Rz. 38
Wie bei jeder anderen Zwangsvollstreckungsmaßnahme ist auch stets das Rechtsschutzinteresse des Gläubigers an der Vollstreckung in das grundgesetzlich geschützte Eigentum zu prüfen.
Rz. 39
Das Rechtsschutzinteresse an einer Zwangsversteigerung fehlt z.B. dann, wenn dieses Verfahren zweckentfremdet und missbraucht wird, um einen sonst wegen eines Vorkaufsrechts gescheiterten Erwerb des Grundstücks zu ermöglichen. Das Vollstreckungsgericht prüft nicht die materielle Rechtslage. Kommen ihm im Verlauf des Verfahrens jedoch materiell-rechtliche Umstände zur Kenntnis, die offenkundig darauf hinweisen, dass das Verfahren rechtsmissbräuchlich betrieben wird, darf es diese Umstände nicht unberücksichtigt lassen. Der Einwand des Rechtsmissbrauchs ist vielmehr von Amts wegen zu beachten. Liegt Rechtsmissbrauch vor, ist das Verfahren aufzuheben (hier: Dingliche Vollstreckung, obwohl der Sicherungsfall nicht vorlag). Die Problematik wird jedoch insbes. diskutiert bei:
▪ |
der Vollstreckung wegen einer Bagatellforderung und |
▪ |
bei hohen vorrangigen Belastungen. |
Rz. 40
Es gibt keine Grenzen, bis zu deren Höhe man sagen kann, eine Zwangsvollstreckung sei unzulässig (evtl. bei Forderungen bis 10,00 oder 30,00 EUR). Auch der Gläubiger hat das Recht, eine geringfügige Forderung mit allen staatlichen Mitteln gegen den Schuldner durchzusetzen. Von einigen Gerichten wird jedoch bei der Zwangsversteigerung wegen einer geringen Forderung verlangt, dass der Gläubiger zuvor erfolglos in das bewegliche Vermögen des Schuldners vollstreckt hat.
Rz. 41
Die Frage, ob und wann eine Zwangsversteigerung aussichtslos ist, wird in der Rechtsprechung ebenfalls uneinheitlich beantwortet. Es wird die Auffassung vertreten, wenn dem Anordnungs- oder Beitrittsgläubiger hohe Vorbelastungen aus dem Grundbuch vorgehen und er nach aller Erfahrung voraussichtlich keine Befriedigung erlangen wird, dürfe das Verfahren nicht angeordnet werden, § 803 Abs. 2 ZPO analog.
Rz. 42
Sowohl die analoge Anwendung des § 803 Abs. 2 ZPO als auch die Prognosen zur Aussichtslosigkeit der Zwangsversteigerung sind abzulehnen. Der BGH hat zur Versteigerung (in Fortführung seines Grundsatzbeschlusses vom 18.7.2002 zur Zwangsverwaltung) entschieden: Das Verbot der zwecklosen Pfändung nach § 803 Abs. 2 ZPO findet auch in der Zwangsversteigerung keine Anwendung. Dass die Zwangsversteigerung auch bei hohen Vorbelastungen Platz greift, verdeutlicht bereits § 77 ZVG. Der Gesetzgeber hat den Fall einer ergebnislosen Versteigerung ausdrücklich geregelt. Entweder wird das Verfahren aufgehoben, § 77 Abs. 2 S. 1 ZVG, oder es kann die Fortsetzung der Zwangsversteigerung als Zwangsverwaltung bestimmt werden, § 77 Abs. 2 S. 2 ZVG. Außerdem liegt eine vollkommen andere Konstellation vor. Bei der Immobiliarvollstreckung hat der Gegenstand unzweifelhaft so viel Wert, dass zumindest die Verwertungskosten gedeckt werden könnten. Die Vollstreckung ist nicht wegen des noch nicht feststehenden Grundstückswerts aussichtslos, sondern infolge des Deckungs- und Übernahmeprinzips, wonach vorrangige Belastungen vor dem bestrangig betreibenden Gläubiger bestehen bleiben. Aber auch die maßgebenden Grundstücksbelastungen können sich nach der Verfahrensanordnung im laufenden Verfahren vielfach ändern, indem z.B. Löschungsverpflichtungen erfüllt werden. Im formalisierten Anordnungsverfahren – wie auch im Verfahren über einen Beitrittsantrag – besteht für das Vollstreckungsgericht nicht die Möglichkeit, sich hierüber Gewissheit zu verschaffen. Auch deshalb kann § 803 Abs. 2 ZPO auf die Immobiliarvollstreckung nicht entsprechend angewendet werden. Das Vollstreckungsgericht darf daher das Verfahren nicht mit der Begründung aufheben, ein Versteigerungserlös sei zugunsten des Gläubigers nicht zu erwarten.
Rz. 43
Die Anordnung der Zwangsversteigerung bzw. die Zulassung des Beitritts kann nicht mangels Rechtschutzinteresses des Gläubigers abgelehnt werden, weil überhaupt nicht abgeschätzt werden kann, inwieweit die dem Gläubiger vorgehenden Ansprüche in der Zwangsversteigerung angemeldet oder realisiert werden. Insbesondere kann das Fehlen eines Rechtsschutzbedürfnisses des Gläubigers dann nicht angenommen werden, wenn der Verkehrswert des Grundstücks überhaupt noch nicht festgesetzt wurde. Allerdings hat der BGH aktuell gegen einen Gläubigerantrag entschieden und dem Gläubiger die "unnützen" Kosten auferlegt. Kann ein Zwangsversteigerungsverfahren die Befriedigung des betreibenden Gläubigers aus dem Versteigerungserlös von vorneherein erkennbar nicht einmal teilweise erreichen, sind die Kosten der Zwangsvollstreckung nicht als notwendig im Sinne von § 788 Abs. 1 ZPO anzusehen. Dass der Versteigerungsantrag des Gläubigers aufgrund der ihm bleibenden Chance freiwilliger Leistungen des Schuldners zulässig ist, ändert daran nichts.
Rz. 44
Die andere Auffassung, die Aussichtslosigkeit der Zwangsversteigerung sei von Amts wegen zu prüfen, läuft auf einen Vollstreckungsschutz nach §...