André Schah-Sedi, Dr. Michael Nugel
Rz. 339
Gesetzliche Grundlage des Schmerzensgeldanspruchs ist die Vorschrift des § 253 BGB..
aa) Faktoren der Schmerzensgeldbemessung
Rz. 340
Bei der Bemessung des Schmerzensgeldanspruchs sind Ausgleichs- und Genugtuungsfunktion des Schmerzensgeldes zu beachten. Ein Schmerzensgeld als angemessener Ausgleichsbetrag muss deshalb unter Berücksichtigung der Ausgleichs- und Genugtuungsfunktion für jeden einzelnen Fall durch Würdigung und Abwägung aller ihn prägenden Umstände gewonnen werden. Die Höhe des zuzubilligenden Schmerzensgeldes hängt entscheidend vom dem Maß der durch das haftungsbegründende Ereignis verursachten körperlichen und seelischen Beeinträchtigungen des Geschädigten ab, soweit diese bei Schluss der mündlichen Verhandlung bereits eingetreten sind oder zu diesem Zeitpunkt mit ihnen als künftiger Verletzungsfolge ernstlich gerechnet werden muss. Das auf diese Weise gewonnene Ergebnis ist anschließend im Hinblick auf den Gleichheitsgrundsatz anhand von in sog. Schmerzensgeldtabellen erfassten Vergleichsfällen zu überprüfen.
Eine Reduzierung des Schmerzensgeldes auf eine symbolhafte Entschädigung, etwa bei einem schweren Hirnschaden, der zum weitgehenden Verlust der Wahrnehmungs- und Empfindungsmöglichkeit führt, findet nicht statt.
bb) Schmerzensgeld und Mitverschulden
Rz. 341
Ein etwaiges Mitverschulden muss der Verletzte sich gem. § 254 BGB auf seinen Schmerzensgeldanspruch anrechnen lassen. Es erfolgt jedoch keine quotenmäßige Kürzung. Vielmehr wird das Schmerzensgeld bemessen unter Berücksichtigung des Mithaftungsanteils.
cc) Schmerzensgeldtabellen
Rz. 342
Bei der Bestimmung des Schmerzensgeldanspruchs ist die Orientierung an Schmerzensgeldtabellen zu empfehlen. Bei Schmerzensgeldtabellen ist jedoch zu beachten, dass die dort aufgeführten Entscheidungen regelmäßig älter sind mit der Folge, dass der dort genannte Betrag an die Geldentwertung anzupassen ist.
Diskutiert wird auch eine taggenaue Berechnung eines Schmerzensgeldes: Hierbei wird insbesondere die Art der Behandlung (Krankenhaus, Reha) und der Dauer der Beeinträchtigung bemessen, um eine angemessene und vergleichbare Entschädigung zu errechnen. Dieser Berechnung werden wiederum Werte zugrunde gelegt, die dem "Handbuch Schmerzensgeld" zugrunde gelegt sind. Darin wird zunächst davon ausgegangen, dass eine taggenaue Berechnung des Schmerzensgeldes insoweit möglich ist, als die unterschiedlichen Behandlungsstufen und Stufen der Schadensfolgen berücksichtigt werden können. Dafür sind wiederum entsprechende Zeitabschnitte maßgeblich. Aktuell werden die aus diesem Buch ersichtlichen Werte als einer von vielen Bezugspunkten herangezogen: Bei der Bemessung von Schmerzensgeld sind – neben allen anderen, insbesondere auch individuellen Gesichtspunkten – nach einer Ansicht in der Rechtsprechung diese Grundsätze der taggenauen Schmerzensgeldberechnung im Rahmen einer Plausibilitätskontrolle zu berücksichtigen, gerade um die Belastung durch dauerhafte Beeinträchtigungen abzubilden. Abschließend ist zu prüfen, ob das Schmerzensgeld insgesamt – auch im Hinblick auf bestehende Risiken und zukünftige Entwicklungen – angemessen erscheint.
Eine solche taggenaue Berechnung des Schmerzensgeldes mit einem fiktiven Einkommen und einem ebenso fiktiven Anteil von wenigen Prozenten nebst Zu- und Abschlägen überzeugt allerdings nach h.M. in der Rechtsprechung nicht und vermittelt nur eine Scheingenauigkeit, während die gebotene Einzelfallbetrachtung zu kurz kommt.
dd) Schmerzensgeld bei baldigem Tod des Opfers
Rz. 343
Bei der Bemessung des Schmerzensgeldes in Fällen weitergehender Zerstörung der Persönlichkeit des Opfers ist die Dauer des Zustandes zu berücksichtigen.
Rz. 344
Als Bemessungskriterien für Schmerzensgeld bei baldigem Tod sind anzuführen
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Schwere der Verletzungen |
▪ |
Leiden (Schmerzen) und deren Dauer |
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das Ausmaß der Wahrnehmung der Beeinträchtigung der Verletzten und |
▪ |
das Verschulden des Schädigers. |
An den vorgenannten Kriterien sind die Voraussetzungen und die Höhe des Schmerzensgeldes bei baldigem Tod zu orientieren.
ee) Schmerzensgeldhöhe und Regulierungsverhalten
Rz. 345
Eine verzögerte Regulierung kann zu einer Erhöhung des Schmerzensgeldanspruchs führen. Eine solche Erhöhung dann scheidet jedoch dann aus, wenn die Haftung dem Grunde nach streitig und vorab zu klären ist.
ff) Kapital oder Rente
Rz. 346
Schmerzensgeld wird regelmäßig geleistet in Form einer einmaligen Geldzahlung. Eine Schmerzensgeldrente kommt lediglich in Ausnahmefällen bei schwersten, voraussichtlich lebenslangen Dauerschäden in Betracht, die der Geschädigte immer wieder als besond...