A. Einstweiliger Rechtsschutz im Urteilsverfahren
Rz. 1
Bei arbeitsrechtlichen Auseinandersetzungen, die sich ohne Weiteres über mehrere Jahre erstrecken können und deshalb ein ausreichender Rechtsschutz durch die lange Verfahrensdauer nicht gewährleistet ist, erklärt § 62 Abs. 2 S. 1 ArbGG für das gerichtliche Verfahren die Vorschriften der ZPO zum Arrest und zur einstweiligen Verfügung für anwendbar.
Rz. 2
§ 62 Abs. 2 S. 1 ArbGG regelt, dass im Urteilsverfahren auf den Arrest und die einstweilige Verfügung die Vorschriften des 8. Buches der ZPO (§§ 704 ff. ZPO) Anwendung finden.
Rz. 3
Sowohl das Arrest-, als auch das einstweilige Verfügungsverfahren können parallel zu einem laufenden Hauptsacheverfahren anhängig gemacht werden.
I. Arrest
Rz. 4
Im Zivilverfahren ist für die Anordnung des Arrestes gem. § 919 ZPO sowohl das Gericht der Hauptsache als auch das AG zuständig, in dessen Bezirk sich der mit Arrest zu belegende Gegenstand befindet.
Rz. 5
Im arbeitsgerichtlichen Verfahren ist das Gericht der Hauptsache das ArbG, welches auch im Hauptsacheverfahren die Entscheidung über das streitige Rechtsverhältnis zu treffen hätte. Entsteht während des Berufungsverfahrens ein Regelungsbedürfnis zum Erlass eines Arrestes, ist hierfür das LAG gem. § 943 Abs. 1 ZPO zuständig. Eine Zuständigkeit des AG der belegenen Sache besteht dagegen nicht. Infolge der Neufassung von § 48 ArbGG und des § 17a GVG durch das 4. VwGO-ÄnderungsG ab dem 1.1.1991 ist die Eilzuständigkeit des AG für arbeitsrechtliche Streitigkeiten nicht mehr begründet. Vereinzelt wird noch eine gegenteilige Auffassung vertreten. So hat das LG Fulda in seiner Entscheidung v. 18.8.1995 (1 S 90/95; NJW 1996, 265) ausgeführt, dass auch nach der Änderung des § 48 ArbGG eine Zuständigkeit des AG als Arrestgericht der belegenen Sache in Arbeitssachen angenommen werden könne. Diese Auffassung überzeugt jedoch nicht, da nach der Änderung der §§ 17 ff. GVG die Frage der Rechtswegzuständigkeit geklärt ist, für die Zuständigkeit des AG als Teil der Zivilgerichtsbarkeit verbleibt kein Raum (ebenso ErfK/Koch, § 62 ArbGG Rn 12; GMP/Schleusener, ArbGG, § 62 Rn 81; Korinth, Einstweiliger Rechtsschutz, C Rn 3).
Rz. 6
Gem. § 921 Abs. 1 ZPO kann über das Arrestgesuch ohne mündliche Verhandlung entschieden werden. Findet eine mündliche Verhandlung wegen der Dringlichkeit oder zur Erreichung eines effektiven Rechtsschutzes nicht statt, entscheidet der Vorsitzende allein durch Beschluss, § 922 Abs. 1 ZPO. Gegen den Beschluss, durch den der Arrest angeordnet wird, kann Widerspruch eingelegt werden, § 924 Abs. 1 ZPO. Durch die Erhebung des Widerspruches wird die Vollziehung des Arrestes nicht gehemmt, § 924 Abs. 3 S. 1 ZPO; das Gericht kann jedoch eine einstweilige Anordnung nach § 707 ZPO treffen. Über den Widerspruch entscheidet das ArbG in mündlicher Verhandlung durch Endurteil, hiergegen ist Berufungseinlegung möglich. Ein weiteres Rechtsmittel gegen die Entscheidung des LAG ist gem. § 72 Abs. 4 ArbGG nicht zulässig.
Rz. 7
Das Gericht kann den Antrag auf Erlass eines Arrestes durch Beschl. ohne mündliche Verhandlung zurückweisen, § 922 Abs. 1 ZPO; hiergegen kann die sofortige Beschwerde nach § 567 ZPO eingelegt werden.
Rz. 8
Gem. § 916 Abs. 1 ZPO hat sich der Arrest grds. auf eine Geldforderung zu beziehen oder einen Anspruch, der in eine Geldforderung übergehen kann (Arrestanspruch).
Rz. 9
Der Arrest ist nur zulässig, wenn ein Arrestgrund besteht. Gem. § 917 ZPO Abs. 1 findet der Arrest zur Sicherung der Zwangsvollstreckung statt. Ein Arrestgrund liegt vor, wenn die Besorgnis besteht, dass eine Urteilsvollstreckung ohne Arrestverhängung vereitelt oder wesentlich erschwert werden würde. In den Anwendungsbereich des Arrestes gehören hauptsächlich Vereitelungshandlungen des Schuldners, wie z.B. Beiseiteschaffen von Vermögen (vgl. LAG Köln v. 5.9.2018 – 2 Ta 165/18, juris; OLG Düsseldorf v. 18.6.1993 – 3 UF 192/ 92, NJW-RR 1994, 453 = FamRZ 1994, 114) oder ein häufiger Wechsel des Wohnsitzes (Zöller/Vollkommer, ZPO, § 917 Rn 5). Weiterhin kommen Straftaten des Schuldners in Betracht, wenn sie auf eine Vollstreckungsvereitelung hindeuten. So besteht regelmäßig ein Arrestgrund, wenn der Schuldner durch strafbare Handlung vorsätzlich das Vermögen des Gläubigers geschädigt hat (OLG München v. 13.10.2016 – 15 W 1709/16, juris; LAG Hamm v. 9.7.1998 – 7 Sa 733/98, LAGE § 917 ZPO Nr. 1; LAG Hessen v. 12.1.1965 – 5 Ta 1/65, NJW 1965, 989).
Rz. 10
Der Arrest soll den Gläubiger vor künftigen Verschlechterungen des Vollstreckungszugriffes schützen, sodass eine drohende Verschlechterung der Vermögenslage des Schuldners als Arrestgrund vorausgesetzt wird. Hieraus resultiert, dass eine unverändert schlechte Vermögenslage des Schuldners keinen Arrestgrund darstellt, da die Vermögensverschlechterung bereits eingetreten ist (BGH v. 19.10.1995 – IX ZR 82/94, DB 1996, 371 = NJW 1996, 321; Münch-Komm/Drescher, ZPO, § 917 Rn 5). Ebenso stellt die bloße Gläubigerkonkurrenz keinen Arrestgrund dar, weil durch den Arrest nicht die Lage des Gläubigers ggü. a...