André Schah-Sedi, Dr. Michael Nugel
Rz. 75
Es gilt das Opportunitätsprinzip.
Täter bzw. Betroffener kann grds. jede natürliche Person sein und gem. § 9 OWiG auch jemand, der als vertretungsberechtigtes Organ einer juristischen Person oder als Mitglied eines solchen Organs als vertretungsberechtigter Gesellschafter oder als gesetzlicher Vertreter eines anderen handelt. Gleiches gilt gem. § 14 OWiG für die Beteiligung an einer Ordnungswidrigkeit.
Die Bußgeldbemessung erfolgt nach der BKatV und dem hierzu geltenden Bußgeldkatalog. Dieser ist nicht verbindlich, jedoch im Interesse der Gleichbehandlung als Orientierungshilfe zu beachten.
a) Entscheidung im schriftlichen Verfahren gem. § 72 OWiG
Rz. 76
Gem. § 72 OWiG kann das Gericht im schriftlichen Verfahren durch Beschluss die Ordnungswidrigkeitenangelegenheit entscheiden. Gem. § 72 Abs. 1 OWiG ist erforderlich, dass der Betroffene und die Staatsanwaltschaft dem Beschlussverfahren nicht widersprechen.
Das Gericht kann lediglich gegen den Widerspruch des Betroffenen im Beschlusswege entscheiden, wenn es den Betroffenen freispricht.
Gem. § 72 Abs. 3 S. 2 OWiG darf das Gericht von der im Bußgeldbescheid getroffenen Entscheidung nicht zum Nachteil des Betroffenen abweichen, so dass das Verbot der Schlechterstellung gilt.
Gem. § 72 Abs. 6 OWiG kann im Beschlussverfahren von einer Begründung der Entscheidung des Gerichtes abgesehen werden, wenn die Verfahrensbeteiligten hierauf verzichtet haben.
Rz. 77
Für den Verteidiger ist in einer Ordnungswidrigkeitenangelegenheit von Bedeutung, dass er einer Entscheidung im schriftlichen Verfahren unter der Bedingung, z.B. dass das Bußgeld herabgesetzt wird oder aber dass ein Fahrverbot aufgehoben wird, zustimmt, so dass der Verteidiger praktisch "eine Anfrage zu einem Vergleich" stellen kann, um so zu sehen, wie das erkennende Gericht in dieser Sache mutmaßlich entscheiden wird.
Durch die Entscheidung im schriftlichen Verfahren kann z.B. eine umfangreiche Beweisaufnahme oder die Einholung eines Sachverständigengutachtens vermieden werden. Ebenso empfiehlt sich eine Entscheidung im schriftlichen Verfahren nach § 72 OWiG bei weiter entfernten Gerichtsterminen in Bezug auf den eigenen Kanzleisitz.
Gem. § 72 Abs. 1 S. 2 OWiG weist das Gericht den Betroffenen vor einer Entscheidung im Beschlusswege auf die Möglichkeit eines solchen Verfahrens und des Widerspruchs hin und gibt dem Betroffenen die Gelegenheit, sich innerhalb von 2 Wochen ab Zustellung des Hinweises zu äußern.
Der Verteidiger muss jedoch berücksichtigen, dass gegen eine Entscheidung im schriftlichen Verfahren, also durch Beschluss, nur eingewandt werden kann, es sei unzulässig gewesen im Beschlusswege zu entscheiden. Mit einer etwaigen Rechtsbeschwerde kann die Verurteilung als solches nicht angegriffen werden.
b) Verjährung
Rz. 78
Die Verjährung einer Ordnungswidrigkeit bestimmt sich gem. § 31 Abs. 2 OWiG nach der Höhe des angedrohten Bußgeldes. Gem. § 31 Abs. 2 Nr. 3, Nr. 4 OWiG verjähren Ordnungswidrigkeiten, die mit einer Geldbuße von nicht mehr als 1.000 EUR bedroht sind, in 6 Monaten.
Gem. § 26 Abs. 3 StVG gilt jedoch für den Bereich der Ordnungswidrigkeiten nach § 24 StVG, dass die Frist der Verfolgungsverjährung 3 Monate beträgt, solange wegen der Handlung weder ein Bußgeldbescheid ergangen noch öffentliche Klage erhoben ist; danach beträgt die Frist der Verfolgungsverjährung 6 Monate.
Nach Erlass des Bußgeldbescheides beträgt die Verjährungsfrist gem. § 26 Abs. 3, Abs. 2 StVG 6 Monate. Die Verjährung wirkt hierbei unter der Voraussetzung, dass der Bußgeldbescheid innerhalb der Zweiwochenfrist wirksam zugestellt wird, auf den Erlasszeitpunkt zurück, vgl. § 33 Abs. 1 Nr. 9 OWiG.
Rz. 79
Der reine Wortlaut des § 26 Abs. 3 StVG stellt lediglich auf den Erlass des Bußgeldbescheides ab, nicht jedoch auf die wirksame Zustellung des Bußgeldbescheides innerhalb der Zweiwochenfrist des § 33 Abs. 1 Nr. 9 OWiG.
Nach Auffassung des BGH hat der Gesetzgeber es jedoch versäumt, § 26 Abs. 3 Hs. 2 StVG i.S.d. § 33 Abs. 1 Nr. 9 OWiG zu ändern.
Alkohol- und Drogenordnungswidrigkeiten gem. § 24a StVG sind in § 26 Abs. 3 StVG nicht genannt, so dass sich die Verjährung bei Alkohol- und Drogenordnungswidrigkeiten nach § 24a StVG nach den allgemeinen Regeln des § 31 OWiG bestimmt.
Rz. 80
Da es sich bei der Verfolgungsverjährung um ein formell-rechtliches Verfahrenshindernis handelt, muss das Gericht im Falle der Verjährung das Verfahren einstellen.
Im Rahmen der Beurteilung der Verfolgungsverjährung sind die Unterbrechungstatbestände des § 33 Abs. 1 OWiG von Bedeutung.
§ 33 Abs. 1 Nr. 1–15 OWiG enthält eine Aufzählung von verschiedenen Unterbrechungshandlungen.
Gem. § 33 Abs. 1 Nr. 1 OWiG wird die Verfolgungsverjährung durch die erste Vernehmung des Betroffenen, die Bekanntgabe, dass gegen ihn das Ermittlungsverfahren eingeleitet ist oder die Anordnung dieser Vernehmung oder Bekanntgabe...