Entscheidungsstichwort (Thema)

Zur Umgehung der inländischen wie der in den jeweiligen Mitgliedsstaaten zu erfüllenden Anforderungen an den Wiedererwerb der Fahrerlaubnis bei Eignungszweifeln. rechtliche Mängel des sog. „Führerscheintourismus”

 

Leitsatz (amtlich)

Bestehen im Inland durchgreifende, nicht ausgeräumte Zweifel an der Fahreignung und hat der Inhaber der ausländischen Fahrerlaubnis zum Zeitpunkt des Erwerbs der ausländischen Fahrerlaubnis weder den Wohnsitz in diesen EU-Staat verlegt noch dort die im Inland bestehenden Zweifel an seiner Fahreignung vor Erwerb der ausländischen Fahrerlaubnis kundgetan und sich dem dortigen Verfahren zur Klärung von Eignungszweifeln unterzogen, ist die deutsche Fahrerlaubnisbehörde auch nicht europarechtlich daran gehindert, dem in ihrem Zuständigkeitsbereich wohnenden Fahrerlaubnisinhaber die ausländische Fahrerlaubnis für die Nutzung in der Bundesrepublik Deutschland abzuerkennen, um damit den unter der Bezeichnung „Führerscheintourismus” virulenten Missbrauch durch Umgehung der inländischen wie der in den jeweiligen Mitgliedsstaaten zu erfüllenden Anforderungen im Sinne von Art. 7 Abs. 1 a) Richtlinie 91/439/EWG an die Wiedererteilung einer im Hinblick auf Eignungszweifel einmal entzogenen Fahrerlaubnis entgegenzuwirken.

 

Normenkette

Richtlinie 91/439/EWG Art. 8 Abs. 2; VwGO § 80 Abs. 2, 4; StVG § 3 Abs. 1 S. 2, Abs. 3; FeV § 11 Abs. 8, § 46 Abs. 1

 

Nachgehend

OVG des Saarlandes (Beschluss vom 03.07.2008; Aktenzeichen 1 B 238/08)

 

Tenor

Prozesskostenhilfe wird nicht bewilligt.

Der Antrag wird abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens trägt der Antragsteller.

Der Streitwert wird auf 2.500,– Euro festgesetzt.

 

Gründe

Der Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs des Antragstellers gegen die Verfügung des Antragsgegners vom 13.03.2008, durch die dem in der Bundesrepublik Deutschland wohnenden Antragsteller das Recht aberkannt wurde, in der Bundesrepublik Deutschland von der von ihm in der Tschechischen Republik erworbenen Fahrerlaubnis Gebrauch zu machen und ihm unter Androhung der zwangsweisen Einziehung aufgegeben wurde, den in Tschechien ausgestellten Führerschein nach Zustellung zwecks Eintragung des Aberkennungsvermerkes beim Antragsgegner abzugeben, ist zulässig, insbesondere statthaft gem. § 80 Abs. 5 i. V. m. § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO, hat aber in der Sache keinen Erfolg.

Zunächst hat der Antragsgegner die Anordnung der sofortigen Vollziehung in einer den Formerfordernissen des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO genügenden Weise damit begründet, dass ein Abwarten bis zur Ausschöpfung des Instanzenweges den Vollzug des Untersagungsbescheides auf unabsehbare Zeit vereiteln würde und der Antragsteller hierdurch weiterhin die Möglichkeit besäße, trotz seiner jedenfalls für die Bundesrepublik Deutschland nicht nachgewiesenen Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen am öffentlichen Verkehr teilzunehmen.

Die vom Gericht in der Sache zu treffende Entscheidung nach § 80 Abs. 5 VwGO richtet sich danach, ob das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung der angegriffenen behördlichen Verfügung gegenüber dem Interesse des Antragstellers an der Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung des von ihm eingelegten Rechtsbehelfs schwerer wiegt (§ 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO). Im Rahmen dieser vom Gericht vorzunehmenden Interessenabwägung sind die Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs zu berücksichtigen. Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs ist in der Regel abzulehnen, wenn der Rechtsbehelf nach dem zum Entscheidungszeitpunkt gegebenen Erkenntnisstand aller Voraussicht nach erfolglos bleiben wird; bei offensichtlichen Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs überwiegt demgegenüber regelmäßig das Aussetzungsinteresse des Antragstellers. Ist die Hauptsache als offen zu bewerten, hat das Gericht die widerstreitenden Interessen gegeneinander abzuwägen.

Hiervon ausgehend, kann der Antragsteller die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seines Widerspruchs nicht beanspruchen, da die Rechtmäßigkeit der Verfügung im Rahmen der im vorliegenden Verfahren allein möglichen summarischen Überprüfung der Rechtslage im Ergebnis keinen durchgreifenden Zweifeln unterliegt.

Rechtsgrundlage für die mit Bescheid vom 13.08.2008 durch den Antragsgegner erfolgte Aberkennung des Rechts, von der von dem Antragssteller erworbenen tschechischen Fahrerlaubnis im Bundesgebiet Gebrauch machen zu dürfen, ist § 3 Abs. 1 Satz 2 StVG, weil die Voraussetzungen für eine Entziehung der Fahrerlaubnis i.S. v. § 3 Abs. 1 Satz 1 und 3 StVG i. V. m. § 46 Abs. 1 FeV vorliegen. Danach ist die Fahrerlaubnis zu entziehen, wenn sich deren Inhaber als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen erweist. Dies gilt insbesondere, wenn Erkrankungen oder Mängel nach den Anlagen 4, 5 oder 6 vorliegen oder erheblich oder wiederholt gegen verkehrsrechtliche Vorschriften oder Strafgesetze verstoßen wurde und dadurch die Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen ausgeschlossen ist. Gemäß Ziffer 9.1 ...

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