Rz. 16
Nachdem es insbesondere aufgrund der Kommentierung von Demharter und Entscheidungen des OLG Köln zu Irritationen über die Grundbuchtauglichkeit von durch eine Betreuungsbehörde nach § 6 Abs. 2 BtBG beglaubigte Vorsorgevollmachten gekommen war, sprach der BGH in einer leider stark verzögert am 15.3.2021 veröffentlichten Entscheidung vom 12.11.2020 ein Machtwort. Er stellte klar, dass solcherart beglaubigte Vollmachten nicht nur grundbuchtauglich, sondern auch transmortal wirksam sind.
Rz. 17
Bedauerlicherweise ist diese Entscheidung nicht vom Gesetzgeber aufgegriffen worden und es wurde wohl einem von der Bundesnotarkammer vertretenen Gedanken gefolgt, dass der Beglaubigung durch die Betreuungsbehörde keine transmortale Wirkung zukommt, § 7 Abs. 1 S. 2 BtOG. Damit wurde die Betreuungsbehördenbeglaubigung mit einem Federstrich entwertet. Ein Lebensnachweis kann in einer den Anforderungen der GBO genügenden Form nicht erbracht werden, so dass diese Beglaubigung nicht mehr Grundlage für Eintragungen im Grundbuch sein kann. Dies scheint nicht gesehen worden zu sein. In der Gesetzesbegründung wird nach wie vor von einer Grundbuchtauglichkeit jedenfalls bis zum Tod des Vollmachtgebers ausgegangen.
Rz. 18
Es ist zu befürchten, dass ein Lebensnachweis auch in anderen Geschäftsbeziehungen verlangt wird, die eigentlich nicht dem Formerfordernis der Beglaubigung unterliegen. Eine Vollmacht hat im Regelfall gem. §§ 168 S. 1, 672 S. 1 BGB transmortale Wirkung. Sie entfällt nicht, wenn die formale Wirkung der Beglaubigung verschwindet. Ob das aber insbesondere in der ohnehin in Bezug auf Vorsorgevollmachten oft schwierigen Bankenpraxis weiter akzeptiert werden wird, erscheint fraglich.
Der Autor forderte, den Satz 2 des § 7 BtOG unbedingt zu streichen, bevor das Gesetz in Kraft tritt. Es mutet zum einen rechtlich zumindest befremdlich an, dass eine staatliche Bestätigung der Urheberschaft einer Unterschrift durch den Tod des Ausstellers plötzlich falsch werden und ihre Beweiskraft verlieren soll. Zum anderen würden damit Tausende von Vorsorgevollmachten entwertet, die in der Vergangenheit erstellt und wegen Geschäftsunfähigkeit des Ausstellers nicht mehr erneuert werden können. Wenn man nicht das Ziel hat, Beglaubigungen wieder exklusiv zu den Notaren zurückzuführen, sondern die ursprüngliche Absicht hinter der Installation der Betreuungsbehördenbeglaubigung am Leben halten will, Vorsorgevollmachten niederschwellig anzubieten und durch geringe Kosten zu fördern, führt kein Weg an dieser Korrektur vorbei.
Rz. 19
Aufgegriffen wurde nur der Einwand, dass ältere Vollmachten entwertet würden. In § 34 BtOG wurde die Beschränkung der Wirkung von Betreuungsbehördenbeglaubigungen auf Lebzeiten des Vollmachtgebers erst für Beglaubigungen ab dem 1.1.2023 abgemildert (siehe § 1 Rdn 27). Das grundsätzliche Problem wurde damit nicht behoben.
Dabei hatte der Bundesrat noch einmal deutlich auf eine Änderung des Gesetzes gedrungen, damit die bisherige Praxis und Rechtslage, wie sie auch vom BGH bestätigt worden war, beibehalten würde. Es sei "wenig überzeugend, wenn die Beglaubigungsbefugnis nunmehr wieder so unattraktiv gemacht werden" solle, "wie der BGH dies … ausgeführt" habe. "Die Kritik der Notare an der Rechtsprechung des BGH sollte insofern daher zurückhaltend gelesen werden."
Die Ablehnung der Bundesregierung überzeugt nicht, wenn ohne erkennbare, wirkliche Auseinandersetzung mit den Argumenten ausgeführt wird: "Andernfalls würde das Betreuungsrecht ungewollte Folgewirkungen im Nachlassverfahren zeitigen und dort ohne Not das gut austarierte System der gesetzlich vorgesehenen Erbnachweise in Frage stellen." Was soll "austariert" sein? "Gesetzlich vorgesehen" zum Nachweis des Erbrechtes ist allein der Erbschein. Nach der Logik der Bundesregierung dürften wohl gar keine Vollmachten mehr nach dem Erbfall verwandt werden – was wiederum § 168 S. 1 BGB widerspricht. Mit der Vollmacht – die ja auch bei einer Beglaubigung durch die Betreuungsbehörde gem. § 168 S. 1 BGB grundsätzlich postmortal weiter wirksam ist, denn nur die Beglaubigungswirkung entfällt – wird keine Erbenstellung nachgewiesen. Wechselwirkungen zwischen dem Vorsorge- und Erbrecht sind schließlich an vielen Stellen zu finden, nicht zuletzt bei dem mit der Reform gestärkten Notvertretungsrecht des Betreuers nach dem Erbfall gem. § 1874 Abs. 2 BGB n.F. (siehe § 16 Rdn 14–19).