Leitsatz
Mandanten wünschen sich schnelle und erfolgreiche Bearbeitung auch bei komplexen Fällen. Doch auch wenn es nervlich aufreibend zugeht in einem Rechtsstreit und der Anwalt Fehler macht, kann mit Hinweis auf falsche Beratung selten Schmerzensgeld gefordert werden.
Sachverhalt
Die Klägerin und ihr Ehemann hatten bis 30.11. 2004 ein Einfamilienhaus gemietet. Am 26.12.2002 spielten ihre damals 5-jährigen Zwillingssöhne mit brennenden Wunderkerzen, wodurch das Haus in Brand geriet und nicht mehr bewohnbar war. Die Vermieterin lastete den Brand der Klägerin an und verlangte, die Miete weiterzuzahlen. Hierauf ersuchten die Eheleute die später beklagten Rechtsanwälte um Rechtsauskunft.
Die Anwälte vertraten die Eheleute in dem von der Vermieterin angestrengten Verfahren auf Zahlung der Miete. Am 25.6.2003 kündigten die Eheleute das Mandat, weil der Anwalt sie grob fehlerhaft beraten habe. Er habe erklärt, die private Haftpflichtversicherung müsse für das Schadensereignis nicht einstehen, wenn sich erweise, dass die Eheleute oder deren Kindermädchen den Brand grob fahrlässig mit verursacht hätten. Die Eheleute haben aufgrund der Beratung damit gerechnet, den Wiederaufbau des zerstörten Hauses aus eigenen Mitteln i.H.v. 600000 EUR übernehmen zu müssen. Die Ehefrau machte, letztendlich erfolglos in allen Instanzen, aus eigenem sowie aus abgetretenem Recht ihres Ehemanns Schmerzensgeld wegen der fehlerhaften Beratung geltend.
Sie und ihr Ehemann hätten sich im Anschluss an den Brand in Dauerpanik und seelischer Auflösung im Sinn einer posttraumatischen Belastungsstörung befunden. Hierfür seien die sie belastenden gänzlich unvertretbaren Rechtsauskünfte mitursächlich gewesen. Wegen ihrer Gesundheitsbeeinträchtigung stehe ihr, der Klägerin, ein Schmerzensgeld von mindestens 4000 EUR zu; für ihren Ehemann sei ein Betrag von mindestens 2000 EUR anzusetzen.
Der betroffene Anwalt hatte den Mandanten wirklich nachweisbar eine falsche Auskunft gegeben und damit gegen die anwaltliche Beratungspflicht verstoßen. Der BGH hat aber entschieden, dass dieser Fehler zumindest im konkreten Fall keinen Schmerzensgeldanspruch gem. § 253 BGB rechtfertigt:
- Grundsätzlich schließt die vertragliche Haftung des Rechtsanwalts aus § 675 Abs. 1 i.V.m. § 280 BGB einen Anspruch auf eine billige Entschädigung in Geld (= Schmerzensgeld) mit ein.
- Schlaf- und Mutlosigkeit, Erschöpfungszustände, Dauerpanik können durch eine falsche Beratung (mit-)verursacht oder sogar ausgelöst werden.
- Dem Anspruchsgegner darf ein Schaden aber nur zugerechnet werden, der innerhalb des Schutzbereichs der verletzten Norm eingetreten ist. Dies gilt auch im Vertragsrecht.
Der Berater haftet vertraglich nur für die die Nachteile, zu deren Abwendung er die aus dem Mandat folgenden Pflichten übernommen hat, also aus dem Ziel, das der Mandant mit der Beauftragung verfolgt (hier Wahrnehmung der vermögensrechtlichen Interessen, Abwehr von Schadensersatzansprüchen bzw. Mietzahlungsansprüchen).
Die Schlechterfüllung eines Anwaltsvertrags, der nicht den Schutz der Rechtsgüter gem. § 253 Abs. 2 BGB (immaterielle Schäden, Gesundheit etc.) zum Gegenstand hat, kann nicht Grundlage eines Schmerzensgeldanspruchs sein.
Link zur Entscheidung
BGH, Urteil v. 9.7.2009, IX ZR 88/08.