Hier kann sich die Frage der Verwertbarkeit von Vortaten stellen. Eine mit der Nichtvorlage eines geforderten Gutachtens begründete Entziehung der FE kann nur dann Bestand haben, wenn die die Gutachtensanordnung rechtfertigenden Eignungszweifel über den Zeitpunkt dieser Anordnung hinaus bis zum Abschluss des behördlichen Verfahrens berechtigt waren. Das bedeutet insbesondere, dass die Umstände, die auf einen Eignungsmangel hinweisen, während des gesamten behördlichen Verfahrens zu Lasten des Erlaubnisinhabers verwertbar gewesen sein müssen. Dies ist z.B. problematisch, wenn im Laufe des anhängigen Widerspruchsverfahrens Bußgeldentscheidungen tilgungsreif geworden sind. Hier ist entscheidend, welcher Zeitpunkt maßgeblich für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage ist. Nachdem nach h.M. in der Rechtsprechung die Anordnung, ein Gutachten beizubringen, keine selbstständig anfechtbare Maßnahme ist, ist für den Entzug der FE auf den Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung abzustellen – hier geht es um eine Anfechtungsklage. Wird die Erteilung einer FE geltend gemacht, steht eine Verpflichtungsklage im Raum, bei welcher der Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage maßgeblich ist. Nach Ansicht des OVG Bbg soll dagegen auf den Zeitpunkt der Anordnung zur Beibringung einer MPU abzustellen sein.
Eine getilgte Eintragung darf weder für die abschließende Feststellung der Eignung, noch bei der Beantwortung der Frage, ob Eignungszweifel überhaupt gerechtfertigt sind, herangezogen werden (so die ausdrückliche gesetzliche Regelung in §§ 29 Abs. 8 S. 1, 28 Abs. 2 StVG). Der Begriff "Beurteilung der Eignung" i.S.d. § 28 Abs. 2 Nr. 1 StVG setzt bereits bei der Frage an, ob überhaupt Zweifel an der Eignung bestehen. Eine andere Betrachtungsweise liefe dem in § 29 Abs. 8 (ab 1.5.2014: Abs. 7) StVG, § 51 Abs. 1 BZRG zum Ausdruck kommenden Rehabilitationsgedanken zuwider.
War bereits ein Fahreignungsgutachten (medizinisch-psychologisches Gutachten) erstellt worden, so bewirkt dies keine Zäsur in dem Sinn, dass die vor Erstellung dieses Gutachtens liegende Umstände bei einer späteren Beurteilung der Fahreignung nicht mehr berücksichtigt werden dürften. Bei einer späteren Fahreignungsbeurteilung dürfen daher zeitlich nach wie auch vor der früheren Begutachtung liegende Umstände berücksichtigt werden. Denn selbst bei der Neuerteilung einer FE dürfen zeitlich davor liegende Umstände bei einer späteren Fahreignungsbeurteilung berücksichtigt werden. Umso mehr gilt das für die bloße vorbereitende Maßnahme eines Fahreignungsgutachtens.