte Verpflichtung mit einer fernliegenden Rechtsauffassung zur Verjährung von titulierten Ansprüchen in Abrede stellt.
Rz. 887
Deutliche Worte findet das LG Neuruppin:
Zitat
Nach Maßgabe der anerkannten Grundsätze ist das Feststellungsinteresse für den Kläger zu verneinen, weil seinem rechtlichen Interesse an der Klarstellung der unverjährten Haftung der Beklagten für künftige unfallbedingte Schäden materieller oder immaterieller Art bereits ausreichend durch den vor dem LG Neuruppin in dem Verfahren zu 2 O 447/05 geschlossenen Vergleich genüge getan worden ist. Es ist zivilprozessual nicht geboten, einen inhaltlich gegenstandslosen neuen Feststellungsausspruch zu treffen, nur weil die Beklagte ihre in dem gerichtlichen Vergleich geregelte Verpflichtung mit einer fernliegenden Rechtsauffassung zur Verjährung von titulierten Ansprüchen in Abrede stellt. Andernfalls ließe sich mit gleicher Begründung vertreten, dass ein Gericht, das einen nicht vollstreckbaren Feststellungstenor ausgeurteilt hat, gehalten wäre, bei einem Bestreiten der Geltung der 30-jährigen Verjährungsfrist für die tenorierte Verpflichtung (§ 197 Abs. 1 Nr. 3 BGB), nochmals ein Urteil zu erlassen, in dem festgestellt wird, dass durch das frühere Feststellungsurteil der Anspruch bereits rechtskräftig festgestellt wurde. Das ist ersichtlich verfehlt. Es kann deshalb durch das Vertreten einer fernliegenden Rechtsauffassung gleichermaßen keine objektiv anzuerkennende Unsicherheit des Klägers in Bezug auf seinen in dem streitbefangenen Vergleich geklärten Schadensersatzanspruch entstehen, wenn dessen wirksame Begründung außer Streit steht.
Dies wäre allenfalls dann anders zu beurteilen, wenn die Beklagte jedenfalls eine Entscheidung eines Gerichts oder eine Literaturmeinung beigebracht hätte, aus der sich eine Bestätigung ihrer fernliegenden Rechtsauffassung ergäbe. Letzteres würde zwar nach zutreffender Beurteilung nichts an der Fehlerhaftigkeit dieser Rechtsauffassung ändern, könnte aber für den Kläger ein Feststellungsinteresse wegen der damit verbundenen Unsicherheit wohl ausnahmsweise begründen. Eine solche Entscheidung oder Literaturmeinung findet sich allerdings nicht. Wie bereits in der mündlichen Verhandlung ausführlich erörtert, lagen den Entscheidungen, welche die Beklagte für ihre Rechtsauffassung angeführt hat, stets Sachverhalte zugrunde, in denen die betreffenden Parteien außergerichtliche Abfindungsvereinbarungen getroffen haben. Auch die von den Beklagten zitierte Entscheidung (LG Wiesbaden Urt. v. 24.7.2014 – 9 O 48/14 – BeckRS 2015, 5187) fällt in diese Kategorie. Es ist unverständlich, weshalb die Beklagte erneut eine Entscheidung mit einem Sachverhalt einführt, dem ein privatschriftlicher Abfindungsvertrag zugrunde lag. Die Beklagte muss zur Kenntnis nehmen, dass in dem dort entschiedenen Fall eine außergerichtliche Vereinbarung inmitten steht, d.h. aber gerade kein vor einem Gericht geschlossener oder gemäß § 796a ZPO für vollstreckbar erklärter Vergleich. Dieser Unterschied ist ebenso bedeutsam wie ausschlaggebend. Es liegt schon begriffslogisch auf der Hand, dass nur für die gegebenenfalls titelersetzende Wirkung einer privatschriftlichen Vereinbarung diejenigen Rechtswirkungen, die einem Vollstreckungstitel durch das Recht selbst (ipso iure) zukommen, besondere Formulierungen erforderlich sind (BGH Urt. v. 29.1.2002 – VI ZR 230/01, juris Rn 8). Der Einwand der Beklagten, es sei mit dem streitbefangenen Vergleich kein titelersetzendes Anerkenntnis vereinbart worden, ergibt deshalb keinen Sinn. Der Vergleich ist selbst der Titel und die Aufnahme eines titelersetzenden Anerkenntnisses in diesem Titel denkgesetzlich ausgeschlossen. Es bedarf eben deshalb keiner besonderen Formulierungen zum Ausschluss der kurzen 3-jährigen Regelverjährung (§ 195 BGB) durch die ausdrückliche Aufnahme eines Zusatzes, wonach die Anspruchsanerkennung "mit der Wirkung eines Feststellungsurteils" erfolge, oder gar durch die Abgabe einer Verjährungsverzichtserklärung. Die Beklagte mag sich vor Augen führen, dass auch ein nicht vollstreckungsfähiger Feststellungstenor keine selbstreferentiellen oder selbstvergewissernden Formulierungen zu seiner Titelqualität aufweist.“