Peter Houben, Dr. Stephan Karlsfeld
Rz. 120
Bedenkt man, dass das BAG den allgemeinen Weiterbeschäftigungsanspruch davon abhängig macht, ob vor dem Hintergrund des letztlich ungewissen Ausgangs des Kündigungsschutzprozesses das Beschäftigungsinteresse des gekündigten Arbeitnehmers oder das Nichtbeschäftigungsinteresse des Arbeitgebers überwiegt, wird eine Durchsetzung des allgemeinen Weiterbeschäftigungsanspruches im Wege einer einstweiligen Verfügung nur ausnahmsweise erfolgreich sein (vgl. Ostrowicz/Künzel/Scholz, Rn 836).
Rz. 121
In der Zeitspanne bis zu einem Urteil in der ersten Instanz kommt ein Verfügungsanspruch außer bei offensichtlich unwirksamer Kündigung nur in den seltenen Fällen in Betracht, in denen der Arbeitnehmer glaubhaft machen kann, dass ausnahmsweise sein Beschäftigungsinteresse dem Interesse des Arbeitgebers an der Nichtbeschäftigung vorgeht. Das ist etwa dann anzunehmen, wenn gravierende Eingriffe in die Persönlichkeitsrechte des Arbeitnehmers drohen, die über die Belastungen aus der vorübergehenden Nichtbeschäftigung als solche hinausgehen; zu denken ist an die sonst gefährdete Erhaltung und Sicherung der beruflichen Qualifikation (LAG Köln v. 26.11.1985 – 1 Sa 975/85, NZA 1986, 136). Hinzukommen muss ein Verfügungsgrund, der bei einer Fallgestaltung der zuletzt genannten Art allerdings indiziert sein dürfte (LAG Köln v. 26.1.1985 – 1 Sa 975/85, NZA 1986, 136).
Rz. 122
Obsiegt der Arbeitnehmer vor dem ArbG mit seinem Kündigungsschutz- und dem Weiterbeschäftigungsbegehren, ist die gleichwohl verweigerte Weiterbeschäftigung im Wege der Zwangsvollstreckung durchzusetzen. Die Vollstreckung erfolgt nach § 888 ZPO (BAG v. 15.4.2009 – 3 AZB 93/08, NZA 2009, 917). Sie scheidet aus, wenn der Schuldner den Weiterbeschäftigungsanspruch nicht erfüllen kann, etwa weil der Arbeitsplatz ersatzlos weggefallen ist (LAG Schleswig-Holstein v. 12.12.2003, NZA-RR 2004, 408; LAG Düsseldorf v. 10.6.2016 – 10 Sa 614/15, AuA 2016, 690). Gegen den gerichtlich festgestellten Weiterbeschäftigungsanspruch kann der Arbeitgeber nach erfolgter, weiterer Kündigung nach seiner Wahl im Wege der Berufung oder nach § 769 ZPO mit einer Vollstreckungsgegenklage vorgehen (LAG Hamm v. 21.12.2010 – 18 Sa 1827/10)
Hat es der Arbeitnehmer versäumt, im Kündigungsschutzprozess den Weiterbeschäftigungsantrag zu stellen, wird sein Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung mangels Verfügungsgrundes keinen Erfolg haben, weil er mit der Wahrnehmung seines Anspruches auf Weiterbeschäftigung zu lange gewartet und so selbst widerlegt hat, dass ein Verfügungsgrund besteht (LAG Frankfurt am Main v. 22.3.1987, NZA 1988, 37; LAG München v. 17.12.2003, NZA-RR 2005, 312).