Rz. 69

Im Rahmen einer anhängigen Kündigungsschutzklage hat der Arbeitnehmer die Möglichkeit, zu beantragen, dass das Arbeitsverhältnis durch ein Gestaltungsurteil gegen Zahlung einer Abfindung aufgelöst wird. Diese Möglichkeit sieht das KSchG aber nur für die Fälle vor, in denen der Arbeitnehmer entweder geltend macht, die Kündigung sei sozial ungerechtfertigt (§ 9 Abs. 1 S. 1 KSchG) oder sittenwidrig (§ 13 Abs. 2 KSchG) oder die außerordentliche Kündigung sei rechtsunwirksam (§ 13 Abs. 1 S. 3 KSchG). Wird die Rechtsunwirksamkeit ausschließlich aus anderen Rechtsgründen hergeleitet (z.B. unterbliebene Betriebsratsanhörung), kann die Auflösung des Arbeitsverhältnisses gegen Zahlung einer Abfindung nicht verlangt werden.

Der Arbeitgeber kann unter den Voraussetzungen des § 9 Abs. 1 S. 2 KSchG einen Auflösungsantrag stellen. Auf seinen Antrag wird das ArbG das Arbeitsverhältnis aber nur auflösen, wenn die fristgerechte Kündigung mangels sozialer Rechtfertigung unwirksam ist und Gründe vorliegen, die eine den Betriebszwecken dienliche weitere Zusammenarbeit zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer nicht erwarten lassen (Rdn 6).

Zum Auflösungszeitpunkt s. Rdn 77.

a) Auflösungsantrag des Arbeitnehmers

 

Rz. 70

Die Auflösungsentscheidung nach § 9 KSchG und die damit zusammenhängende Verurteilung des Arbeitgebers zur Zahlung einer angemessenen Abfindung setzt zunächst voraus, dass das Gericht zu der Feststellung gelangt, dass die Kündigung sozial ungerechtfertigt ist. Nur dann, wenn das Gericht zumindest auch die Sozialwidrigkeit der Kündigung feststellt, kann das Arbeitsverhältnis gegen Zahlung einer Abfindung aufgelöst werden. Ist die Kündigung sozial gerechtfertigt, aber aus anderen Gründen unwirksam, kommt eine Auflösung nach § 9 KSchG nicht in Betracht (BAG v. 28.8.2008, NZA 2009, 295; BAG v. 23.2.2010, NZA 2010, 1123). Nach der Rechtsprechung des BAG kann über den Kündigungsfeststellungs- und Auflösungsantrag nur einheitlich entschieden werden (BAG v. 4.4.1957 – 2 AZR 456/54, AP Nr. 1 zu § 301 ZPO; a.A. LAG Hamm v. 27.5.2013, ArbR 2013, 398).

Des Weiteren ist erforderlich, dass der Arbeitnehmer beantragt, das Arbeitsverhältnis gegen Zahlung einer Abfindung aufzulösen und er das damit begründet, die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses sei ihm nicht zuzumuten. Regelmäßig kommen nur solche Gründe in Betracht, die entweder in einem inneren Zusammenhang zu der vom Arbeitgeber erklärten sozialwidrigen Kündigung stehen oder die im Laufe des Rechtsstreits entstanden sind (s. Rdn 5).

 

Rz. 71

Muster 53.3: Auflösungsantrag des Arbeitsnehmers im Kündigungsschutzprozess

 

Muster 53.3: Auflösungsantrag des Arbeitsnehmers im Kündigungsschutzprozess

_________________________ wird beantragt,

1. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung der Beklagten vom _________________________ nicht aufgelöst ist;
2. das Arbeitsverhältnis zum _________________________ aufzulösen und die Beklagte zur Zahlung einer angemessenen Abfindung zu verurteilen.
 

Rz. 72

Die Angabe der Abfindungshöhe im Antrag ist nicht erforderlich, jedoch ratsam. Setzt das ArbG eine niedrigere Abfindung fest, so stellt bereits dies eine für die Einlegung der Berufung notwendige Beschwer dar. Häufig wird deshalb nicht nur in der Begründung des Antrages zur Abfindungshöhe vorgetragen, sondern ein "Vorschlag" in die Antragsformel etwa wie folgt aufgenommen:

 

Rz. 73

Muster 53.4: Auflösungsantrag des Arbeitsnehmers mit Vorschlag zur Abfindungshöhe

 

Muster 53.4: Auflösungsantrag des Arbeitsnehmers mit Vorschlag zur Abfindungshöhe

_________________________ wird beantragt,

1. _________________________
2. das Arbeitsverhältnis aufzulösen und die Beklagte zur Zahlung einer angemessenen Abfindung zu verurteilen, deren Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, die _________________________ EUR jedoch nicht unterschreiten sollte.
 

Rz. 74

Bei der Beurteilung der Unzumutbarkeit ist zwar kein vergleichbar strenger Maßstab anzulegen wie bei der außerordentlichen Kündigung nach § 626 BGB, andererseits reicht allein die Tatsache, dass eine sozial ungerechtfertigte Kündigung ausgesprochen wurde für den Auflösungsantrag nicht aus (vgl. APS/Biebl, § 9 KSchG Rn 33). Häufig ergeben sich Unzumutbarkeitsgründe gerade im Zusammenhang mit der Führung des Kündigungsschutzprozesses (vgl. BAG v. 10.6.2010 – 2 AZR 297/06). In Betracht kommen unzutreffende ehrverletzende Behauptungen über den Arbeitnehmer, Drohungen, Belästigungen oder Schikanen bei Rückkehr an den Arbeitsplatz.

b) Auflösungsantrag des Arbeitgebers

 

Rz. 75

Soweit der Arbeitgeber einen Antrag stellt, das Arbeitsverhältnis gegen Zahlung einer Abfindung aufzulösen, müssen nach § 9 Abs. 1 S. 2 KSchG Gründe vorgetragen werden, die eine den Betriebszwecken dienliche weitere Zusammenarbeit zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer nicht erwarten lassen. Von der Nichterwartbarkeit weiterer Zusammenarbeit ist auszugehen, wenn ein Auflösungsgrund gegeben ist und dieser unter Abwägung der beiderseitigen Interessen kein funktionsfähiges Arbeitsverhältnis mehr erwarten lässt (vgl. BAG v. 9.9.2010 – 2 AZR ...

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