Rz. 1

Beratungstätigkeiten des Anwalts sind nur dann gesondert zu vergüten, wenn ein gesonderter Auftrag zur Beratung erteilt worden ist. Beratungen anlässlich anderer Angelegenheiten werden nach § 19 Abs. 1 S. 1 RVG durch die dortigen Betriebsgebühren mit abgegolten.

 

Rz. 2

Wie sich aus der Legaldefinition des § 34 Abs. 1 S. 1 RVG ergibt, ist unter einer Beratung die Erteilung eines mündlichen oder schriftlichen Rats oder einer Auskunft zu verstehen. Die Grenze zwischen Rat und Auskunft ist fließend. Auf die Unterscheidung kommt es in der Praxis nicht an.

 

Rz. 3

Zur Geschäftstätigkeit (Teil 2 Abschnitt 3 VV) wird die Beratung dadurch abgegrenzt, dass sie sich auf Tätigkeiten im Verhältnis zum eigenen Auftraggeber beschränkt, während die Geschäftstätigkeit auf die Vertretung nach außen hin gerichtet ist. Sobald also der Anwalt gegenüber einem Dritten tätig werden soll, ist der Anwendungsbereich der Beratungsgebühr verlassen und die Tätigkeit des Anwalts ist als Geschäftstätigkeit zu vergüten. Solange der Anwalt jedoch nicht nach außen hin tätig werden soll, liegt nur eine Beratungstätigkeit vor, ausgenommen bei der Mitwirkung an der Errichtung eines Vertrags, die nach Vorbem. 2.3 Abs. 3 VV als Geschäftstätigkeit zu vergüten ist (s.u. Rdn 8).

 

Rz. 4

Daher löst z.B. der Entwurf eines Schreibens durch den Rechtsanwalt für seinen Mandanten, das dieser dann in eigenem Namen verschickt, keine Geschäftstätigkeit aus, sondern ist der Beratung zuzuordnen.[1]

 

Beispiel 1: Entwurf eines Mandantenschreibens

Der Mandant hatte den Anwalt beauftragt, ihm ein Kündigungsschreiben zu verfassen, das er in eigenem Namen an seinen Mieter verschicken wollte.

Mangels Auftrags zur Vertretung im Außenverhältnis ist nur von einer Beratung auszugehen.

 

Rz. 5

Auch die Mitwirkung bei der Errichtung von Urkunden ist noch der Beratung zuzuordnen. Vorbem. 2.3 Abs. 3 VV spricht nur von der Mitwirkung bei der Gestaltung eines Vertrags, nicht aber auch an einer Urkunde.

 

Rz. 6

Daher zählt insbesondere der Entwurf eines Testaments noch zur Beratungstätigkeit, und zwar unabhängig davon, ob der Rechtsanwalt beauftragt ist,

ein einseitiges Testament,[2]
mehrere aufeinander abgestimmte Testamente,[3]
zwei gemeinschaftliche nicht wechselbezügliche Testamente,[4]
zwei gemeinschaftliche wechselbezügliche Testamente[5]

zu entwerfen.

 

Beispiel 2: Entwurf eines Testaments

Der Mandant hatte den Anwalt beauftragt, ihm ein Testament zu entwerfen, das dieser dann eigenhändig abgeschrieben hat.

Auch hier liegt nur eine Beratungstätigkeit vor.

 

Rz. 7

Auch bei Vertragsverhandlungen kann noch eine Beratungsgebühr anfallen. Nur die "Mitwirkung an der Gestaltung" eines Vertrags löst die Geschäftsgebühr aus. Der Anwalt muss also auf die Gestaltung selbst Einfluss nehmen oder zumindest Einfluss nehmen können. Die bloße beratende Tätigkeit, ob der Mandant einen Vertrag abschließen soll, oder die Beratung anlässlich eines vom Mandanten selbst ausgehandelten Vertrags zählen noch zur Beratung.

 

Beispiel 3: Beratung bei Vertragsabschluss

Der Mandant erscheint beim Anwalt und bittet ihn, zu prüfen, ob er einen ihm vom Arbeitgeber vorgelegten Aufhebungsvertrag in dieser Fassung abschließen kann. Der Anwalt prüft den Vertrag und teilt dem Mandanten mit, dass er den Vertrag bedenkenlos abschließen könne.

Der Anwalt sollte nicht "mitwirken", sondern nur prüfen. Daher liegt noch eine Beratung vor.

 

Rz. 8

Soll der Anwalt dagegen gegebenenfalls auch auf den Inhalt eines Entwurfs Einfluss nehmen, liegt bereits eine Geschäftstätigkeit vor.[6]

 

Rz. 9

Die Gebühren des Anwalts für Beratungstätigkeiten waren nur bis zum 1.7.2006 im Vergütungsverzeichnis geregelt (Teil 2 Abschnitt 1 VV – Nrn. 2100 bis 2102 VV a.F.).[7] Diese Vorschriften sind mit dem 1.7.2006 – wie schon bei Inkrafttreten des RVG geplant[8] – ersatzlos aufgehoben worden. Die Gebührenregelung für allgemeine Beratungs- und Gutachtentätigkeiten findet sich jetzt in § 34 RVG.

 

Rz. 10

Wie bisher bleiben daneben weiterhin die Allgemeinen Gebührenvorschriften nach Teil 1 VV (Einigungs-, Erledigungs- oder Aussöhnungsgebühr) ebenso anwendbar wie die Auslagentatbestände nach Teil 7 VV. Dies ist jetzt durch das KostRÄG 2021 durch die Neufassung der Vorbem. 1 VV klargestellt worden. Nur die reinen Beratungstätigkeiten, also die Tätigkeiten, die bis zum 30.6.2006 durch die Gebühren der Nrn. 2100, 2101 VV a.F. abgegolten waren, sind nicht mehr durch gesetzliche Gebührentatbestände erfasst; die übrigen gesetzlichen Vorschriften gelten weiterhin.

 

Rz. 11

Die Postentgeltpauschale kann auch bei einer Beratung anfallen. Sie setzt aber voraus, dass Entgelte für Telekommunikationsdienstleistungen angefallen sind. Ist das der Fall, kann konkret (Nr. 7001 VV) oder auch pauschal nach Nr. 7002 VV abgerechnet werden.[9]

[1] OLG Nürnberg AGS 2010, 480 = NJW 2011, 621 = RVGreport 2010, 459; AG Eutin AGS 2022, 362; a.A. wohl LG Gießen AGS 2022, 363.
[2] AG Hamburg-Altona AGS 2008, 166 = NJW-Spezial 2008, 18.
[3] BGH AGS 2018, 165 = NJW 2018, 1479 = RVGreport 2018, 218 (un...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge