André Schah-Sedi, Dr. Michael Nugel
Rz. 50
In § 52 StGB ist der Begriff der Tateinheit geregelt. Tateinheit setzt voraus, dass eine Handlung mehrere Gesetzestatbestände oder denselben Tatbestand mehrmals erfüllt. Erforderlich ist mithin eine Handlungseinheit.
Verletzt also dieselbe Handlung mehrere Strafgesetze oder dasselbe Strafgesetz mehrmals so wird gem. § 52 StGB nur auf eine Strafe erkannt.
Darüber hinaus wird in § 52 Abs. 2 StGB die Art und Weise der Strafzumessung bei Erfüllung mehrerer Tatbestände durch eine Handlung geregelt.
In § 53 StGB ist der Begriff der Tatmehrheit geregelt.
Hat jemand mehrere Straftaten begangen, die gleichzeitig abgeurteilt werden, so wird gem. § 53 StGB auf eine Gesamtstrafe erkannt. Es wird also für jede Straftat eine Einzelstrafe festgesetzt aus der dann eine Gesamtstrafe gebildet werden muss.
a) Besonderheiten bei dem Ordnungswidrigkeitenverfahren
Rz. 51
Im Verkehrsordnungswidrigkeitenbereich stellt sich sehr häufig die Frage, ob der Betroffene tateinheitlich i.S.d. § 19 OWiG oder aber tatmehrheitlich i.S.d. § 20 OWiG gehandelt hat.
Begeht z.B. ein Kraftfahrzeugführer in einem engen zeitlichen Zusammenhang mehrere Geschwindigkeitsüberschreitungen oder aber mehrere verschiedene Ordnungswidrigkeiten, wie z.B. das Nichtanlegen des Sicherheitsgurtes und eine zeitgleich begangene Geschwindigkeitsüberschreitung, so stellt sich die Frage, ob eine tateinheitliche oder eine tatmehrheitliche Begehung vorliegt.
Tateinheit i.S.d. § 19 OWiG ist gegeben, wenn dieselbe Handlung mehrere Gesetze oder ein Gesetz mehrmals verletzt.
Tateinheit i.S.d. § 19 OWiG ist dann gegeben, wenn gleichartige Delikte begangen werden, die in einem engen räumlichen und zeitlichen Zusammenhang stehen und von einem einheitlichen Willen getragen werden. Darüber hinaus muss das gesamte Verhalten bei objektiven Interessen als ein einheitliches Geschehen erscheinen.
Rz. 52
Liegen mehrere Verstöße vor, die tateinheitlich begangen worden sind, wird gem. § 19 Abs. 2 OWiG die Geldbuße nach dem Gesetz bestimmt, das die höchste Geldbuße androht; vgl. auch die entsprechende Regelung in § 4 Abs. 2 S. 4 StVG.
Tatmehrheit i.S.d. § 20 OWiG liegt dagegen dann vor, wenn mehrere Handlungen nicht als natürliche oder rechtliche Handlungseinheit zusammengefasst werden können, insbesondere wenn kein räumlich oder zeitlich enger Zusammenhang zwischen den Verkehrsverstößen gegeben ist.
Ist Tatmehrheit gegeben, werden gem. § 20 OWiG die Geldbußen gesondert festgesetzt und es erfolgen im Fahreignungsregister gesonderte Eintragungen. Bei einer tateinheitlichen Begehung werden die Punkte im Fahreignungsregister dagegen nicht addiert.
Eine Tat im prozessualen Sinne gem. § 264 StPO, § 46 Abs. 1 OWiG ist gegeben, "wenn die Einzelhandlungen nach ihrem Ergebnis so miteinander verknüpft sind, dass eine getrennte Würdigung und Ahndung als unnatürliche Aufspaltung eines einheitlichen Lebensvorganges empfunden werden würde".
Eine Tat im prozessualen Sinne kann eine oder mehrere Taten umfassen, die entweder in Tateinheit oder in Tatmehrheit zueinander stehen.
Bei der Beurteilung der Frage, ob bei mehreren Verkehrsordnungswidrigkeiten Tateinheit oder aber Tatmehrheit gegeben ist, unterscheiden die Gerichte in den Entscheidungsfindungen nicht immer zwischen den materiell- und dem verfahrensrechtlichen Tatbegriff.
b) Beispiele für Tateinheit gem. § 19 OWiG
Rz. 53
Nutzung eines Handys ohne Freisprecheinrichtung i.S.d. § 23 Abs. 1a StVO und eine zeitgleich begangene Geschwindigkeitsüberschreitung.
Mehrere Geschwindigkeitsverstöße innerhalb von einer Minute innerhalb desselben Autobahnabschnittes.
c) Beispiele für Tatmehrheit i.S.d. § 20 OWiG
Rz. 54
Mehrere Geschwindigkeitsverstöße in einem zeitlichen Abstand von mindestens 20 Minuten.
Aufhebung der Geschwindigkeitsbegrenzung nach dem ersten Geschwindigkeitsverstoß sowie Anordnung einer erneuten Geschwindigkeitsbegrenzung mit erneutem Geschwindigkeitsverstoß.
Im Rahmen der Beurteilung, ob zwischen den Verkehrsverstößen ein räumlich und zeitlich enger Zusammenhang besteht, ist ebenfalls von Bedeutung, ob zwischen den Verkehrsverstößen eine Unterbrechung der Fahrt, z.B. durch eine Pause auf einem Rastplatz, erfolgt ist oder aber ob der Kraftfahrer z.B. von einer Autobahn auf eine Bundesstraße wechselte.