A. Beratungshilfe

I. Allgemeines

 

Rz. 1

Wie stellen Sie sich den "idealen Mandanten" vor? Das ist gewiss ein zahlungskräftiger, zahlungswilliger, zufriedener Mandant und wenn er dazu unkompliziert und freundlich ist, umso besser.

Wenn es diesen Mandanten – gerade im Hinblick auf die Zahlungsfreudig- und -willigkeit – gibt, so ist dieser "Exot" in einigen Kanzleien eher die Ausnahme, denn sehr viele Menschen sind nicht in der Lage, einen RA zu bezahlen – selbst wenn sie es wollten. Die Anzahl von Beratungshilfeberechtigten nimmt vielmehr stetig zu.

 

Rz. 2

Bereits im GG ist verankert, dass alle Menschen vor dem Gesetz gleich sind. Der Millionär, der einen RA bezahlen kann, soll im Hinblick auf die Wahrnehmung seiner Rechte nicht besser gestellt sein, als ein Hartz-IV-Empfänger. Unter dem Aspekt der Chancengleichheit soll den Menschen, die aus finanzieller Not nicht der Lage sind, einen RA zu bezahlen, unter bestimmten Voraussetzungen, die Wahrnehmung ihrer Rechte gewährt werden.

 

Rz. 3

Ähnlich wie bei der PKH, die im gerichtlichen Verfahren zum Tragen kommt (s. Rdn 66 ff.), ermöglicht die Beratungshilfe den Bürgern die Wahrnehmung ihrer Rechte mit der Maßgabe, dass die Kosten von der Landeshauptkasse, gegen eine sehr geringe Eigenbeteiligung des Rechtssuchenden, in außer- bzw. vorgerichtlichen Angelegenheiten getragen werden.

Die außer- bzw. vorgerichtliche Tätigkeit umfasst die Erteilung eines Rates und/oder einer Auskunft und wenn dies nicht ausreichend ist, darüber hinaus (mit Einschränkungen) die außer- bzw. vorgerichtliche Vertretung.

 

Rz. 4

Anders als bei der PKH ist derjenige (sofern sich die Einkommensverhältnisse wesentlich verbessern), für den die Kosten von der Bundes- oder Landeshauptkasse i.R.d. Beratungshilfe geleistet wurden, nicht verpflichtet, diese Kosten wieder zurückzuerstatten.

II. Gesetzliche Grundlage

 

Rz. 5

Geregelt sind die Voraussetzungen für die Beratungshilfe in dem Gesetz über Rechtsberatung und Vertretung für Bürger mit geringem Einkommen (BerHG).

 

Rz. 6

Zum 1.1.2014 wurde die Beratungshilfe zusammen mit einer Neuregelung der Prozesskostenhilfe durch das Gesetz zur Änderung des Prozesskosten- und Beratungshilferechts v. 31.8.2013 umfassend reformiert (nachstehend Reform 2014 genannt).

 

Rz. 7

Daneben gibt es weitere gesetzliche Grundlagen und Vorschriften, die für die Praxis von Bedeutung sind.

So finden Sie im RVG gesetzliche Regelungen im Hinblick auf die Vergütung im Wege der Beratungshilfe sowie Vorschriften in der BRAO (Bundesrechtsanwaltsordnung) und BORA (Berufsordnung für Rechtsanwälte).

III. Voraussetzungen für die Bewilligung von Beratungshilfe

 

Rz. 8

Um Beratungshilfe in Anspruch nehmen zu können, müssen zunächst drei Voraussetzungen gem. § 1 Abs. 1 BerHG erfüllt sein.

 

§ 1 BerHG

(1) Hilfe für die Wahrnehmung von Rechten außerhalb eines gerichtlichen Verfahrens und im obligatorischen Güteverfahren nach § 15a des Gesetzes betreffend die Einführung der Zivilprozessordnung (Beratungshilfe) wird auf Antrag gewährt, wenn

1. der Rechtsuchende die erforderlichen Mittel nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen nicht aufbringen kann,
2. nicht andere Möglichkeiten für eine Hilfe zur Verfügung stehen, deren Inanspruchnahme dem Rechtsuchenden zuzumuten ist,
3. die Inanspruchnahme der Beratungshilfe nicht mutwillig erscheint.

(2) Die Voraussetzungen des Absatzes 1 Nr. 1 sind gegeben, wenn dem Rechtsuchenden Prozeßkostenhilfe nach den Vorschriften der Zivilprozeßordnung ohne einen eigenen Beitrag zu den Kosten zu gewähren wäre. Die Möglichkeit, sich durch einen Rechtsanwalt unentgeltlich oder gegen Vereinbarung eines Erfolgshonorars beraten oder vertreten zu lassen, ist keine andere Möglichkeit der Hilfe im Sinne des Absatzes 1 Nummer 2.

(3) Mutwilligkeit liegt vor, wenn Beratungshilfe in Anspruch genommen wird, obwohl ein Rechtsuchender, der keine Beratungshilfe beansprucht, bei verständiger Würdigung aller Umstände der Rechtsangelegenheit davon absehen würde, sich auf eigene Kosten rechtlich beraten oder vertreten zu lassen. Bei der Beurteilung der Mutwilligkeit sind die Kenntnisse und Fähigkeiten des Antragstellers sowie seine besondere wirtschaftliche Lage zu berücksichtigen.

 

Rz. 9

Hinsichtlich § 1 Abs. 1 Nr. 1. BerHG (persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse) und § 1 Abs. 1 Nr. 3 BerHG (Mutwilligkeit) verweise ich auf die Ausführungen unter Rdn 72 in diesem Kapitel, da grundsätzlich die gleichen Voraussetzungen wie für die Bewilligung der PKH gelten.

 

Rz. 10

Durch die Reform zum 1.1.2014 wird nunmehr erstmalig der Begriff der Mutwilligkeit für die Beratungshilfe in Anknüpfung an die bisherige Rechtsprechung des BVerfG in § 1 Abs. 3 BerHG konkretisiert (Legaldefinition), siehe obigen Gesetzestext.

 

Rz. 11

Der Gesetzgeber wollte offiziell mit dieser "einschränkenden" Definition der Mutwilligkeit einen Missbrauch verhindern, in Wirklichkeit jedoch eher die Staatskassen entlasten. Insbesondere wenn ein professioneller Rechtsrat nicht geboten erscheint, soll Beratungshilfe verwehrt werden. Dies wird insbesondere bei Vereinbarung einer Ratenzahlung angenommen oder wenn ein Sachverhalt mit dem Gegner ge...

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