Dr. iur. Andrea Wassermeyer, Nicolai Lasaroff
Rz. 357
Bzgl. der PKH bestehen keine Besonderheiten im arbeitsgerichtlichen Verfahren. Im Sinne einer guten umfassenden Beratung und Betreuung des Mandanten sollte jedoch gerade wenn der Rechtsuchende in einem Kündigungsschutzverfahren die Beendigung des Arbeitsverhältnisses anstrebt gegen Erhalt einer Abfindung unbedingt der Hinweis erfolgen, dass die ausgehandelte Abfindung i.R.d. PKH-Antrages dem Vermögen des Mandanten/des Antragstellers, hinzuzurechnen und daher zu berücksichtigen ist. Selbst wenn die PKH bereits bewilligt worden ist, kann eine Überprüfung der Vermögensverhältnisse des Mandanten auch zu einem späteren Zeitpunkt erfolgen. Gem. § 120 Abs. 4 ZPO kann das Gericht die Entscheidung über die zu leistenden Zahlungen oder die kostenfrei gewährte PKH ändern, wenn sich die für die PKH maßgebenden persönlichen oder wirtschaftlichen Verhältnisse wesentlich geändert haben. Dies kann längstens für die Dauer von 4 Jahren seit der rechtskräftigen Entscheidung oder sonstigen Beendigungen des Verfahrens erfolgen (§ 120 Abs. 4 S. 3 ZPO). Das BAG hat in seinem Beschl. v. 24.4.2006 (3 AZB 12/05, NZA 2006, 751 f.) entschieden, dass für die Beendigung des Arbeitsverhältnisses gezahlte Abfindungen Vermögen i.S.d. § 115 Abs. 3 ZPO sind. Da dem Arbeitnehmer durch den Verlust des Arbeitsplatzes typischerweise Kosten entstehen, ist es ihm i.d.R. nicht zumutbar, die gesamte Abfindung einzusetzen (ebenso LAG Nürnberg v. 7.1.2016 – 7 Ta 94/14).
Rz. 358
In der Praxis geschieht dies dann so, dass das Gericht einen Betrag festsetzt, mit dem sich die Partei an den Kosten des Verfahrens zu beteiligen hat, und diesen Betrag dann von der PKH-Liquidation des Bevollmächtigten abzieht.
Rz. 359
Bei der Gewährung von PKH ist darauf zu achten, dass bei dem Abschluss eines sog. Mehrvergleiches sich der Antrag auf Bewilligung der PKH auch auf den Mehrvergleich erstreckt (siehe hierzu auch Rdn 45 ff.). Bei der Mitwirkung des Anwaltes an der Protokollierung des Vergleiches werden unabhängig von der Beteiligung des Gerichtes an dessen Zustandekommen für den Gegenstand des Mehrvergleiches stets die Gebühr aus Nr. 1000 VV RVG sowie – falls der Anwalt in Bezug auf diese Gegenstände bereits zuvor mit der Vertretung in einem gerichtlichen Verfahren beauftrag war – eine ermäßigte Verfahrensgebühr fällig (LAG Düsseldorf v. 25.9.2014 – 5 Sa 273/14). Zudem erhält der Rechtsanwalt für den Mehrvergleich eine Einigungsgebühr nach Nr. 1000 VV RVG. Nach Nr. 1000 der Anlage 1 zum RVG beträgt die Einigungsgebühr grundsätzlich 1,5. Die erhöhte Gebühr soll einen Anreiz zur Vermeidung streitiger Entscheidungen setzen und damit zur Entlastung der Gerichte beitragen. Nach Nr. 1003 VV RVG ermäßigt sich die Gebühr auf 1,0, wenn über den Gegenstand der Einigung ein anderes gerichtliches Verfahren als ein selbstständiges Beweisverfahren anhängig ist. Dies gilt nach Abs. 1 der Anmerkung zu Nr. 1003 VV RVG u.a. auch, wenn in Bezug auf den Gegenstand ein Verfahren auf Bewilligung von PKH anhängig ist, soweit nicht lediglich PKH für die gerichtliche Protokollierung eines Vergleiches beantragt wird (LAG Düsseldorf v. 25.9.2014 – 5 Sa 273/14). Die Ausnahme der Nr. 1003 VV RVG ist ebenso wie die Rücknahme im letzten Halbsatz des Abs. 1 an den Tatbestand eines anhängigen gerichtlichen Verfahrens geknüpft. Einziges Unterscheidungskriterium für die Ausnahme ist, dass sich bei ihr der Antrag und damit das Verfahren lediglich auf die Protokollierung des Vergleiches beziehen dürfen. Das Wort "lediglich" bezieht sich nicht auf die Tätigkeit des Gerichts (Protokollierung), sondern auf den Antrag. Demgegenüber führt ein Antrag, der für den Gegenstand des Mehrvergleiches PKH zur Durchführung eines streitigen Verfahrens begehrt, zu einer Kürzung der Gebühr. In einem solchen Verfahren bedarf es der Prüfung der Erfolgsaussichten des Klagebegehrens, während PKH für die Protokollierung eines Vergleiches schon zu bewilligen ist, wenn zu erwarten ist, dass über den Gegenstand des Mehrvergleichs ein Vergleich zustande kommt (BAG v. 16.2.2012 – 3 AZB 34/11; LAG Düsseldorf v. 25.9.2014 – 5 Sa 273/14).
Unerheblich ist demnach, ob und in welchem Umfang das Gericht außerhalb eines anhängigen gerichtlichen Verfahrens über den Gegenstand des Vergleichs tatsächlich an dessen Zustandekommen mitgewirkt hat.
Bei der Mitwirkung des Anwalts an der Protokollierung des Vergleichs werden somit unabhängig von der Beteiligung des Gerichtes an dessen Zustandekommen für den Gegenstand des Mehrvergleiches stets die Gebühr aus Nr. 1000 VV RVG sowie – falls der Anwalt in Bezug auf diese Gegenstände bereits zuvor mit der Vertretung in einem gerichtlichen Verfahren beauftragt war – eine ermäßigte Verfahrensgebühr fällig (LAG Düsseldorf v. 25.9.2014 – 5 Sa 273/14; ebenso LAG Baden-Württemberg v. 27.4.2016 – 5 Ta 118/15; a.A. LAG München v. 2.11.2016 – 6 Ta 287/16).