aa) Verpflichtungen sind nicht erfasst
Rz. 20
Da sich die Beschränkungen aus §§ 2113 bis 2115 BGB lediglich auf Verfügungen beziehen, können sich Vorerben schuldrechtlich unbeschränkt verpflichten. Verpflichtungen, die ein Vorerbe eingeht, treffen ihn persönlich. Wurden sie im Rahmen ordnungsgemäßer Verwaltung vorgenommen, handelt es sich zugleich um Nachlassverbindlichkeiten, unabhängig davon, ob ein Handeln für den Nachlass nach außen erkennbar ist. Ob mit Eintritt des Nacherbfalls auch ein Haftungswechsel eintritt, richtet sich nach §§ 2144, 2145 BGB.
Rz. 21
Mehrere Vorerben haften bis zum Eintritt des Nacherbfalls für Nachlassverbindlichkeiten als Gesamtschuldner, § 2058 BGB.
bb) Verfügungen der Mitvorerbengemeinschaft
Rz. 22
Als Inhaber aller zum Nachlass gehörenden Rechte können die Vorerben über die Nachlassgegenstände frei verfügen (§ 2112 BGB). Der Begriff der Verfügung ist im rechtstechnischen Sinne zu verstehen. Vorerben können daher Nachlassgegenstände dinglich übertragen, belasten, in ihrem Inhalt ändern oder aufgeben.
Rz. 23
Mehrere Vorerben können gegenüber Dritten über einen Nachlassgegenstand nur gemeinschaftlich verfügen, § 2040 Abs. 1 BGB. Allein verfügen kann ein Mitvorerbe nach § 2033 BGB nur über seinen Anteil am Nachlass. Die Rechte des Nacherben werden durch eine vom Vorerben über seine Vorerbenstellung getroffene Verfügung nicht beeinträchtigt.
Rz. 24
Beschränkt wird die Verfügungsbefugnis durch die §§ 2113 bis 2215 BGB. Nicht verfügen können Mitvorerben daher grundsätzlich über Grundstücke (§ 2113 Abs. 1 BGB) und unentgeltlich (§ 2313 Abs. 2 BGB). Eigengläubiger des Vorerben dürfen nicht in Erbschaftsgegenstände vollstrecken (§ 2115 BGB). Nehmen Mitvorerben Verfügungen entgegen der gesetzlichen Beschränkungen vor, sind diese zunächst wirksam. Im Zeitpunkt des Nacherbfalls werden sie absolut unwirksam, soweit sie die Rechtsstellung des Nacherben verschlechtern.
Rz. 25
Wirken Vor- und Nacherben bei einer Verfügung nach den §§ 2113 bis 2115 BGB einvernehmlich zusammen, entfällt die Schutzbedürftigkeit der Nacherben und damit der Schutzzweck der Verfügungsbeschränkungen. Nach Zustimmung der Nacherben bleibt die Verfügung dauerhaft wirksam.
Rz. 26
Ist eine Verfügung für eine ordnungsgemäße Verwaltung des Nachlasses notwendig, ist jeder Nacherbe sogar zur Zustimmung verpflichtet (§ 2120 BGB). Die Zustimmungspflicht der Nacherben schließt auch Verfügungen über hinterlegte Wertpapiere (§ 2116 BGB) und Verfügungen im Rahmen einer Auseinandersetzung zwischen Mitvorerben gem. § 2042 BGB ein.
Rz. 27
Wie weit die Verfügungsbeschränkungen reichen bestimmt der Erblasser. Dieser kann die Vorerben von den Beschränkungen weit reichend befreien (§ 2136 BGB). Von dem Verbot zur Vornahme unentgeltlicher Verfügungen (§ 2113 Abs. 2 BGB) und dem Gebot der Unwirksamkeit von Zwangsverfügungen gegen den Vorerben (§ 2115 BGB) kann der Erblasser den Vorerben jedoch nicht befreien. Diese Verfügungsbeschränkungen sind zwingend. Über sie hilft nur das Zusammenwirken von Vor- und Nacherben hinweg.
Rz. 28
Da sich die Befreiung auf bestimmte Personen bezieht und nicht auf den Nachlass, kann der Erblasser alle oder auch einzelne Vorerben befreien. Die Mitvorerbengemeinschaft kann daher aus befreiten und nichtbefreiten Vorerben bestehen. Zum Schutz der Nacherben der nichtbefreiten Vorerben muss – bis die Auseinandersetzung der Mitvorerbengemeinschaft vollzogen ist – der Nachlass insgesamt den Beschränkungen der nichtbefreiten Vorerben unterworfen werden. Dies folgt aus der Rechtsnatur der Erbengemeinschaft als Gesamthandsgemeinschaft, deren Vermögen als Ganzes der gesamthänderischen Verbundenheit der Erben unterliegt. Die an dem Nachlass nur teilweise bestehenden Verfügungsbeschränkungen vor der Auseinandersetzung sind ideeller Natur. Sie sind noch nicht auf bestimmte Nachlassgegenstände konkretisiert. Deshalb müssen die Beschränkungen für den gesamten Nachlass und alle Vorerben gelten. Dem stehen auch keine schutzwürdigen Interessen der befreiten Vorerben entgegen. Als Mitglieder der Erbengemeinschaft können sie jederzeit die Auseinandersetzung nach § 2042 BGB verlangen. Der Nachlass wird dann entsprechend ihrer Quoten an die Mitvorerben verteilt. Zu erforderlichen Zustimmungen sind die Nacherben nach § 2120 S. 1 BGB verpflichtet, da diese kein Recht haben, die Auseinandersetzung der Mitvorerbengemeinschaft zu verhindern. Da die Differenzierung auch originär dem Erblasserwillen entstammt, sind mögliche Belastungen des befreiten Vorerben zumutbar.