Rz. 4

Die besondere und grundlegende Bedeutung des Stifterwillens wird zwar immer wieder betont, dennoch kommt seine Betrachtung regelmäßig zu kurz – und das auch bei der Gesetzesneufassung.[2] Das ist ein Grund dafür, warum es in der Praxis immer wieder zu Fehlern kommt.

Der Stifterwille manifestiert sich ausdrücklich und vorrangig in dem Stiftungsgeschäft mit der Stiftungssatzung oder zeigt sich als nur hypothetischer (mutmaßlicher) Wille.[3] Die neue Regelung zum Stifterwillen im BGB ist eine erfreuliche Klarstellung des Bundesgesetzgebers, fanden sich doch bisher entsprechende Regelungen nur in den – künftig wohl insoweit obsoleten – Landesstiftungsgesetzen. Die Klarstellung entspricht der schon bisherigen Rechtslage nach herrschender Meinung,[4] wobei das Gesetz den in der Praxis oftmals maßgebenden mutmaßlichen (hypothetischen) Stifterwillen zu Recht hervorhebt. In der Gesetzesbegründung wird der mutmaßliche Stifterwille ausgehend von der herrschenden Meinung näher erläutert. Das ist erfreulich, hat es doch in der Vergangenheit in der Praxis zu diesem wichtigen Punkt oftmals Missverständnisse gegeben. Das ist tatsächlich auch wenig überraschend, sagt doch ein Bonmot unter Juristen recht treffend, die Ermittlung des hypothetischen Willens gehöre in den "Giftschrank der Jurisprudenz".

 

Rz. 5

Der Stifterwille ist das oberste Prinzip des Stiftungsrechts,[5] denn das Schicksal einer Stiftung wird nicht, wie etwa dasjenige eines Vereins, von dem Willen einer Mehrheit von Mitgliedern bestimmt. Eine Stiftung hat keine Mitglieder. Es hängt vielmehr davon ab, was der Stifter bei Errichtung der Stiftung entschieden und festgelegt hat. Die Einhaltung und Beachtung des für die Stiftung maßgeblichen Stifterwillens[6] hat die Stiftungsaufsicht auch künftig zu überwachen, soweit die Überwachung nicht schon durch geeignete Satzungsvorschriften und eine geeignete Organisation der Stiftung ausdrücklich sichergestellt ist.[7] Die Rechtslage hat sich hier durch das neue Stiftungsrecht nicht geändert, weshalb hier auch auf die Nachweise zur bisherigen Rechtslage zurückgegriffen werden kann.

Auch das Bundesverfassungsgericht hat den Stifterwillen als grundlegenden Maßstab für eine Stiftung hervorgehoben und dazu 1977 wörtlich ausgeführt:[8]

"[…] Jede Stiftung ist in das historisch-gesellschaftliche Milieu eingebunden, innerhalb dessen sie entstanden ist. […] Das eigentümliche einer Stiftung ist, dass der Stifterwille für die Stiftung dauernd konstitutiv bleibt. Charakter und Zweck der Stiftung liegen mit diesem Anfang in die Zukunft hinein und für die Dauer der Existenz der Stiftung fest. Deshalb sind auch die Erklärungen der Stifter aus dem zu ihrer Zeit herrschenden örtlichen Zeitgeist heraus auszulegen. […]"

 

Rz. 6

Der Stifterwille ist der Maßstab für das Handeln der Stiftungsorgane.[9] Die Stiftung ist und bleibt die Vollstreckerin des Stifterwillens. Deshalb ist die Regelung des § 83 Abs. 2 BGB n.F. ausdrücklich zu begrüßen. Mit der Anerkennung der Stiftung wird der Stifterwille verselbstständigt, d.h. dem künftigen Einfluss der Stifter entzogen und objektiviert. Auf einen etwaigen nach der Stiftungserrichtung geänderten Willen der Stifter kam es bereits bisher und kommt es auch in Zukunft nicht an.[10] Der ursprüngliche Wille ist maßgeblich, aber eben auch der ursprüngliche hypothetische Wille, der mithin von einem etwaig später geänderten (ausdrücklichen) Willen streng zu unterscheiden ist.[11] Das sieht auch § 83 Abs. 2 BGB n.F. ausdrücklich so.

 

Rz. 7

Da es zum Stifterwillen in der Praxis immer wieder erhebliche Missverständnisse gibt, wollen wir das Thema hier etwas näher betrachten:

Mit der Anerkennung der Stiftung wird der Stifterwille verselbstständigt, d.h. auch dem künftigen Einfluss des Stifters entzogen und objektiviert. Der bei der Stiftungserrichtung manifestierte (damalige) Wille der Stifter dazu, welchen Zweck die Stiftung wie und mit welcher Organisation verfolgen soll, ist dem Gesamtverhalten der jeweiligen Stifter zu entnehmen; so können z.B. auch außerhalb des Stiftungsgeschäfts liegende Urkunden oder Umstände den Stifterwillen zum Ausdruck bringen.[12]

 

Rz. 8

Finden sich im Stiftungsgeschäft einschließlich der Satzung und etwa in einem "Stiftertestament"[13] keine klaren und eindeutigen Regelungen vom Stifter, was insb. in älteren Satzungen eher der Regelfall als die Ausnahme ist, ist die Satzung der betreffenden Stiftung auszulegen.

Bei der Auslegung nicht empfangsbedürftiger Willenserklärungen, wie sie bei Stiftungsgeschäften vorliegen, ist der wirkliche Wille des Erklärenden, des Stifters, zu ermitteln, wie er in den Erklärungen – sei es auch versteckt – zum Ausdruck kommt und wie er nach den Grundsätzen von Treu und Glauben, mit Rücksicht auf die Verkehrssitte, zu verstehen ist (sog. natürliche Auslegung, § 133 BGB).[14] Wichtig ist und bleibt dabei, dass es sich durchgängig um den Willen des Stifters handeln muss.

So ist eine nach dem Tod des Stifters von einem Testamentsvollstrecker im Auftrag des Stifters...

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