1. Typischer Sachverhalt
Rz. 60
Zunächst wie oben Rdn 51. Dann weiter: Herr Klamm verweigert dem Gerichtsvollzieher jedoch den Zugang zur Wohnung. Die von ihm betriebene Gaststätte ist nur abends geöffnet und verspricht einen Vollstreckungserfolg erst nach 21.00 Uhr, wenn die ersten Gäste bezahlt haben.
2. Rechtliche Grundlagen
a) Durchsuchungsanordnung und Vollstreckung zur Unzeit
Rz. 61
Für die Vollstreckung in den Räumen des Schuldners gegen dessen Willen verlangt das BVerfG zusätzlich zum Titel eine ausdrückliche richterliche Durchsuchungsanordnung. Der Gesetzgeber ist diesem Verlangen durch § 758a ZPO nachgekommen. Das Gericht nimmt dabei teilweise in Kauf, dass der Schuldner zunächst den Gerichtsvollzieher abweist und bis zu dessen Rückkehr mit Durchsuchungsbeschluss seine pfändbare Habe beiseiteschafft oder darüber verfügt. Dieser Umstand wird in vielen Fällen eine nachträgliche Durchsuchungsanordnung auch nicht als sinnvoll erscheinen lassen. Der Weigerung der Wohnungsdurchsuchung durch den Schuldner steht es gleich, wenn der Gerichtsvollzieher mindestens zweimal, davon einmal zu einer Zeit, in der sich auch Berufstätige zu Hause aufhalten können, erfolglos versucht hat, Zutritt zur Wohnung des Schuldners zu erlangen. Teilweise werden darüber hinaus noch strenge Anforderungen an die Erforderlichkeit der Anordnung gestellt, insbesondere auch die zeitliche Befristung.
Ausnahmsweise ist eine richterliche Durchsuchungsanordnung nicht erforderlich, wenn der Gerichtsvollzieher mit einer Räumungsvollstreckung oder mit der Vollstreckung eines Haftbefehls gem. § 802g ZPO beauftragt ist (§ 758a Abs. 2 ZPO).
Für die Vollstreckung an Sonn- und Feiertagen und zur Nachtzeit (§ 758a Abs. 4 ZPO) kommt es darauf an, ob die Zwangsvollstreckung außerhalb oder innerhalb einer Wohnung stattfinden soll.
Außerhalb einer Wohnung entscheidet der Gerichtsvollzieher selbst, ob und wann er eine Vollstreckung, auch eventuell an Sonn- und Feiertagen und zur Nachtzeit, durchführt. Die Vollstreckung hätte nur zu unterbleiben, wenn sie für den Schuldner eine unbillige Härte darstellen würde. Eine solche kann bei einer ernsthaften Erkrankung des Schuldners oder eventueller Mitgewahrsamsinhaber vorliegen. Auch wenn kleine Kinder zum Haushalt gehören, kann in der Vollstreckung zur Nachtzeit eine unbillige Härte liegen.
Innerhalb einer Wohnung kann die Vollstreckung an Sonn- und Feiertagen und zur Nachtzeit nur aufgrund einer vom Gläubiger zu beantragenden richterlichen Anordnung erfolgen.
Zuständig für die Erteilung der Durchsuchungsanordnung ist der zuständige Richter am Amtsgericht, in dessen Bezirk die Durchsuchung erfolgen soll, nicht also das Vollstreckungsgericht. Für die Erteilung der besonderen Anordnung ist der Richter am Amtsgericht zuständig, in dessen Bezirk die Vollstreckungshandlung durchgeführt werden soll. Die besondere Anordnung muss die Vollstreckungshandlung näher bezeichnen und eine Zeitbestimmung oder -befristung enthalten. Ein richterlicher Bereitschaftsdienst muss auch außerhalb der üblichen Geschäftszeiten der Gerichte bereitstehen.
b) Wohnung i.S.d. Art. 13 GG
Rz. 62
Es ist von dem weiten verfassungsrechtlichen Wohnungsbegriff i.S.d. Art. 13 GG auszugehen. Darunter fallen neben der eigentlichen Wohnung auch die Arbeits-, Betriebs- und Geschäftsräume. Aber auch ein Hof, ein Garten, Ein Wochenendhaus oder ein Wohnwagen können davon umfasst sein.
c) Gefahr im Verzug
Rz. 63
Bei Gefahr im Verzug kann die Durchsuchung auch ohne richterliche Anordnung durchgeführt werden kann. Allerdings ist der Begriff eng auszulegen. Gefahr im Verzug ist anzunehmen bei der Vollstreckung von einstweiligen Verfügungen und Arresten oder bei konkreten Anhaltspunkten für eine Vollstreckungsvereitelung, wenn die Einholung der richterlichen Anordnung vor der Fortsetzung der Zwangsvollstreckung den Erfolg der Durchsuchung gefährden würde. Eine Vollstreckungsgefährdung kann angenommen werden, wenn ein dauerhafter Umzug des Schuldners ins Ausland, unmittelbar bevorsteht. Ein Umzug im Inland reicht dafür nicht aus, wenn die neue Wohnanschrift bekannt ist. Gefahr im Verzug kann auch angenommen werden, wenn wegen eines einstweiligen Verfügungs- oder Arrestbeschlusses vollstreckt wird und der Schuldner bereits mehrfach Vollstreckungshandlungen verzögert hat. Sind schon bei Beauftragung der Zwangsvollstreckung Anhaltspunkte dafür vorhanden, dass der Schuldner die Durchsuchung verweigern wird, kann auch schon vorbeugend ein Durchsuchungsbeschluss beantragt werden.