André Schah-Sedi, Dr. Michael Nugel
Rz. 306
Bei der Abrechnung ist zwischen einer konkreten Abrechnung anhand der vorgelegten Reparaturkosten und einer fiktiven Abrechnung gem. Sachverständigengutachten/Kostenvoranschlag zu unterscheiden. Dabei gilt für den Ersatz der Mehrwertsteuer: Wählt der Geschädigte im "Reparaturfall" den Weg der Ersatzbeschaffung und rechnet er den Schaden konkret auf der Grundlage der Beschaffung eines Ersatzfahrzeugs ab, steht ihm ein Anspruch auf Ersatz der dabei angefallenen Umsatzsteuer zu – begrenzt auf den Umsatzsteuerbetrag, der bei Durchführung der notwendigen Reparatur angefallen wäre. Dementsprechend kann auch bei dem Fall des wirtschaftlichen Totalschadens die bei einer Reparatur tatsächlich angefallene Mehrwertsteuer verlangt werden, wenn und soweit eine Mehrwertsteuer im Wiederbeschaffungswert enthalten ist.
Für die fiktive Abrechnung ist generell zu beachten: Der Geschädigte muss sich nicht auf die abstrakten Stundensätze der Fachbetriebe in einer bestimmten Region, sehr wohl aber auf die Stundensätze einer benannten Fachwerkstatt verweisen lassen, wenn ihm rechtzeitig ein konkreter Hinweis auf eine solche günstigere Reparaturmöglichkeit zugeht, die für ihn mit keinem Mehraufwand verbunden ist und eine gleichwertige Reparaturqualität wie bei einer markengebundenen Fachwerkstatt gewährleistet ist. Für den Geschädigten ist ein solcher Verweis dann jedoch unzumutbar, wenn sein Fahrzeug zum Unfallzeitpunkt noch nicht älter als drei Jahre ist. Ist sein Fahrzeug älter, ist ein Verweis für ihn jedoch ausnahmsweise unzumutbar, wenn das Fahrzeug in der Vergangenheit stets in einer markengebundenen Fachwerkstatt gewartet und repariert worden ist. Nach einer Ansicht der Instanzgerichte ist auch bei einem Eigentümerwechsel erforderlich, dass das Fahrzeug ohne Ausnahme auch vom vorherigen Eigentümer stets in einer markengebundenen Fachwerkstatt repariert und gewartet worden ist. Den Geschädigten trifft dabei eine sekundäre Darlegungslast und auf Anordnung des Gerichts hat er die entsprechende Belege gem. § 142 ZPO ggf. vorzulegen. Entscheidet sich der Geschädigte für eine fiktive Abrechnung der Reparaturkosten wird er in zeitlicher Hinsicht nicht geschützt, so dass auch erst im Prozess bzw. nach einer (angeblich) durchgeführten Reparatur eine Verweisung erfolgen kann. Dann können aber höhere Preise zu berücksichtigen sein: Bei der fiktiven Schadensberechnung ist für die Bemessung des Schadensersatzanspruchs materiell-rechtlich der Zeitpunkt der vollständigen Erfüllung, verfahrensrechtlich regelmäßig der Zeitpunkt der letzten mündlichen Tatsachenverhandlung maßgeblich, so dass vorher eintretende Preissteigerungen für die günstigere Reparaturmöglichkeit in einer freien Fachwerkstatt, auf die der Schädiger den Geschädigten verweisen darf, daher i.d.R. zu Lasten des Schädigers gehen.
Rz. 307
Erstattungsfähig sind nach h.M. bei fiktiver Schadensabrechnung auch die Verbringungskosten zum Lackierer, wenn sie bei der Reparatur in einer markenbezogenen Fachwerkstatt tatsächlich angefallen wären. Dies gilt nach h.M. auch für die Aufschläge, die für das Invorrathalten von Ersatzteilen entstehen. Im Zweifelsfall sollte zu diesen Gesichtspunkten die jeweilige Auffassung des örtlich zuständigen Gerichts in Erfahrung gebracht werden.
Umstritten ist ferner die Anrechnung von Rabatten. Ein üblicherweise eingeräumter Werkstattrabatt ist jedenfalls i.d.R. bei der Schadensabrechnung zu berücksichtigen und mindert den Ersatzbetrag des Geschädigten, der ansonsten unzulässig bereichert wäre.
Unabhängig von der gewählten Art der Abrechnung (konkret oder fiktiv) gilt: Dem Geschädigten stehen zwei Möglichkeiten der Schadenskompensation zur Verfügung: Der Abrechnung auf Basis der Reparaturkosten oder die Kosten für die Anschaffung eines Ersatzfahrzeugs. Auch wenn der Geschädigte grds. zwischen beiden Arten der Schadenskompensation wählen kann, gilt dieser Grundsatz nicht uneingeschränkt: Die entscheidende Differenzierung ergibt sich aus der Gegenüberstellung von Reparaturkosten einerseits und Wiederbeschaffungswert sowie dem Wiederbeschaffungsaufwand (d.h. dem Wiederbeschaffungswert abzgl. Restwert) andererseits. Hierbei sind mehrere Stufen zu unterscheiden: