Rz. 9
Gem. § 116 SGB X gehen nur diejenigen Schadensersatzansprüche auf den betreffenden Sozialversicherungs- und Sozialhilfeträger über, die mit der von ihm erbrachten Sozialleistung sachlich und zeitlich "kongruent", also art- und wesensgleich sind. Nur wenn der Kostenträger eine "der Behebung eines Schadens der gleichen Art dienende" Sozialleistung erbracht hat, löst dies den Forderungsübergang nach § 116 Abs. 1 S. 1 SGB X aus. Dies muss für jede Schadensposition separat geprüft werden. Hierbei lassen sich folgende Kategorien unterscheiden:
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Heilungskosten, wie z.B. Arzt und Arzneikosten und Krankenhauspflege inklusive Fahrtkosten, |
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Erwerbsschaden, wie z.B. Verletzten-, Übergangs- und Krankengeld, |
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vermehrte Bedürfnisse, wie z.B. Mehraufwendungen für Pflege und Ernährung, |
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Unterhalt, wie z.B. eine Hinterbliebenenrente, |
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Sachschäden, wie z.B. Körperersatzstücke und Hilfsmittel, |
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Sterbegeld. |
Sachliche Kongruenz besteht beispielsweise zwischen dem an einer Brille entstandenen Sachschaden und den darauf erbrachten Leistungen des Krankenversicherers sowie dem Erwerbsschaden eines Arbeitnehmers und dem darauf vom Krankenversicherer gezahlten Krankengeld, dem vom Unfallversicherer gezahlten Verletzten- und Übergangsgeld sowie der Erwerbs- und Berufsunfähigkeitsrente des Rentenversicherers. Auch ist bereits höchstrichterlich entschieden, dass eine Erwerbsunfähigkeitsrente, eine Verletztenrente und eine Witwenrente anzurechnen sind, soweit Ersatzansprüche wegen der Haushaltsführung für Dritte betroffen sind. Ein besonderer Fall liegt vor, wenn beispielsweise eine Krankenkasse Krankengeld erbringt, und der Geschädigte einen Haushaltsführungsschaden erleidet. Hier kann eine Kongruenz zu bejahen sein, wenn ein Mehrpersonenhaushalt betroffen ist, wobei zwischen einem Erwerbsschaden und der eigenen Bedarfsdeckung zu unterscheiden ist.
Rz. 10
Muster 6.1: Anspruchsübergang auf die Krankenkasse bei Krankengeld und Haushaltsführungsschaden
Muster 6.1: Anspruchsübergang auf die Krankenkasse bei Krankengeld und Haushaltsführungsschaden
Das von der gesetzlichen Krankenkasse gezahlte Krankengeld ist nicht nur als Ausgleich für eine außerhäusliche Berufstätigkeit anzusehen. Die für einen Anspruchsübergang nach § 116 SGB X erforderliche Kongruenz ist gegeben. Diese ist immer dann zu bejahen, wenn die Sozialleistung einerseits und der Schadensersatzanspruch andererseits derselben Schadensart zuzuordnen sind. Das Krankengeld dient dem Ausgleich des Erwerbsschadens. Die Haushaltstätigkeit stellt ebenfalls, soweit sie nicht der eigenen Bedarfsdeckung dient, sondern für andere Haushaltsangehörige – im Mehr-Personen-Haushalt – erbracht wird, eine Erwerbstätigkeit im Sinne der §§ 842, 843 BGB dar (vgl. BGH, VersR 1996, 1565). Das Krankengeld dient dem gesamten Ausgleich der unfallbedingten Behinderung, die Arbeitskraft als Erwerbsquelle nutzen zu können; damit ist auch der Bereich einer eingeschränkten Haushaltsführung für die Familie abgedeckt. Deshalb geht der Anspruch auf Ersatz des Haushaltsführungsschadens, soweit er sich auf den Ausfall bei der Versorgung von Familienangehörigen bezieht, in Höhe der Krankengeldzahlungen gem. SGB X § 116 Abs. 1 S. 1 auf die Krankenkasse über (OLG Hamm r+s 2001, 506).
Diese Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt. Die verletzte Person war in einem Haushalt mit _________________________ Personen tätig. _________________________.
Rz. 11
Neben der sachlichen Kongruenz setzt ein Anspruchsübergang auf den Träger der Sozialleistung auch zeitliche Kongruenz voraus. Der Anspruchsübergang erfolgt somit nur für den Zeitraum, für den sowohl ein Anspruch auf Schadensersatz bestand und für den der Träger der Sozialleistung Leistungen erbracht hat. Endet die Leistungspflicht des Trägers der Sozialhilfe oder der Sozialversicherung, lebt der Anspruch des Geschädigten gegen den Schädiger auf Schadensersatz wieder auf.
Rz. 12
Hinweis
Erhalten die Erben des getöteten Fußgängers Sterbegeld eines Sozialversicherungsträgers, ist ebenfalls der gesetzliche Übergang des Schadensersatzanspruchs nach SGB X § 116 Abs. 1 zu beachten.