André Schah-Sedi, Dr. Michael Nugel
Rz. 290
Es sind, soweit das Straßenverkehrsrecht betroffen ist, folgende Paragraphen zu nennen:
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§§ 249, 253 BGB betr. Schadensabrechnung |
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§ 828 Abs. 2 BGB betr. die Rechtsstellung von Kindern bei Unfällen im Straßen- und Eisenbahnverkehr |
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§ 839a BGB betr. die Haftung des gerichtlichen Sachverständigen |
a) Haftung von Kindern gem. § 828 Abs. 2 BGB
Rz. 291
Durch die gesetzliche Neuregelung des Zweiten Gesetzes zur Änderung schadensersatzrechtlicher Vorschriften im Jahr 2002 wurde die haftungsrechtliche Situation von Kindern im motorisierten Verkehr nachhaltig verbessert. Die Neuregelung unterscheidet nicht, ob das Kind Opfer oder "Täter" eines Unfalls ist.
Nach der gesetzlichen Neuregelung sind Kinder unter zehn Jahren für Schäden im Straßen- (wie im Schienen-)Verkehr nicht verantwortlich. Zu beachten ist, dass die Heraufsetzung der Deliktsfähigkeit nicht gilt für Sachverhalte, die sich außerhalb des motorisierten Verkehrs zutragen. Weiter ist beachtlich, dass derjenige, der das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, nicht verantwortlich ist, sofern seine Verantwortlichkeit nicht nach § 828 Abs. 1 oder 2 BGB ausgeschlossen ist, wenn er bei der Begehung der schädigenden Handlung nicht die zur Erkenntnis der Verantwortlichkeit erforderliche Einsicht hat.
Bei der Feststellung des Verschuldens ist auf einen objektiven Maßstab abzustellen und nicht auf die besonderen Verhältnisse des Einzelfalls.
Rz. 292
Neben dem Ausschluss der Haftung von Kindern unter zehn Jahren gem. § 828 Abs. 2 BGB ist Ziel der Neuregelung, bei Straßenverkehrsunfällen mit Kindern unter zehn Jahren den Mitverschuldenseinwand des Kraftfahrzeughalters gem. § 9 StVG, § 254 BGB auszuschließen. Ein mögliches Mitverschulden des Kindes kommt erst nach Vollendung des 10. Lebensjahres in Betracht. Insoweit bleibt es bei der bisherigen Regelung. Der Anwendungsbereich des § 828 Abs. 2 BGB ist jedoch teleologisch zu reduzieren: Ein Ausschluss der Verantwortlichkeit des Kindes ist nur dann möglich, wenn sich eine typische Überforderungssituation des Kindes durch die spezifischen Gefahren des motorisierten Verkehrs realisiert. Darauf, ob das Kind sich konkret überfordert gefühlt hat, kommt es aber im Zweifelsfall nicht an. Diese Haftungsprivilegierung ist daher sehr weit gefasst: Lässt bspw. ein achtjähriges Kind auf dem Bürgersteig sein Fahrrad los, welches gegen ein vorbeifahrendes Kfz prallt, ist eine Verantwortlichkeit des Kindes ausgeschlossen. Der Geschädigte, der sich darauf beruft, hat darzulegen und erforderlichenfalls zu beweisen, dass sich nach den Umständen des Falles die typische Überforderungssituation des Kindes durch die spezifischen Gefahren des motorisierten Verkehrs bei einem Unfall nicht realisiert hat. Jedoch greift der Ausschluss der Haftung bis zur Vollendung des 10. Lebensjahres gem. § 828 Abs. 2 S. 2 BGB nicht bei einer Vorsatztat.
Unverändert gelten weiter die Regelungen zur Billigkeitshaftung gem. § 829 BGB sowie zur Haftung aus Verletzung der Aufsichtspflicht gem. § 832 BGB. Somit bleibt die haftungsrechtliche Privilegierung des Kindes im Alter unter zehn Jahren weiterhin eingeschränkt durch die §§ 829 und 832 BGB.
b) Haftung beim Fußgänger- und Radfahrerunfall
Rz. 293
Gem. § 3 Abs. 2a StVO trifft den Kraftfahrzeugführer eine besondere Sorgfaltspflicht gegenüber Kindern, Hilfsbedürftigen und älteren Menschen, soweit deren besondere Stellung, insbesondere ggf. eine Hilfsbedürftigkeit, erkennbar war. Die Verantwortlichkeitsgrenze von Kindern ist nunmehr von sieben auf zehn Jahre angehoben worden. Inlineskater sind grds. den Regeln für Fußgänger unterworfen.
Im Gegensatz zu der Bildung der Haftungsquote bei dem Verkehrsunfall zwischen zwei Pkw gelten bei dem Unfall eines Pkw mit einem Fußgänger andere Grundsätze bei der Bildung der Haftungsquote, die erst einmal zu einer alleinigen Haftung auf Seiten des Pkw führen. Ausgangspunkt bei der Ermittlung der Haftungsquote ist die alleinige Haftung des Halters des unfallbeteiligten Kfz aus § 7 StVG, sofern die dem Kfz innewohnende Betriebsgefahr sich – was der Fußgänger beweisen muss – unfallursächlich ausgewirkt hat. Trifft den Fußgänger daneben kein Verschuldensvorwurf hat der Halter, ggf. auch der Fahrer im Rahmen des nach § 18 StVG vermuteten Verschuldens im vollen Umfang für die Unfallfolgen einzustehen. Den Fußgänger kann jedoch eine Mithaftung im Rahmen der nach § 9 StVG, § 254 Abs. 1 BGB vorzunehmenden Haftungsabwägung treffen, wenn er in schuldhafter Weise gegen die StVO, insbesondere § 25 Abs. 3 StVO verstößt. Handelt der Fußgänger grob fahrlässig, kann hinter diesem Verschulden die einfache Betriebsgefahr des Pkw ganz zurücktreten. Dies ist z.B. der Fall, wenn der Fußgänger die Straße vor einer für ihn rot zeigenden Lichtzeichenanlage überquert, zusätzlich durch ein Telefonat abgelenkt ist oder im alkoholisierten Zustand nachts direkt vor das herannahende Fahrzeug tritt, dessen Fahrer mangels Bebauung nicht mit Fuß...