André Schah-Sedi, Dr. Michael Nugel
a) Gefahrerhöhung und ihre Folgen
Rz. 404
Neben der Obliegenheitsverletzung wird die Leistungspflicht des VR bestimmt durch eine etwaige Gefahrerhöhung hinsichtlich des versicherten Risikos. Die Gefahrerhöhung ist geregelt in den §§ 23 ff. VVG.
Der Begriff der Gefahrerhöhung ändert sich durch das neue VVG nicht. Das neue Recht übernimmt insoweit die Unterscheidung zwischen der subjektiven und der objektiven Gefahrerhöhung, der es die nachträglich erkannte veranlasste Gefahrerhöhung gleichstellt. Wie bisher ist bei der Gefahrerhöhung weiterhin zu berücksichtigen, dass diese eine gewisse Dauer voraussetzt, da sich nur dann die allgemeine Risikolage ändert.
Voraussetzung für eine Gefahrerhöhung ist, dass einer der drei in § 23 VVG geregelten Tatbestände vorliegt:
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Der VN hat eine Gefahrerhöhung vorgenommen oder deren Vornahme durch einen Dritten gestattet (§ 23 Abs. 1 VVG). |
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Der VN hat diese nachträglich vorgenommene Gefahrerhöhung nicht angezeigt (§ 23 Abs. 2 VVG). |
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Der VN hat Kenntnis von der durch einen Dritten vorgenommenen Gefahrerhöhung erlangt und diese nicht unverzüglich angezeigt (§ 23 Abs. 3 VVG). |
Rz. 405
Von praktischer Relevanz dürfte die erste Variante, d.h. die subjektiv (gewollte) Gefahrerhöhung sein.
Dabei hat der VN eine solche Gefahrerhöhung i.S.d. § 23 Abs. 1 VVG nur vorgenommen, wenn er auch Kenntnis von den ihr zugrunde gelegten gefahrerhöhenden Umständen hat, mag er auch selber nicht den Schluss einer Gefahrerhöhung gezogen haben. Die Beweislast dafür, dass der VN diese Umstände kennt, trägt der VR. Darüber hinaus muss der VN zumindest grob fahrlässig den naheliegenden Schluss einer Gefahrerhöhung nicht gezogen haben.
Im Fall der groben Fahrlässigkeit sieht § 26 Abs. 1 S. 2 VVG ebenfalls ein lediglich quotales Kürzungsrecht des VR vor.
b) Obliegenheitsverletzung und ihre Folgen
aa) Vor und nach Eintritt des Versicherungsfalles
Rz. 406
Die dem VN vertraglich auferlegten Obliegenheiten vor Eintritt des Versicherungsfalles sind abschließend in § 5 PflVG vorgegeben, d.h. sie bleiben auch im neuen VVG dieselben und sind nunmehr in D.1 bzw. D.2 AKB 2008 geregelt. Danach kann Leistungsfreiheit eintreten bei Verwendung des Fahrzeugs
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zu einem anderen als im Versicherungsantrag angegebenen Zweck; |
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durch einen unberechtigten Fahrer; |
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ohne die dafür erforderliche Fahrerlaubnis; |
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zu Wettrennen; |
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unter Einfluss alkoholischer Getränke, wenn dadurch das Fahrzeug nicht mehr sicher geführt werden kann. |
Rz. 407
Wird einer Obliegenheit zuwider gehandelt, kann dies dazu führen, dass der VR im Innenverhältnis zum VN oder der mitversicherten Person ganz oder teilweise gem. § 28 Abs. 2 VVG leistungsfrei wird. Dies ändert wie dargelegt jedoch nichts an der Verpflichtung des VR, die berechtigten Ansprüche des Geschädigten auf Schadensersatz aus Anlass des Schadensfalls zu befriedigen. Es gilt insoweit der aus § 115 VVG resultierende Direktanspruch. Die teilweise oder vollständige Leistungsfreiheit berechtigt den VR also "lediglich" dazu, den VN in entsprechender Höhe in Regress zu nehmen.
Rz. 408
Die Obliegenheiten in der Kfz-Haftpflichtversicherung nach dem Versicherungsfall werden in den seit 2008 geltenden AKB in Abschnitt E AKB 2015 geregelt. Rechtsfolge der Obliegenheitsverletzung in der Kfz-Haftpflichtversicherung nach dem Versicherungsfall ist ebenfalls die beschränkte Leistungsfreiheit des VR. Der Regress wird gem. § 6 Abs. 1 KfzPflVV i.d.R. auf 2.500 EUR, in besonders schwerwiegenden Fällen auf 5.000 EUR beschränkt.
Rz. 409
Genau wie bei einer Obliegenheitsverletzung vor Eintritt des Versicherungsfalls gilt auch bei einer Obliegenheitsverletzung nach Eintritt des Versicherungsfalls, dass der VR lediglich bei einer vorsätzlichen Obliegenheitsverletzung im vollen Umfang leistungsfrei wird. Im Fall der grob fahrlässig begangenen Obliegenheitsverletzung steht dem VR ein vom ihm auszuübendes Leistungskürzungsrecht zu, welches sich an der Schwere des Verschuldens zu orientieren hat.
bb) Kausalitätsgegenbeweis
Rz. 410
Von besonderer Bedeutung ist, dass der VN eine Leistungskürzung des VR verhindern kann, wenn er nachweist, dass seine Obliegenheitsverletzung sich weder auf die Feststellung des Versicherungsfalles noch auf die Feststellungen des VR zu einer Leistungsverpflichtung dem Grunde oder der Höhe nach ausgewirkt hat (§ 28 Abs. 3 S. 1 VVG). Der VR wird nur (in der Höhe) leistungsfrei, soweit sich die Obliegenheitsverletzung ausgewirkt hat. Zeigt der VN einer Kraftfahrzeughaftpflichtversicherung den Versicherungsfall bspw. nicht innerhalb der in den AKB vorgesehenen Wochenfrist an, erklärt jedoch der Geschädigte den Sachverhalt umfassend und vollständig dem VR, so kann dieser selbst bei einer angenommenen vorsätzlichen Obliegenheitsverletzung des eigenen VN nicht leistungsfrei werden, da d...