Rz. 111
In der Praxis kommt es mitunter sehr oft vor, dass die Erfolgsaussicht nicht von vornherein eingeschätzt werden kann. Ist ungewiss, ob das Gericht PKH bewilligen wird und will der Mandant den Prozess jedoch ohne die Bewilligung von PKH nicht fortführen, so ist zu empfehlen, zunächst den Antrag auf PKH zu stellen und die Klage nur in dem Fall von PKH an- bzw. rechtshängig zu machen. In diesem Fall ist die Klage als Klageentwurf zu werten, die erst dann ihre Wirksamkeit entfaltet, wenn PKH bewilligt wird. Gleiches gilt für zu führende Rechtsmittelverfahren, auch für diese kann zunächst das PKH Bewilligungsverfahren geführt werden und erst nach Bewilligung das Rechtsmittel anhängig gemacht werden. Allerdings ist in diesem Fall i.d.R. noch ein Wiedereinsetzungsverfahren zu führen.
Rz. 112
Auch im Hinblick auf die Kostenfolge wirkt sich das PKH-Bewilligungsverfahren im Vergleich zu dem sog. regulären Verfahren, wie nachstehend erläutert, entsprechend aus.
Rz. 113
Hinweis:
Maßgeblich im Hinblick auf die Vergütung des RA ist der erteilte Auftrag des Mandanten an den RA. Daher sollte zwingend notwendig der Auftrag des Mandanten, ob die Klage unter der Bedingung der Bewilligung von PKH erhoben werden soll oder nicht, schriftlich festgehalten werden (s.a. § 8 Rdn 45 ff.).
Auch unter haftungsrechtlichen Gesichtspunkten ist es von großer Bedeutung, sich dahingehend den Auftrag schriftlich erteilen zu lassen (s. § 8 Rdn 45 ff.).
Rz. 114
Der Mandant hat zwei Möglichkeiten vorzugehen:
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Er reicht die Klage/den Antrag mit dem Formular "Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse" nebst den erforderlichen Einkommen- und Verbindlichkeitsnachweisen unter der Bedingung ein, dass PKH bewilligt wird. Für den Fall, das ein Rechtsmittelverfahren zu führen ist, reicht er das Rechtsmittel mit der Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse ein. Sofern der PKH-Antrag zurückgewiesen wird, kann sich der Antragsteller entscheiden, ob er sein Klagebegehren/seinen Antrag weiterverfolgen möchte oder nicht. Bewilligt das Gericht PKH, stellt es die Klageschrift/Antragsschrift an den Beklagten/Antragsgegner zu. Im Fall der Nichtbewilligung von PKH würde eine Zustellung der Klage an den Beklagten/Antragsgegner in dem Fall erfolgen, sobald der Kläger/Antragsteller die Gerichtskosten eingezahlt hat. Sofern dem PKH-Antrag teilweise stattgegeben wird, kann der Antragsteller sein Klage-/Antragsbegehren i.H.d. PKH-Bewilligung weiterverfolgen. Er kann das Verfahren aber auch in voller Höhe weiterverfolgen. In Höhe des nicht bewilligten Betrags muss der Mandant jedoch die Kosten selbst tragen. |
Rz. 115
Hinweis:
Für das PKH-Bewilligungsverfahren selbst gibt es keine PKH. Der Auftraggeber schuldet die Anwaltsvergütung – unabhängig vom Ausgang des Verfahrens.
Rz. 116
Beispiel 1:
Dem Mandanten M wird PKH unter Beiordnung seines RA i.H.v. 2.000,00 EUR bewilligt. Insgesamt hat er beantragt, ihm hinsichtlich eines Zahlungsanspruchs gegen den Beklagten B i.H.v. 2.700,00 EUR PKH unter Beiordnung seines RA zu bewilligen. Da das Prozessgericht i.H.v. 700,00 EUR keine Erfolgsaussicht bejaht, wird der Antrag des Mandanten M in dieser Höhe zurückgewiesen. Sofern der Mandant M die Klage i.H.v. 2.700,00 EUR weiterverfolgen möchte, trägt die Landeshauptkasse die gesetzliche Vergütung des RA nach einem Gegenstandswert i.H.v. 2.000,00 EUR und die Gerichtskosten nach einem Gerichtsgebührenwert i.H.v. 2.000,00 EUR. Wegen der restlichen 700,00 EUR, die von der PKH nicht erfasst sind, trägt der Mandant M die anteilige Vergütung des RA sowie die anteiligen Gerichtskosten selbst.
Rz. 117
Dies hat einen Vorteil für den Antragsteller:
Rz. 118
In dem sog. PKH-Prüfungsverfahren besteht kein Kostenerstattungsanspruch gegen die unterlegene Partei. Für den Fall, dass der PKH-Antrag zurückgewiesen wird, kann die Gegenseite ihre Kosten nicht gegen den Antragsteller festsetzen lassen (§ 118 Abs. 1 Satz 4 ZPO). Zum anderen ist die Vergütung des RA in dem Bewilligungsverfahren geringer, s. hierzu § 8 Rdn 673 ff., Nr. 3335 VV RVG.
Rz. 119
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Der Antragsteller kann die Klage/den Antrag auch unabhängig von der Bewilligung der PKH einreichen. |
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Dies hat den Nachteil für den Antragsteller, dass – anders als im Bewilligungsverfahren gem. § 118 ZPO – die Klage/der Antrag, sobald sie/er dem Beklagten/Antragsgegner zugestellt wird, rechtshängig wird. |
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Erfolgt die Zurückweisung des PKH-Antrags und nimmt der Kläger die Klage/Antragsteller den Antrag zurück oder unterliegt er in diesem Rechtsstreit, so besteht hinsichtlich der obsiegenden Partei (hier der Beklagte/Antragsgegner) ein Kostenerstattungsanspruch (§§ 91, 269 Abs. 3, 2. Halbs. ZPO) |
Rz. 120
Hinweis:
Eine Ausnahmeregelung hinsichtlich der Kostenerstattung findet sich im ArbGG. Gem. § 12a Abs. 1 Satz 1 ArbGG trägt im erstinstanzlichen Verfahren jede Partei die ihr entstandenen Kosten (Ausnahme: Reisekosten können erstattet werden) selbst.
In diesem Fall ist der Kostenerstattungsanspruch der obsiegenden ...