Dr. iur. Andrea Wassermeyer, Nicolai Lasaroff
Rz. 360
Früher stand nach § 11a ArbGG neben der Möglichkeit der PKH eine Beiordnung des Anwalts, wenn die Partei außerstande war, ohne Beeinträchtigung des für sie und ihre Familie notwendigen Unterhaltes die Kosten des Prozesses zu bestreiten, und die nicht durch ein Mitglied oder einen Angestellten einer Gewerkschaft oder einer Vereinigung von Arbeitgebern vertreten werden konnte. Der Vorsitzende Richter hatte auf Antrag einen Anwalt beizuordnen, wenn die Gegenpartei (bereits) durch einen Anwalt vertreten war. Das Gericht hatte die nicht anwaltlich vertretene Partei auf dieses Antragsrecht hinzuweisen. § 11a ArbGG ist mit Wirkung zum 1.1.2014 grundlegend geändert worden. Nach neuem Recht kommt eine Anwaltsbeiordnung nur noch gemäß § 121 Abs. 2 ZPO in Betracht.
Rz. 361
PKH und die Möglichkeit der Beiordnung stehen nebeneinander, § 11a ArbGG ist ein Sonderfall im Bereich des Prozesskostenhilferechtes (GMPM, § 11a ArbGG Rn 1).
Wird dem Antragsteller ein Rechtsanwalt zugeordnet, bedeutet dies, dass dieser seine Vergütung gem. § 48 RVG von der Landeskasse erhält, die Beiordnung umfasst jedoch nicht evtl. anfallende Gerichtsgebühren. Insoweit ist die Beiordnung nach § 11a ArbGG ein Minus ggü. der Bewilligung von PKH.
Rz. 362
Der maßgebliche Unterschied ist jedoch, dass eine Beiordnung nach § 11a ArbGG bereits dann zu erfolgen hat, wenn die Gegenseite durch einen Rechtsanwalt zu vertreten ist. Keine Voraussetzung ist, dass die Rechtsverfolgung hinreichend Aussicht auf Erfolg verspricht. PKH kann nur bewilligt werden, wenn die Erfolgsaussicht der Rechtsverfolgung oder der Rechtsverteidigung zu bejahen ist.
Rz. 363
Dies bedeutet jedoch wiederum nicht, dass auf jeden Fall das ArbG auf Antrag eine Beiordnung vorzunehmen hat. § 11a Abs. 2 ArbGG lautet:
Die Beiordnung kann unterbleiben, wenn sie aus besonderen Gründen nicht erforderlich ist, oder wenn die Rechtsverfolgung offensichtlich mutwillig ist.
Rz. 364
Die erste Alternative ist zu bejahen, wenn es sich z.B. um einen einfach gelagerten Streitstoff handelt und die Partei selbst über die erforderlichen Kenntnisse und Fähigkeiten verfügt, ihre Rechte ohne hierdurch beeinträchtigt zu sein, persönlich – ohne juristischen Beistand – zu verfolgen.
Bei der Prüfung dieser Frage soll eine Vorabprüfung des gesamten Rechtsstreites nicht vom Gericht vorgenommen werden, die Erforderlichkeit ist jedoch dann zu verneinen, wenn die nicht vertretene Partei z.B. selbst Rechtsanwalt ist oder sich die nicht vertretene Partei durch einen Verbandsvertreter vertreten lassen kann und keine erheblichen Gründe vorträgt, weshalb sie die mögliche Vertretung durch den Verbandsvertreter ablehnt (GMPM, § 11a ArbGG Rn 68).
Rz. 365
Der Tatbestand der offensichtlichen mutwilligen Rechtsverfolgung ist anzunehmen, wenn sich z.B. aus dem Vortrag der nicht vertretenen Partei deutlich ergibt, dass der geltend gemachte Anspruch nicht existiert bzw. im Fall der Rechtsverteidigung die vorgebrachten Argumente offensichtlich nicht stichhaltig sind.
Beispiel
Der Kläger und Antragsteller trägt vor, dass er bis vor zwei Jahren in dem Kaufhaus des B. tätig war und nunmehr klageweise ihm angeblich vorenthaltene Zusatzvergütung für geleistete Überstunden geltend macht; er überreicht als Anlage zur Klageschrift einen Arbeitsvertrag, in dem eine auch nach der Schuldrechtsreform zulässige Ausschlussfrist vereinbart ist oder es ergibt sich aus den Daten, dass die Einstellung erfolgte, als für das Arbeitsverhältnis ein allgemeinverbindlicher Tarifvertrag einschlägig war, welcher noch nachwirkt und entsprechende Ausschlussfristen aufweist.
In einem solchen Fall ist die Klage von vornherein unbegründet, da das Gericht die geltenden Ausschlussfristen von Amts wegen zu beachten hat.
Rz. 366
Die rechtsunkundige Partei ist vom Gericht auf diese Umstände nach § 139 ZPO hinzuweisen, von einer offensichtlichen Mutwilligkeit kann jedoch nach Germelmann zu Recht dann gesprochen werden, wenn trotz eines möglichen Hinweises des Gerichtes eine Korrektur des Rechtsschutzbegehrens nicht mehr erfolgt (GMPM, § 11a ArbGG Rn 70).
Rz. 367
Erfolgt die Beiordnung eines auswärtigen Rechtsanwaltes, hat dieser grds. Anspruch auf Ersatz der Kosten für Reisen zu dem Prozessgericht (LAG Sachsen v. 1.10.2003, NZA-RR 2004, 210; LAG Schleswig-Holstein v. 17.10.2003, NZA-RR 2004, 209).
Rz. 368
Dies bedeutet jedoch nicht, dass Fahrtkosten – unabhängig von jeglicher Entfernung – von der Beiordnung umfasst und liquidationsfähig sind. Die entstehenden Mehrkosten bei der Beiordnung eines auswärtigen Anwaltes beschränken sich nach der Neufassung des § 121 Abs. 3 ZPO darauf, dass der Rechtsanwalt im Bezirk des ArbG seinen Kanzleisitz haben muss (Fölsch, NZA 2007, 418 ff.; GMPM, § 11a ArbGG Rn 95). I.d.R. wird die Gewährung der PKH auf die eines ortsansässigen Rechtsanwaltes beschränkt.