André Schah-Sedi, Dr. Michael Nugel
Rz. 206
Gem. § 2 Abs. 1 StVG bedarf derjenige, der auf öffentlichen Straßen ein Kraftfahrzeug führt, eine Fahrerlaubnis der zuständigen Fahrerlaubnisbehörde. Unter Bezugnahme auf § 2 Abs. 11 StVG sind Inhaber einer ausländischen Fahrerlaubnis zum Führen von Kraftfahrzeugen nach Maßgabe der Internationalen Kfz-Verordnung (IntKfzV) und der Fahrerlaubnis-Verordnung (FeV) berechtigt.
Gem. § 2 Abs. 2 Nr. 1 StVG ist die Fahrerlaubnis für die jeweilige Klasse zu erteilen, wenn der Bewerber seinen ordentlichen Wohnsitz i.S.d. Art. 12 der Richtlinie 2006/126/EG des Europäischen Parlamentes und des Rates vom 20.12.2006 über den Führerschein im Inland hat.
Rz. 207
Gem. § 7 Abs. 1 FeV darf eine Fahrerlaubnis nur erteilt werden, wenn der Bewerber seinen ordentlichen Wohnsitz in der Bundesrepublik Deutschland hat. Dies wird dann angenommen, wenn der Bewerber mindestens 185 Tage im Jahr im Inland gewohnt hat.
Inhaber einer ausländischen Fahrerlaubnis ohne deutschen Wohnsitz dürfen im Umfang Ihrer Berechtigung im Inland Kraftfahrzeuge führen, wenn sie keinen deutschen Wohnsitz haben, § 4 Abs. 1 IntKfzV.
Die maßgebende Richtlinie für Fragen bezüglich der im Ausland erworbenen Fahrerlaubnis ist die 3. EG-Führerscheinrichtlinie (Richtlinie 2006/126/EG v. 20.12.2006 über den Führerschein).
Rz. 208
Darüber hinaus sind in den §§ 28–31 FeV Sonderbestimmungen für Inhaber ausländischer Fahrerlaubnisse getroffen. Insbesondere § 28 Abs. 4 FeV ist hierbei zu beachten:
§ 28 Abs. 4 Nr. 2 FeV bestimmt eindeutig, dass die Berechtigung zum Führen von Kfz im Inland nicht gilt für Inhaber einer EU- oder EWR-Fahrerlaubnis, die zum Zeitpunkt der Erteilung der ausländischen Fahrerlaubnis ihren ordentlichen Wohnsitz im Inland hatten. Ebenso bestimmt § 28 Abs. 4 Nr. 3 FeV, dass die Berechtigung zum Führen von Kfz im Inland nicht gilt für Inhaber einer EU- oder EWR-Fahrerlaubnis, denen die Fahrerlaubnis vorläufig oder rechtskräftig von einem Gericht oder einer Verwaltungsbehörde entzogen worden ist.
Der Begriff des "Führerscheintourismus" bezieht sich auf die Fälle, in denen ein Kfz-Fahrer, dem z.B. wegen eines Alkoholdeliktes die Fahrerlaubnis entzogen worden ist, in einen anderen EU-Mitgliedstaat fährt, um dort eine Fahrerlaubnis zu erwerben, um diese neue Fahrerlaubnis dann in seinem "Heimatland" anerkennen zu lassen.
Bezüglich der Verpflichtung der EU-Mitgliedstaaten zur Anerkennung von Fahrerlaubnissen sind verschiedene Entscheidungen des EuGH von Bedeutung.
Rz. 209
Mit der Kapper-Entscheidung hat der EuGH am 29.4.2004 entschieden, dass jeder Mitgliedstaat grundsätzlich verpflichtet ist, Führerscheine, die in einem anderen EU-Staat ausgestellt worden sind, ohne weitere Prüfung anzuerkennen.
Mit Urt. v. 26.6.2008 hat der EuGH dann jedoch entschieden, dass es einem EU-Mitgliedstaat nicht verwehrt ist, in seinem Hoheitsgebiet die Fahrberechtigung nicht anzuerkennen, wenn feststeht, dass zum Zeitpunkt der Ausstellung des Führerscheins sein Inhaber auf den im Hoheitsgebiet des ersten Mitgliedstaates eine Maßnahme des Entzugs einer früheren Fahrerlaubnis angewandt worden ist, seinen ordentlichen Wohnsitz nicht im Hoheitsgebiet des Ausstellermitgliedstaates hatte. Mithin ist durch diese Entscheidung des EuGH vom 26.6.2008 der "Führerscheintourismus" erschwert worden.
Die 2. EU-Führerscheinrichtlinie ist mit Wirkung vom 19.1.2013 aufgehoben worden, so dass seit dem 19.1.2013 nur noch die 3. Europäische Führerscheinrichtlinie gilt.
Aufgrund des Urt. des EuGH v. 26.4.2012 gelten die vom EuGH seit der Kapper-Entscheidung v. 29.4.2004 entwickelten Grundsätze auch für die 3. Führerscheinrichtlinie.
Mit Entscheidung v. 23.4.2015 hat der EuGH klargestellt, dass die Befugnis aus Art. 11 Abs. 4 der 3. Führerscheinrichtlinie den Behörden des Aufenthaltsstaates die Befugnis zur Nichtanerkennung einer EU-Fahrerlaubnis einräumt.
Weiter hat der EuGH mit Urt. v. 21.5.2015 hervorgehoben, dass eine isolierte Sperrfrist (siehe § 28 Abs. 4 Nr. 3, 4 FeV) als Einschränkung, Aussetzung oder Entzug der Fahrerlaubnis zu verstehen ist, mit der Folge, dass sie der Anerkennung der Gültigkeit jedes von einen anderen Mitgliedstaat vor Ablauf des Zeitraums ausgestellten Führerscheins entgegensteht. Wenn also eine EU-Fahrerlaubnis vor Ablauf einer Sperrfrist, die durch ein inländisches Gericht verhängt worden ist, wieder erteilt wird, dann besteht nach Art. 11 Abs. 4 der 3. Führerscheinrichtlinie keine Pflicht zur Anerkennung des EU-Führerscheins. Das gilt auch für den Fall, dass gegen den Fahrerlaubnisinhaber ein Fahrverbot verhängt worden ist und er in einem anderen EU-Land einen Führerschein erteilt bekommt.
Rz. 210
Mit Datum vom 25.2.2010 hat zudem das BVerwG zu der Frage, der Anerkennung eines ausländischen EU-Führerscheins durch die deutschen Fahrerlaubnisbehörden entschieden, dass die deutschen Fahrerlaubnisbehörden dem Inhaber eines EU-Führerscheins das Recht entziehen können, von dieser Fahrerlaubnis im deutschen Bundesgebiet Gebrauch zu...