André Schah-Sedi, Dr. Michael Nugel
Rz. 31
Bei sog. Kennzeichenanzeigen kommt es darauf an, ob der Betroffene anhand der Beweisfotos, z.B. anhand eines Radarfotos, identifiziert werden kann oder aber nicht. Hierbei spielt oftmals die Qualität des in den Akten enthaltenen Beweisfotos eine entscheidende Rolle.
Es ist unzulässig, die Identifizierung des Betroffenen durch einen Polizeibeamten oder aber durch einen ersuchten Richter vornehmen zu lassen. Es ist vielmehr Aufgabe des Tatrichters darzulegen, dass und warum er das zugrunde liegende Beweisfoto für eine Identitätsfeststellung für tauglich erachtet.
Der Tatrichter kann in den Urteilsgründen auf die in der Akte befindlichen Lichtbilder gem. § 267 Abs. 1 S. 3 StPO verweisen.
Wenn der Tatrichter in seinem Urteil lediglich darauf hinweist, dass die Fahrereigenschaft des Betroffenen auf den in Augenschein genommenen Lichtbildern beruht, reicht dies jedoch nicht aus.
Der Tatrichter kann in seinem Urteil auch auf ausgedruckte Videobilder Bezug nehmen, er muss dies jedoch deutlich und unmissverständlich in seinem Urteil zum Ausdruck bringen.
Wenn der Tatrichter in seinem Urteil auf eine Abbildung verweist, die sich in den Akten befindet, so muss er eindeutig und vor allem zweifelsfrei erkennen lassen, dass diese Abbildung Bestandteil seiner Urteilsgründe ist.
Rz. 32
Im Rahmen der polizeilichen Fahreridentifizierung sind zusätzlich datenschutzrechtliche Bestimmungen, insbesondere bei der Auswertung von Vergleichsfotos, wie z.B. des Personalausweises bei der Meldebehörde, zu beachten. Grundsätzlich ist die Polizei zur vergleichenden Auswertung von Fotos von der Meldebehörde erst berechtigt, wenn sie andere angemessene Ermittlungen vergeblich angestellt hat.
Die h.M. in der Rechtsprechung sieht jedoch in einem etwaigen Verstoß gegen solche datenschutzrechtlichen Vorschriften kein Verwertungsverbot.
Ergeben sich nach Auswertung des in der Akte befindlichen Beweisfotos Zweifel an der Fahreridentität, ist es ratsam für den Verteidiger einen Beweisantrag auf Einholung eines anthropologischen Sachverständigengutachtens zu stellen.
Im Rahmen eines solchen anthropologischen Sachverständigengutachtens werden bestimmte morphologische Merkmale des auf den Lichtbildern dargestellten Fahrers mit entsprechenden morphologischen Merkmalen des Tatverdächtigen verglichen.
Im Rahmen eines solchen morphologischen Sachverständigengutachtens gibt der Sachverständige dann anhand einer abgestuften Wahrscheinlichkeitsskala an, wie wahrscheinlich die Fahreridentität des Betroffenen ist.
Will der Tatrichter seine Verurteilung auf ein solches morphologisches Sachverständigengutachten stützen, muss er die Endprüfungstatsachen, die daraus gezogenen Schlussfolgerungen unter Bezugnahme auf ein solches morphologisches Gutachten in seinem Urteil wiedergeben, so dass dem Rechtsbeschwerdegericht es ermöglicht wird, die Nachprüfung des Urteils vorzunehmen.