Rz. 52

Unmittelbar zu bewerten sind auch alle Versorgungen mit einem (echten) Deckungskapital, also alle Versorgungen, bei denen zum Zweck der späteren Zahlung der Versorgung ein Kapitalstock aufgebaut wird (§ 39 Abs. 2 Nr. 2 VersAusglG). Die Regelung ist eine Nachfolgebestimmung zu § 1587a Abs. 2 Nr. 5, Abs. 3 Nr. 1 BGB a.F. Sie betrifft viele betriebliche Versorgungen.[14]

 

Rz. 53

Voraussetzung für die Anwendung von § 39 Abs. 2 Nr. 2 VersAusglG ist, dass tatsächlich ein Deckungskapital gebildet wird, nicht dass eines gebildet werden müsste, weil die Versorgung von einem fiktiven Deckungskapital ausgeht, wie es z.B. bei den Zusatzversorgungen des öffentlichen und kirchlichen Dienstes der Fall ist (siehe dazu oben Rdn 39 ff.).

 

Rz. 54

Das ehezeitliche Deckungskapital ist der Zuwachs des Deckungskapitals einer Versorgung in der Ehezeit.[15] Die Formel entspricht letztlich (mit Ausnahme der unterschiedlichen Berechnungszeitpunkte) derjenigen beim Zugewinnausgleich. Verglichen wird also der Kapitalstand am Anfang der Ehe mit demjenigen am Ende der Ehezeit. Damit ist es eindeutig, dass alle durch innerhalb der Ehezeit erfolgte Beitragszahlungen und deren Verzinsung in der Ehezeit erzielten Vergrößerungen des Deckungskapitals in die Wertberechnung eingehen und den Ehezeitanteil und damit auch den Ausgleichswert vergrößern.

 

Rz. 55

 

Beispiel

F hat mit Beginn der Ehezeit auch eine neue Stelle angetreten. Der Arbeitgeber hat ihr eine Versorgung zugesagt, die durch Bildung eines Deckungskapitals ermöglicht wird. Am Ende der Ehe beträgt das Deckungskapital, welches durch die Einzahlungen und deren Verzinsung gebildet wurde, insgesamt 23.875,00 EUR. Dieses Kapital ist unmittelbar zu bewerten und insgesamt der Ehezeit zuzuordnen. Der Ausgleichswert beträgt deswegen (vorbehaltlich des Teilungskostenabzuges und ggf. der Zuschläge wegen Veränderung der abgesicherten Risiken) 11.937,50 EUR.

 

Rz. 56

Wie beim Zugewinnausgleich stellt sich aber auch die Frage, wie mit Zinsgewinnen zu verfahren ist, die innerhalb der Ehezeit auf ein vorehezeitlich eingezahltes Deckungskapital in der Ehezeit angefallen sind. Bei langen Ehen können diese Zinsgewinne ganz erheblich sein.[16]

 

Rz. 57

 

Beispiel

M hat eine Versorgung auf Deckungskapitalbasis. Zu Beginn der Ehezeit ist ein Deckungskapital von 10.000,00 EUR eingezahlt. Am Ende der Ehezeit nach acht Jahren sind es 30.000,00 EUR. Der Rechnungszins beträgt 4,5 %.

Eine einfache Vergleichsberechnung würde zu dem Ergebnis kommen, dass das Deckungskapital in der Ehezeit um 20.000,00 EUR erhöht worden wäre und käme deswegen (Ab- und Zuschläge nicht berücksichtigt) zu einem Ausgleichswert von 10.000,00 EUR. Das ließe aber unberücksichtigt, dass in dem Betrag von 30.000,00 EUR auch ein Zinsbetrag von insgesamt 4.220,98 EUR enthalten ist, der allein auf die Verzinsung des vorehezeitlich gebildeten Kapitals zurückgeht. Rechnet man diesen dem Anfangskapital zu (bzw. zieht man ihn vom Endkapital ab), bleibt nur noch ein Ehezeitanteil von 15.779,02 EUR und ein Ausgleichswert von 7.889,51 EUR.

 

Rz. 58

Zur Lösung dieser Frage, die von der Rechtsprechung bislang nicht geklärt ist, ist eine Vergleichsbetrachtung zu anderen unmittelbar zu bewertenden Versorgungen, v.a. zur gesetzlichen Rentenversicherung, hilfreich. Es ist anzunehmen, dass wegen Art. 3 Abs. 1 GG in allen Fällen, in denen unmittelbar bewertet wird, insoweit die gleichen Grundsätze gelten müssen. In der gesetzlichen Rentenversicherung wird aber für die Bewertung der Ehezeitanteile allein auf die persönlichen Entgeltpunkte abgestellt (§ 39 Abs. 2 Nr. 1 VersAusglG, siehe dazu Rdn 36 ff.). Auf den jeweiligen aktuellen Rentenwert kommt es dagegen im heutigen Recht (nicht mehr) an, da es nie um die aus dem Anrecht tatsächlich fließende Rente geht. Der aktuelle Rentenwert beeinflusst aber die tatsächliche Rente ganz erheblich; sein Ansteigen entspricht funktional der Verzinsung eines Kapitals. Daraus folgt:

 

Rz. 59

 

Hinweis

Bei der gesetzlichen Rentenversicherung werden im Versorgungsausgleich die Wertsteigerungen der vorehelich erworbenen Entgeltpunkte, welche sich aus einer Erhöhung des aktuellen Rentenwerts in der Ehezeit ergeben, nicht ausgeglichen.

Deswegen darf auch in den kapitalgedeckten Versorgungssystemen nichts anderes gelten: Alle Erhöhungen des Deckungskapitals, die sich aus einer Verzinsung von vorehelich geleisteten Beiträgen ergeben, müssen aus dem Deckungskapital am Ende der Ehezeit herausgerechnet werden.

Maßgebend für den Versorgungsausgleich sind allein die Erhöhungen des Deckungskapitals, die sich aus den in der Ehezeit geleisteten Beiträgen und deren Verzinsung ergeben haben.[17]

 

Rz. 60

Die Auskunft des Versorgungsträgers muss deswegen die Information enthalten, welche Beiträge zum Deckungskapital in der Ehezeit geleistet und wie diese verzinst wurden. Eine reine Kapitalvergleichsbetrachtung "Beginn der Ehezeit – Ende der Ehezeit" ist unrichtig und muss beanstandet werden.

 

Rz. 61

Kann eine unmittelbare Bewertung nicht erfolgen, weil der Versorgun...

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