Dr. Andreas Fink, Dr. iur. Simon Kohm
I. Typischer Sachverhalt
Rz. 17
Ein Bieter hat einen Antrag zur Vergabekammer auf Einleitung eines Nachprüfungsverfahrens gestellt. Diesem Antrag lag zugrunde, dass ihm im Rahmen eines Vergabeverfahrens durch einen öffentlichen Auftraggeber mitgeteilt wurde, dass der Zuschlag an ein Drittunternehmen erteilt werden soll. Nach Anhängigkeit des Nachprüfungsverfahrens hat die Vergabekammer dem öffentlichen Auftraggeber auf dessen Antrag hin gestattet, den Zuschlag an das Drittunternehmen nach Ablauf von zwei Wochen seit Bekanntgabe der Entscheidung der Vergabekammer zu erteilen. Der Bieter hält diese Entscheidung der Vergabekammer für falsch.
II. Rechtliche Grundlagen
Rz. 18
Gibt die Vergabekammer einem Antrag des öffentlichen Auftraggebers auf Aufhebung des Verbots der Zuschlagserteilung gem. § 169 Abs. 2 S. 1 GWB statt, so stellt sich für den nichtberücksichtigten Bieter das Problem, dass der Auftraggeber nach Ablauf von zwei Wochen nach Bekanntgabe der Aufhebung des Verbots die Möglichkeit hat, den Auftrag an ein Konkurrenzunternehmen zu vergeben. Von dieser Möglichkeit wird der Auftraggeber regelmäßig sofort nach Ende der Zwei-Wochen-Frist Gebrauch machen. Damit würde der Auftraggeber vollendete Tatsachen schaffen, da gem. § 168 Abs. 2 S. 1 GWB ein einmal erteilter Zuschlag im Nachprüfungsverfahren nicht aufgehoben werden kann.
Rz. 19
Im Zuge der Ausfüllung der Rechtsschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 GG hat der Gesetzgeber durch die Schaffung des § 169 Abs. 2 S. 5 GWB dem nichtberücksichtigten Bieter die Möglichkeit gegeben, seinerseits die Aufhebung des Verbots der Zuschlagserteilung durch die Vergabekammer einer gerichtlichen Entscheidung zuzuführen. Der Antrag auf Wiederherstellung des Verbots der Zuschlagserteilung ist an das Beschwerdegericht, also an das Oberlandesgericht, das gem. § 171 Abs. 3 S. 1 GWB für die sofortige Beschwerde gegen die Entscheidung der Vergabekammer zuständig wäre, zu richten. Antragsberechtigt sind neben dem Bieter auch die ggf. nach § 162 GWB Beigeladenen, sofern sie eine eigene Beschwer darlegen können.
Rz. 20
Der Antrag an das Oberlandesgericht ist nach dem Verweis des § 169 Abs. 2 S. 7 GWB auf § 176 Abs. 2 S. 1 und 2, Abs. 3 GWB schriftlich zu stellen und gleichzeitig zu begründen. Der Antrag selbst ist an keine Frist gebunden, allerdings besteht nach Ablauf der Zwei-Wochen-Frist nach Bekanntgabe der Entscheidung über die Aufhebung des Zuschlagsverbots gem. § 169 Abs. 2 S. 1 GWB die Gefahr, dass der Auftraggeber den Zuschlag sofort erteilt. Nach einer erfolgten Zuschlagserteilung ist jedoch ein Antrag auf Wiederherstellung des Verbots derselben unstatthaft, da § 169 Abs. 2 S. 5 Hs. 2 GWB die Vorschrift des § 168 Abs. 2 S. 1 GWB für anwendbar erklärt. Der Antrag gem. § 169 Abs. 2 S. 5 GWB ist ferner unstatthaft, wenn innerhalb der Zwei-Wochen-Frist nach Bekanntgabe der Entscheidung (oder möglicherweise noch vor dieser Entscheidung) eine Entscheidung der Vergabekammer in der Hauptsache erfolgt. In diesem Fall ist nur noch die sofortige Beschwerde an das Oberlandesgericht statthaft. Jedoch empfiehlt sich ein Antrag auf Wiederherstellung des Zuschlagsverbots auch dann, wenn abzusehen ist, dass die fünfwöchige Entscheidungsfrist der Vergabekammer gem. § 167 Abs. 1 S. 1 GWB vor Ablauf der Zwei-Wochen-Frist gem. § 169 Abs. 1 S. 1 GWB ablaufen wird. Schließlich besteht die Gefahr, dass die Vergabekammer ihre Entscheidungsfrist gem. § 167 Abs. 1 S. 2 GWB verlängert und die Zwei-Wochen-Frist gem. § 169 Abs. 2 S. 1 GWB nunmehr in der verlängerten Entscheidungsfrist abläuft und der Auftraggeber den Zuschlag erteilt.
Rz. 21
Zudem ist ein Antrag gem. § 169 Abs. 2 S. 5 GWB einerseits nur statthaft, wenn die Vergabekammer einem Antrag des Auftraggebers gem. § 169 Abs. 2 S. 1 GWB stattgegeben hat; die vorsorgliche Stellung eines Antrages gem. § 169 Abs. 2 S. 5 GWB ist also unzulässig. Andererseits entfaltet der Antrag gem. § 169 Abs. 2 S. 5 GWB gegenüber der Erlaubnis der Zuschlagserteilung gem. § 169 Abs. 2 S. 1 GWB keine aufschiebende Wirkung. Der Antrag gem. § 169 Abs. 2 S. 5 GWB sollte daher äußerst zeitnah an die Bekanntgabe der Erlaubnis der Zuschlagserteilung gestellt werden, um eine Entscheidung des Beschwerdegerichts noch innerhalb der Zwei-Wochen-Frist herbeizuführen.
Rz. 22
Im Rahmen seiner Entscheidung überprüft das Beschwerdegericht die Entscheidung der Vergabekammer über den Antrag gem. § 169 Abs. 2 S. 1 GWB. Es hat dabei folglich dieselben Prüfungsmaßstäbe anzulegen wie die Vergabekammer. Insoweit wird auf die Ausführungen zum Antrag nach § 169 Abs. 2 S. 1 GWB verwiesen (vgl. Rdn 12).