Ansgar Beckervordersandfort
Rz. 38
Gerade bei der lebzeitigen unentgeltlichen Übertragung von Gesellschaftsbeteiligungen behält sich der Übergeber häufig Nießbrauch-, Gewinnbezugs- oder Mehrfachstimmrechte vor. Oft werden auch Rückforderungsrechte vereinbart. Teilweise wird die Übergabe auch gegen Versorgungsleistungen oder dauernde Lasten vorgenommen. Es stellt sich dann auch hier immer die Frage, ob die Frist des § 2325 Abs. 3 BGB zu laufen beginnt.
a) Vorbehalt von Nießbrauch an Gesellschaftsbeteiligung oder Gewinnbezugsrecht
Rz. 39
Behält sich der Übergeber den Nießbrauch an der übertragenen Gesellschaftsbeteiligung vor, so fängt die Frist des § 2325 Abs. 3 BGB nach der Rechtsprechung des BGH nicht an zu laufen. Eine Reduzierung von Pflichtteilsansprüchen ist dadurch also nicht möglich.
Rz. 40
Nicht eindeutig geklärt ist die Rechtslage beim Bruchteils- und Quotennießbrauch. Klare Abgrenzungskriterien fehlen bisher. Verbleiben dem Übergeber mehr als 50 % der Nutzungen, so soll kein Fristbeginn eintreten. Bei Ein- und Mehrfamilienhäusern und kleineren Mietobjekten wird teilweise ein Nutzungsvorbehalt unter 20 % oder 15 % für unschädlich gehalten. Im Einzelfall soll sogar eine zurückbehaltene Nutzungsquote von 10 % oder 20 % schaden. Auch bei einer nur geringen Nutzungsquote ist immer noch zu prüfen, ob angesichts der dem Übergeber insgesamt zustehenden Einkünfte nicht doch noch eine für ihn wesentliche Nutzung verbleibt, was abhängig von den Einkommensverhältnissen sehr unterschiedlich sein kann, denn nach der Rechtsprechung des BGH ist es eben nur dann gerechtfertigt, den Fristbeginn anzunehmen, wenn die Vermögensweggabe für den Schenker einen so starken Einschnitt bedeutet, dass er sich von "böslichen Schenkungen" allein zur Pflichtteilsreduzierung abhalten lässt.
Rz. 41
Die Fälle, in denen der Übergeber Gesellschafter bleibt und seine zurückbehaltenen Gesellschaftsbeteiligungen mit einem stark disquotal ausgestalteten Gewinnbezugsrecht versieht, dürften genauso zu behandeln sein wie die Fälle des Nießbrauchvorbehaltes.
b) Vorbehalt von Stimmrechtsvollmacht/Mehrfachstimmrecht
Rz. 42
Ob eine wirtschaftliche Ausgliederung eines Gesellschaftsanteils im Sinne der Rechtsprechung des BGH vorliegt, wenn der Schenker sich durch Vollmacht die Stimmrechte an der übertragenen Gesellschaftsbeteiligung "vorbehält", wird in der Literatur bzw. der Rechtsprechung bislang nicht erörtert. Möglicherweise lassen sich aber die Gedanken der Rechtsprechung zum Vorbehalt des Wohnungsrechts heranziehen. Dort besteht im Grundsatz Übereinstimmung, dass, wenn das Wohnungsrecht lediglich einen Teil des übertragenen Grundstücks betrifft und der Übergeber die dem Wohnungsrecht unterfallenden Räume zudem nur persönlich nutzen kann, der Nutzungswert des Zuwendungsgegenstandes für den Übergeber so erheblich gemindert ist, dass von einer wirtschaftlichen Ausgliederung des Vermögensgegenstandes i.S.d. BGH-Rechtsprechung gesprochen werden kann.
Rz. 43
Die Übertragung der Rechtsprechungsgrundsätze zum Fristanlauf bei Immobilien müsste dazu führen, dass in Fällen, in denen lediglich dem Übergeber die Ausübung des Stimmrechts aus dem übertragenen Gesellschaftsanteil im Wege einer Stimmrechtsvollmacht gestattet wird und im Übrigen (Gewinnbezugsrecht, Anteil am Liquidationserlös etc.) eine vollständige Übertragung der Rechte auf den Beschenkten erfolgt, im Ergebnis der Nutzungswert des Zuwendungsgegenstandes für den Übergeber so erheblich gemindert ist, dass von einer wirtschaftlichen Ausgliederung auszugehen ist, zumal es dem Erwerber unbenommen ist, das Stimmrecht trotz erteilter Vollmacht selbst auszuüben. Behält sich der Übergeber allerdings ein stark ausgeprägtes Mehrfachstimmrecht für seine noch nicht übertragene Gesellschaftsbeteiligung vor, so dürfte in Kombination mit einem disquotal ausgestalteten Gewinnbezugsrecht und evtl. Rückforderungsrechten aber eher nicht von einer wirtschaftlichen Ausgliederung auszugehen sein.
c) Rückforderungsrechte
Rz. 44
In der Praxis behält sich der Übergeber häufig neben einem (teilweisen) Nutzungsrecht ein Rückforderungsrecht vor. Insoweit besteht in Rechtsprechung und Literatur weitgehend Einvernehmen, dass im Wege einer Gesamtschau der vorbehaltenen Rechte darüber zu entscheiden ist, ob ein spürbares Vermögensopfer seitens des Übergebers und damit eine wirtschaftliche Ausgliederung i.S.v. § 2325 Abs. 3 S. 2 BGB zu bejahen ist. Zur Rechtslage bei Vereinbarung eines "isolierten" Rückforderungsrechts (ohne Vorbehalt eines Nutzungsrechts) fehlt aber nach wie vor höchstrichterliche Rechtsprechung.
Rz. 45
Eine Ansicht in der Literatur vertritt, dass Rückforderungsrechte – unabhängig von ihrer Ausgestaltung im Einzelnen – generell nicht dem Fristlauf entgegenstünden, denn mache der Schenker von seinem Rückforderungsrecht Gebrauch und würde der Gegenstand an den späteren Erblasser zurückübertragen, bestünde ...