Rz. 73

Die zeitratierliche Bewertung von Versorgungen kommt nur dann in Betracht, wenn die unmittelbare Bewertung ausscheidet. Der Grund dafür ist unerheblich. Es kann sich um rechtliche Gründe (v.a. bei der Beamtenversorgung, aber auch bei vielen betrieblichen Altersversorgungen) handeln, aber auch um tatsächliche Gründe (z.B. die Unmöglichkeit, die für die unmittelbare Bewertung erforderlichen Angaben zu erlangen).

 

Rz. 74

Die Grundlagen der zeitratierlichen Bewertung regelt § 40 VersAusglG. Ergänzungen für den praktisch wichtigsten Fall, die Beamtenversorgung, enthält § 44 VersAusglG und solche für betriebliche Altersversorgungen finden sich in § 45 VersAusglG.

 

Rz. 75

Inhaltlich bringen die Vorschriften über die zeitratierliche Bewertung nichts Neues. Auch § 1587a Abs. 2 Nr. 1, Nr. 3 und Nr. 4b BGB a.F. hatten diese Methode bereits vorgeschrieben.

1. Begriff

 

Rz. 76

Die zeitratierliche Bewertung ist eine Bewertung nach einem Zeit-Zeit-Verhältnis: Die Versorgung ist auf die Ehezeit in der Weise zu verteilen, dass die Ehezeit ins Verhältnis zu der Gesamtzeit gesetzt wird, in welcher die zeitratierliche Versorgung erworben wird.

 

Rz. 77

 

Praxistipp

Vorgehensweise (§ 40 Abs. 2 VersAusglG):

Ermittlung der Zeitdauer, die bis zu der für das Anrecht maßgeblichen Altersgrenze höchstens erreicht werden kann (n),
Ermittlung des Teils dieser Zeitdauer, der mit der Ehezeit übereinstimmt (m),
Der Wert des Ehezeitanteils ergibt sich, wenn das Verhältnis der in die Ehezeit fallenden Zeitdauer und der höchstens erreichbaren Zeitdauer (m/n) mit der zu erwartenden Versorgung (R) multipliziert wird (m/n × R).
 

Rz. 78

Die Einsatzbeträge richten sich nach dem Ende der Ehezeit (§ 40 Abs. 3 Satz 1 VersAusglG), d.h. es kommt auf die zu diesem Zeitpunkt zu erwartende Versorgung an. Damit sind alle Erhöhungen, die sich aus nachehezeitlichen Entwicklungen ergeben (z.B. Einkommenszuwächse wegen Beförderungen, welche sich auch versorgungstechnisch auswirken), für den Versorgungsausgleich irrelevant. Das ist insb. auch bei späteren Abänderungsverfahren nach §§ 225 f. FamFG zu beachten. Ebenso wenig dürfen familienbezogene Bestandteile des Ehezeitanteils, die die Ehegatten nur aufgrund einer bestehenden Ehe oder für Kinder erhalten, berücksichtigt werden (§ 40 Abs. 5 Vers­AusglG). Es soll vermieden werden, dass nur vorübergehend gezahlte Beträge die Berechnung der Versorgung beeinflussen. Ausschließlich dauerhaft gewährte Zuschläge gehen in die Berechnung ein.[20]

 

Rz. 79

Die zeitratierliche Bewertung beruht letztlich auf der Fiktion, dass das Beschäftigungsverhältnis bis zur Regelaltersgrenze fortgeführt werden wird. Kommt es später zu einem veränderten Verlauf (z.B. Frühpensionierung), dann ist die zeitratierliche Bewertung des Anrechts insoweit nicht mehr zutreffend. Sofern die entsprechenden Grenzwerte erreicht werden (vgl. §§ 225 f. FamFG, siehe dazu § 12 Rdn 9 ff.), kann deswegen dann in derartigen Fällen die Abänderung der Entscheidung über den Versorgungsausgleich betrieben werden.

 

Rz. 80

Anzuwenden ist die zeitratierliche Bewertung in den Fällen, in denen nicht unmittelbar bewertet werden kann, v.a. in Fällen, in denen die Höhe der Versorgung von dem Entgelt abhängt, das bei Eintritt des Versorgungsfalls gezahlt werden würde (§ 40 Abs. 4 VersAusglG). Das betrifft v.a. die Beamtenversorgung und (teilweise) die betriebliche Altersversorgung.

[20] BT-Drucks 16/10144, S. 79.

2. Bedeutung bei der Beamtenversorgung

 

Rz. 81

Die Beamtenversorgung bildet einen typischen Fall einer einkommensabhängigen Versorgung, denn ein Beamter erhält als Versorgung immer einen Prozentsatz seiner ruhegehaltsfähigen Dienstbezüge, die er zum Zeitpunkt des Eintritts in den Ruhestand erzielt. In § 44 Abs. 1 Vers­AusglG ist deswegen ausdrücklich angeordnet, dass seine Versorgung zeitratierlich zu bewerten ist (zu den sonstigen Regelungen des § 44 VersAusglG, die das Zusammentreffen mehrerer Versorgungen und die Versorgungen von Beamten auf Widerruf und Soldaten auf Zeit betreffen, siehe unten Rdn 130 ff.).

a) Grundsätze der Ermittlung der Beamtenversorgung im Hinblick auf den Versorgungsausgleich

 

Rz. 82

Die Beamtenversorgung errechnet sich nach der Formel

 
Ruhegehalt = Ruhegehaltssatz × ruhegehaltsfähige Dienstbezüge.
 

Rz. 83

Der Ruhegehaltssatz richtet sich nach der Dienstzeit des Beamten. Für jedes Dienstjahr erwirbt er einen Ruhegehaltssatz von 1,79375 %. Das führt nach 40 Dienstjahren zu einer Versorgung von 71,75 % der ruhegehaltsfähigen Dienstbezüge. Diese Versorgung bildet die Höchstversorgung eines Beamten. Auch wenn die Dienstzeit länger dauert, werden dadurch keine weiteren Versorgungsbezüge erworben.

 

Rz. 84

Im Versorgungsausgleich bei der Scheidung ist immer max. diese Höchstbetragsgrenze von 71,75 % maßgeblich. Das ist deswegen von Bedeutung, weil es durch die Übergangsregelungen zur Reform des Beamtenversorgungsrechts aus dem Jahr 2002[21] zzt. noch Versorgungen geben kann, bei denen der tatsächliche Höchstversorgungssatz höher liegt. Soweit der Satz 71,75 % übersteigt, ist die Differenz im Ausgleich nach der Scheidung schuldrechtlich auszugleichen.[22]

 

Rz. 85

Für die Ermittlung der ruhegehaltsf...

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