Dr. iur. Maximilian von Proff zu Irnich
Rz. 15
Nimmt ein Partner den anderen in die in seinem Alleineigentum stehende Wohnung auf, wird der andere dadurch regelmäßig Mitbesitzer (§ 866 BGB) und nicht (nur) Besitzdiener (§ 855 BGB).
Rz. 16
Ein possessorischer Räumungsanspruch des Eigentümers gegen den mitbesitzenden Partner besteht nach richtiger Ansicht des OLG Hamm zwar nicht. Ein Räumungsanspruch folgt mithin nicht aus § 861 Abs. 1 BGB. Der andere Partner ist mit Einverständnis des Eigentümers eingezogen. Er will mithin lediglich den ihm einmal eingeräumten Mitbesitz fortsetzen. Dies ist keine verbotene Eigenmacht i.S.d. § 858 BGB. Zudem findet zwischen Mitbesitzern in ihrem Verhältnis zueinander ein Besitzschutz nicht statt, als es sich um die Grenzen des dem einzelnen zustehenden Gebrauchs handelt (§ 866 BGB).
Rz. 17
Der Räumungsanspruch ergibt sich jedoch aus § 985 BGB. Der Eigentümer kann vom Besitzer die Herausgabe verlangen, es sei denn dieser hat ein Recht zum Besitz (§ 986 BGB). Ein solches Besitzrecht könnte sich allenfalls aus einem Untermietvertrag oder Leihvertrag ergeben. Die (mit Trennung ohnehin endende) nichteheliche Lebensgemeinschaft verleiht als rein tatsächliches Verhältnis – anders als eine Ehe (§ 1353 BGB) – kein Recht zum Besitz. Ein Mietvertrag oder ein Leihverhältnis bedarf einer entsprechenden Vereinbarung zwischen den Beteiligten. Hierfür genügt die bloße nichteheliche Lebensgemeinschaft als rein tatsächlicher Vorgang nicht. Besteht kein derartiges Recht zum Besitz, so kann der Eigentümer mithin vom anderen Partner die Herausgabe der Wohnung, d.h. Räumung, verlangen. Nach der in der Rechtsprechung und der Literatur überwiegend vertretenen Auffassung kann der aus der Wohnung geklagte Partner etwaige Gegenansprüche z.B. wegen Innengesellschaft (ab 1.1.2024: "nicht rechtsfähige Gesellschaft", § 705 Abs. 2 Alt. 2 BGB idF durch das MoPeG), Wegfall der Geschäftsgrundlage oder Bereicherungsrecht nicht als Zurückbehaltungsrecht (§ 273 Abs. 1 BGB) und hieraus mithin kein Recht zum Besitz herleiten. Anderenfalls – so das OLG Hamm – käme "dies einer Verurteilung zur Fortführung einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft – jedenfalls in tatsächlicher Hinsicht – gleich". Diese Auffassung überzeugt nicht. Die genannten Gegenansprüche sind häufig wegen Verwendungen auf die Immobilie begründet. Sie begründen damit ein Zurückbehaltungsvorschrift nach § 1000 BGB bzw. der Spezialvorschrift des § 273 Abs. 2 BGB. Sie kennt einen Ausschluss des Zurückbehaltungsrechts nur in dem vorliegend naturgemäß nicht einschlägigen Fall, dass der zur Herausgabe Verpflichtete den Besitz durch eine vorsätzlich begangene unerlaubte Handlung erlangt hat. Die mietrechtliche Vorschrift des § 570 BGB, die dem Mieter ausdrücklich Zurückbehaltungsrechte gegen den vertraglichen Rückgabeanspruch des Vermieters (§ 546 Abs. 1 BGB) verweigert, kann nicht analog angewandt werden. Auch Zurückbehaltungsrechte nach der allgemeinen Vorschrift des § 273 Abs. 1 BGB sind m.E. i.d.R. nicht deshalb ausgeschlossen, weil sich dies "aus dem Schuldverhältnis ergibt". Vielmehr liegen den Gegenansprüchen des anderen Partners regelmäßig Zweckabreden zu Grunde, die auf die beiderseits gebilligte dauerhafte gemeinsame Nutzung gerichtet waren.