Michael Brunner, Gundel Baumgärtel
Rz. 57
Wurde ein Urteil gegen Sicherheitsleistung gem. § 709 ZPO vorläufig vollstreckbar erklärt, so muss der Gläubiger die im Urteil festgelegte Sicherheitsleistung erbringen oder er kann lediglich eine Sicherheitsvollstreckung gem. § 720a ZPO (also ohne Verwertung) betreiben, es sei denn, das Urteil wurde zwischenzeitlich rechtskräftig.
Rz. 58
In der Praxis ist es insbesondere für Azubis schwer zu verstehen, bei welcher Art von gerichtlichen Entscheidungen eine Sicherheitsleistung überhaupt erbracht werden muss oder nicht.
Die Anordnung des Gerichtes, dass die gerichtliche Entscheidung vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung ist, erfolgt nämlich nicht willkürlich, sondern ergibt sich aus dem Gesetz:
Praxistipp:
§ 708 ZPO enthält dabei einen abschließenden Katalog, welche Entscheidung für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung zu erklären sind. Hierunter fallen insbesondere:
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Anerkenntnis- oder Verzichtsurteile, |
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Versäumnisurteile, |
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Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter von Wohnräumen und anderen Räumen wegen Unterlassung, Benutzung oder Räumung, |
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Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten und |
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erstinstanzliche Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 EUR nicht übersteigt. |
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Ferner ist der Vollstreckungsbescheid gem. § 700 Abs. 1 ZPO einem für vorläufig vollstreckbaren Versäumnisurteil gleichgestellt. |
Alle anderen Urteile sind nach § 709 ZPO gegen eine der Höhe nach zu bestimmenden Sicherheit für vorläufig vollstreckbar zu erklären.
Rz. 59
Praxistipp:
Es ist ratsam, vor Erbringung einer Sicherheitsleistung zu überprüfen, ob das Urteil nicht zwischenzeitlich rechtskräftig geworden ist.
In diesen Fällen muss die vollstreckbare Ausfertigung nur noch einmal an das Prozessgericht geschickt werden mit der Bitte um Erteilung eines Rechtskraftvermerks. Der Rechtskraftvermerk lautet meist:
"Vorstehendes Urteil ist rechtskräftig seit dem …"
Rz. 60
Gem. § 108 ZPO ist die Sicherheitsleistung entweder durch Hinterlegung von Geld oder Wertpapieren bei einer Hinterlegungsstelle zu bewirken oder durch die Beibringung einer schriftlichen, unwiderruflichen, unbedingten und unbefristeten Bürgschaft eines im Inland zum Geschäftsbetrieb befugten Kreditinstitutes.
Rz. 61
Nach § 1 Hinterlegungsordnung (HinterlO) sind die AG die Hinterlegungsstellen, wobei bei jeder Hinterlegungsstelle im Bundesgebiet die Hinterlegung erfolgen kann. Teilweise sind die Hinterlegungsstellen bei einem AG in einem Landgerichtsbezirk konzentriert, so ist z.B. das AG Tiergarten (Turmstraße 91,10559 Berlin – im Strafgericht) die einzige Hinterlegungsstelle in Berlin.
Rz. 62
I.d.R. wird Geld hinterlegt. Der Gläubiger erhält nach der Einzahlung vom Gericht einen sogenannten Hinterlegungsschein, auch Hinterlegungsquittung genannt. Die Sicherheitsleistung ist damit erbracht.
Rz. 63
Für die Zwangsvollstreckung muss dem Schuldner gem. § 751 Abs. 2 ZPO jedoch eine Abschrift dieses Hinterlegungsscheins mindestens gleichzeitig mit Beginn der Vollstreckungsmaßnahme zugestellt werden.
Rz. 64
In der Praxis wird meistens jedoch die Sicherheitsleistung durch Bankbürgschaft erbracht, da dies für den Gläubiger die kostengünstigere Variante darstellt. Dabei räumt i.d.R. die Hausbank des Gläubigers diesem für den Bürgschaftsbetrag einen gesonderten Kreditrahmen ein, der durch Vermögenswerte des Gläubigers teilweise abgesichert ist. Der Gläubiger muss dabei nicht den gesamten Sicherungsbetrag in bar aufbringen und zahlt lediglich die Kreditzinsen.
Rz. 65
Gem. § 765 BGB ist die Bürgschaft von der Rechtsnatur her ein Vertrag. Die Bürgschaftsurkunde der Bank stellt dabei den Vertragsantrag dar, der Schuldner müsste diesen Antrag nur noch annehmen. Im Rahmen der Zwangsvollstreckung kann es jedoch auf den Willen des Schuldners nicht ankommen, da er mit einer Verweigerung die Erbringung der Sicherheitsleistung verhindern könnte.
Der Bürgschaftsvertrag kommt daher zustande, wenn die Bürgschaftsurkunde dem Schuldner tatsächlich zugegangen ist. Es handelt sich demnach um einen Zwangsvertrag.
Rz. 66
Praxistipp:
Gem. § 132 Abs. 1 BGB gilt die Bürgschaftsurkunde als zugegangen, wenn der Gerichtsvollzieher sie an den Schuldner zugestellt hat.
War ein Prozessbevollmächtigter für den Schuldner im Erkenntnisverfahren bestellt, ist die Zustellung der Bürgschaftsurkunde an diesen auch gem. § 172 ZPO zulässig, aber nicht zwingend erforderlich. Die Zustellung an den Prozessbevollmächtigten ist gem. § 195 ZPO mit schriftlichem Empfangsbekenntnis von Anwalt zu Anwalt zulässig.
Rz. 67
In den meisten Fällen ist die Bürgschaft so gestaltet, dass mit der Rückgabe der Bürgschaftsurkunde die Bürgschaft erlischt. Hier ist immer das Original der Bürgschaftsurkunde zuzustellen.
Rz. 68
Muster 5.3: Antrag auf Zustellung der Bürgschaft durch den Gerichtsvollzieher
Muster 5.3: Antrag auf Zustellung der Bürgschaft durch den Gerichtsvollzieher
An den
Gerichtsvollzieher
(genaue Anschrift)
Eilt!!! Zu...