Peter Houben, Dr. Stephan Karlsfeld
Rz. 144
Klagen auf Zahlung des Arbeitsentgelts müssen zunächst die Anspruchsgrundlage erkennen lassen und hinreichend bestimmt sein. Haben die Parteien, wie regelmäßig, eine Abrede über die Zahlung eines Bruttoentgelts getroffen, schuldet der Arbeitgeber die Zahlung dieses bestimmten Bruttobetrages (vgl. BAG v. 7.3.2001 – GS 1/00; BAG v. 30.4.2008 – 5 AZR 725/07; BAG v. 6.5.2009 – 10 AZR 834/08, EzA § 850 ZPO 2002 Nr. 1; BAG v. 21.12.2016 – 5 AZR 273/16 Rn 17, EzA § 611 BGB 2002 Nettolohn, Lohnsteuer Nr. 7; vgl. auch GK-ArbGG/Schütz, § 46 Rn 87 m.w.N.). Verlangt die Arbeitnehmerseite eine Nettozahlung, trägt sie die Darlegungs- und Beweislast für eine Nettolohnvereinbarung. Auch bei Fehlen einer Nettolohnvereinbarung steht das Bestimmtheitserfordernis des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO einer Klage auf den Nettobetrag nicht grundsätzlich entgegen (BAG v. 26.2.2003 – 5 AZR 223/03, EzA § 4 TVG Ausschlussfristen Nr. 163; BAG v. 21.9.2011 – 5 AZR 629/10, EzA § 612 BGB 2002 Nr. 11; anders noch BAG v. 18.1.2000 – 9 AZR 122/95 und Ziemann, ArbRB 2001, 92, 93). Der Kläger muss aber die Merkmale für die Berechnung der Lohnsteuer und der Sozialversicherungsbeiträge in seiner Klage angeben. Zu empfehlen ist dieser Weg wegen der sich regelmäßig ergebenden steuerrechtlichen Probleme und der erforderlichen Berechnung der Abzüge allerdings nicht (GK-ArbGG/Schütz § 46 Rn 89).
Ob und in welcher Höhe Steuern und Sozialabgaben zu zahlen sind, lässt sich sicher erst im Auszahlungszeitpunkt erkennen, also nach Abschluss des gerichtlichen Erkenntnisverfahrens. Die Gerichte für Arbeitssachen können aber gar nicht mit Bindung für die Steuerbehörden und Finanzgerichte, also auch die Sozialversicherungsträger, festlegen, ob ein Betrag abgabenpflichtig ist oder nicht, also "brutto" oder "netto" auszuzahlen ist. Deshalb wird vertreten, die Klage sei lediglich auf Zahlung eines bestimmten Geldbetrags zu richten, der entweder dem Brutto- oder dem Nettobetrag entspricht (vgl. auch Ziemann, ArbRB 2001, 92/93 m.w.N.).
In der Praxis hat sich aber sowohl bei der Formulierung des Klageantrags als auch in der Tenorierung der entsprechende Zusatz ("brutto" oder "netto") zu Recht durchgesetzt. Denn der Zusatz "brutto" in einem den Arbeitgeber zur Zahlung von Arbeitsentgelt verpflichtenden Urteilstenor verdeutlicht lediglich, was von Gesetzes wegen gilt: Der Arbeitgeber muss als ihm obliegende öffentlich-rechtliche Verpflichtung die Einkommensteuer, die als Lohnsteuer durch Abzug vom Arbeitsentgelt erhoben wird (§ 38 Abs. 1 S. 1 EStG), für Rechnung des Arbeitnehmers bei jeder Entgeltzahlung einbehalten (§ 38 Abs. 3 S. 1 EStG) und den Gesamtsozialversicherungsbeitrag an die Einzugsstelle abführen, § 28e Abs. 1 S. 1 SGB IV (vgl. auch BAG v. 21.12.2016 – 5 AZR 273/16, NZA 2017, 449). Dadurch wird dem Arbeitnehmer auch nicht unzulässigerweise ein Anspruch auf Erhalt auch der gesetzlichen Abzüge zuerkannt. Denn ein zur Zahlung von Bruttoarbeitsentgelt verpflichtendes Urteil ist nicht auf eine Auszahlung von Steuern und Beiträgen an den Arbeitnehmer gerichtet, sondern nur auf deren Einbehalt und Abführung. Versucht der Gerichtsvollzieher, den vollen ausgeurteilten (Brutto-)Betrag zu vollstrecken, kann der Arbeitgeber durch Vorlage entsprechender Quittungen oder Überweisungsnachweise die Abführung von Lohnsteuer an das Finanzamt und des Arbeitnehmeranteils am Gesamtsozialversicherungsbeitrag an die Einzugsstelle nachweisen und so die Einstellung der Zwangsvollstreckung nach § 775 Nr. 4 bzw. Nr. 5 ZPO erreichen (BAG, a.a.O).
Rz. 145
Im Klageantrag müssen die verlangten Zahlungen kalendermäßig bezeichneten Zeiträumen zugeordnet sein. Das gilt nicht nur für die laufende Vergütung, sondern auch für Urlaubsentgelt, Lohnfortzahlung etc. Hier sind die einzelnen Tage zu bezeichnen wegen der Rechtskraftwirkung (vgl. auch dazu Ziemann, ArbRB 2001, 92/94).
Rz. 146
Wird lediglich eine Teilklage erhoben, muss in der Klageschrift unmissverständlich angegeben werden, welcher Teil des Anspruchs rechtshängig gemacht werden soll (GK-ArbGG/Schütz, § 46 Rn 89). Es muss darüber hinaus deutlich werden, welchem Rechtsgrund und welchem Zeitraum der geltend gemachte Teilbetrag zugeordnet ist (BAG v. 29.8.2018 – 7 AZR 206/17, EzA § 38 BetrVG 2001 Nr. 13).
Rz. 147
Auch wenn die Arbeitsgerichte ausschließlich für Streitigkeiten aus dem Arbeitsverhältnis zuständig sind und damit auch Zahlungstitel erlassen, ist deren Vollstreckung den allgemeinen Zivilgerichten, also erstinstanzlich den Amtsgerichten, zugewiesen. Das gilt sowohl für die Gerichtsvollziehervollstreckung, die über die Gerichtsvollzieherverteilungsstelle des zuständigen Amtsgerichts zu veranlassen ist, als auch für andere Vollstreckungsmaßnahmen, Pfändungs- und Überweisungsbeschlüsse, Verhängung von Zwangsgeldern etc.
Einwendungen gegen den Zahlungsanspruch, z.B. die Arbeit, die vergütet werden soll, sei gar nicht erbracht worden, sind im Rechtsstreit über die Zahlung zu erheben. Treten die Tatsachen erst nach Rechtskraft des Zahlung...