Rz. 23
Dass ein Anspruch z.B. aus einem Kaufvertrag entstanden ist, heißt aber noch nicht unbedingt, dass er bei Geltendmachung immer noch existiert. Er kann z.B. durch Erfüllung zwischenzeitlich erloschen sein. Oder er besteht zwar noch, ist aber durch den Eintritt der Verjährung nicht gerichtlich durchsetzbar.
I. Erfüllung und Erfüllungssurrogat
1. Definition der Erfüllung
Rz. 24
Die Erfüllung eines Schuldverhältnisses liegt vor, wenn die jeweilige Vertragspartei die ihr nach dem Schuldverhältnis obliegenden Verpflichtungen erbracht hat, § 362 BGB. Dabei schadet es in den meisten Fällen nicht, wenn nicht der eigentliche Schuldner, sondern ein Dritter auf die Schuld leistet. Eine Ausnahme hiervon ist jedoch beispielsweise der Dienstvertrag, bei dem der Dienstverpflichtete die geschuldete Dienstleistung im Zweifel selbst zu erbringen hat (§ 613 BGB).
Ist die geschuldete Leistung erbracht, ist das Schuldverhältnis im Umfang der erbrachten Leistung erloschen, d.h. es können aus ihm insoweit keine Rechte mehr hergeleitet werden. Soweit nicht erfüllt ist, bleiben die Ansprüche bestehen.
Beispiel:
A verkauft B sein Auto für 15.000,00 EUR. Bei Abschluss des Kaufvertrages übergibt und übereignet er es dem B sofort. B zahlt 5.000,00 EUR an.
Damit hat A seine kaufvertraglichen Verpflichtungen erfüllt; sie sind erloschen. Nicht erloschen ist jedoch sein Kaufpreisanspruch, soweit er nicht befriedigt worden ist. Dieser erlischt erst mit der Zahlung durch B oder einen Dritten auf die Kaufpreisschuld.
2. Leistung an einen Dritten
Rz. 25
Grundsätzlich gilt, dass die Leistung der Schuld an einen Dritten, also nicht an den Gläubiger, regelmäßig nicht zu einem Erlöschen der Schuld führt. Anders ist es jedoch, wenn der Dritte zur Entgegennahme der Leistung in eigenem Namen berechtigt ist oder wenn der Gläubiger nachträglich seine Zustimmung zur Entgegennahme der Leistung durch den Dritten erklärt (§§ 185, 362 BGB).
Eine Sonderregel für die Leistung auf abgetretene Forderungen enthält § 407 BGB. Danach führt die Zahlung an einen früheren Forderungsgläubiger auch dann zur Erfüllung, wenn der neue Gläubiger zwar weder vorher in die Leistung eingewilligt noch diese nachträglich genehmigt hat, der Schuldner jedoch von der Abtretung keine Kenntnis hatte.
3. Annahme an Erfüllungs Statt
Rz. 26
Nimmt ein Gläubiger eine andere Leistung als die geschuldete als Erfüllung an, so erlischt das Schuldverhältnis (§ 364 Abs. 1 BGB).
4. Annahme erfüllungshalber
Rz. 27
Davon zu unterscheiden ist die Annahme erfüllungshalber. Diese liegt vor, wenn der Gläubiger eine andere als die geschuldete Leistung annimmt und nach dem Willen der Parteien die Schuld in Höhe des Erlöses, den der Gläubiger aus der Verwertung der erhaltenen Sache erzielt, erlöschen soll.
Beispiel:
A hat dem mittellosen Künstler B 1.000,00 EUR geliehen. Als er diese zurückfordert, bietet B ihm ein von ihm gemaltes Bild statt des Geldes an.
Nimmt A das Bild an ErfüllungsStatt an, so ist damit das Schuldverhältnis unbeschadet des Wertes des Bildes erloschen. Akzeptiert er es erfüllungshalber, so hat er nach der Verwertung des Bildes durch Verkauf einen Restanspruch gegen B, wenn der Verkauf nicht die geschuldeten 1.000,00 EUR erbringt. Erzielt A einen 1.000,00 EUR übersteigenden Erlös, hat er B den überschießenden Teil zurückzugeben.
Rz. 28
Es gibt Fälle, in denen ein Schuldner nicht weiß, welchem Gläubiger gegenüber er zur Leistung verpflichtet ist, weil beispielsweise zwei Gläubiger behaupten, dass ihnen die Forderung zustehe.
In solchen Fällen hat der Schuldner die Möglichkeit, sich der Schuld durch Hinterlegung der geschuldeten Leistung beim Amtsgericht zu entledigen, § 372 BGB. Das Gleiche gilt, wenn der Gläubiger sich im Annahmeverzug befindet.
5. Aufrechnung
Rz. 29
Eine weitere Möglichkeit, ein Schuldverhältnis zum Erlöschen zu bringen, liegt darin, mit einer Gegenforderung aufzurechnen. Die Aufrechnung ist möglich, wenn sich gegenseitige, gleichartige und fällige Forderungen gegenüberstehen.
Beispiel:
A schuldet B aus einer Warenlieferung 5.000,00 EUR. B hat seinerseits einen Kaufpreisanspruch gegen A über 3.000,00 EUR.
Beide Forderungen sind fällig, so dass A und B die Aufrechnung erklären können. Tun sie dies, erlischt die Forderung des A in Höhe von 3.000,00 EUR; die des B erlischt völlig.
Die Aufrechnung erfolgt durch eine einseitige empfangsbedürftige Willenserklärung gegenüber dem anderen Teil, § 388 BGB. Einer Annahme bedarf es zu ihrer Wirksamkeit also nicht.
Nicht aufgerechnet werden kann gegen Forderungen aus vorsätzlicher unerlaubter Handlung und gegen unpfändbare Forderungen, §§ 393, 394 BGB.
6. Anrechnung erbrachter Leistungen
Rz. 30
Hat der Gläubiger mehrere Forderungen gegen den Schuldner, ist dieser aber nicht willens oder in der Lage, diese Forderungen vollständig zu begleichen, so stellt sich die Frage, wie beim Gläubiger eingehende Erfüllungsleistungen auf die Schuld zu verrechnen sind.
Die Antwort hierauf enthält § 366 BGB. Danach gilt grundsätzlich, dass der Schuldner bestimmen kann, welche Schuld er tilgen will. Unterlässt er eine solche Bestimmung, so bestimmt § 366 Abs. 2 BGB, dass zunächst die fällige Schuld, unter mehreren fälligen Schulden die mit der geringsten Sich...