I. Unstatthaftes Rechtsmittel

 

Rz. 198

Der Anwaltszwang (§ 67 VwGO) setzt der Zulässigkeit einer Umdeutung enge Grenzen. Legt ein Prozessbevollmächtigter ausdrücklich ein unstatthaftes Rechtsmittel ein, so kann dieses nicht in einen Zulassungsantrag umgedeutet werden. So kann z.B. die unzulässige Berufung eines anwaltlich vertretenen Rechtsmittelführers nicht als fristwahrender Antrag auf Zulassung der Berufung angesehen werden.[227] Wird statt der Einlegung der vom VG zugelassenen Berufung von einem rechtskundigen Vertreter eines Beteiligten ein Antrag auf Zulassung der Berufung gestellt, kommt eine Umdeutung in das zulässige Rechtsmittel der Berufung nach Ablauf der Rechtsmittelfrist regelmäßig nicht mehr in Betracht.[228] Insoweit gilt nichts anderes als für die vergleichbare Frage der Umdeutung einer Revision in eine Nichtzulassungsbeschwerde oder umgekehrt einer Nichtzulassungsbeschwerde in eine Revision.[229]

[227] BVerwG NVwZ 1999, 641 f.; BVerwG, Beschl. v. 2.5.2016 – BVerwG 9 B 12.16; HessVGH NVwZ-RR 2004, 386; vgl. auch Bader u.a., § 124a Rn 52.
[228] HessVGH, Beschl. v. 18.7.2012 – 5 A 1239/12.Z, LKRZ 2012, 456.
[229] BVerwG DVBl 1994, 1409; NVwZ 1999, 641, 642.

II. Anträge nach §§ 80, 80a, 123 VwGO

 

Rz. 199

Nach dem allgemeinen Grundsatz, dass Anträge nach ihrem erkennbaren Zweck auszulegen bzw. umzudeuten sind, sind Anträge auf vorläufigen Rechtsschutz im Zweifel ohne Rücksicht auf die gewährte Bezeichnung so zu interpretieren, wie es der in der Sache in Betracht kommenden Rechtsschutzmöglichkeit am besten entspricht. Ein Antrag nach § 123 VwGO ist damit als Antrag nach § 80 Abs. 5 bzw. § 80a Abs. 3 VwGO auszulegen und umgekehrt.[230]

 

Rz. 200

Ordnet die Behörde entgegen der bestehenden Rechtslage, wonach ein Widerspruch gegen eine behördliche Maßnahme aufgrund spezialgesetzlicher Regelung keine aufschiebende Wirkung nach sich zieht (vgl. § 80 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 VwGO z.B. i.V.m. § 4 Abs. 3 S. 1 Nr. 3 StVG), gleichwohl die sofortige Vollziehbarkeit des Bescheides an, so ist die so verfügte Maßnahme schon mangels Erforderlichkeit rechtswidrig, jedenfalls aber geht sie ins Leere (VG Regensburg zfs 2000, 40). Ein in diesem Zusammenhang gestellter Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung ist umzudeuten in einen hier zulässigen Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung gemäß § 80 Abs. 5 S. 1 Alt. 1 VwGO.[231]

[230] Kopp/Schenke, §§ 80 Rn 21, 123 Rn 4.
[231] VG Regensburg zfs 2000, 40.

III. "Beschwerde" gegen erstinstanzlichen Beschluss als Antrag zur Bewilligung von Prozesskostenhilfe

 

Rz. 201

Kann der Antragsteller mit Blick auf § 67 Abs. 4 VwGO (Vertretung vor OVG durch einen Rechtsanwalt oder eine diesem gleichgestellte und zur Vertretung berechtigte Person) die Beschwerde gegen den erstinstanzlichen Beschluss nicht selbst wirksam einlegen, so kann sein gleichwohl eingelegtes Rechtsschutzbegehren bei sachgerechter Auslegung als Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für eine noch zu erhebende Beschwerde gegen den Beschluss des VG anzusehen sein.[232]

[232] NdsOVG, Beschl. v. 6.4.2011 – 12 ME 37/11, zfs 2011, 478.

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